Darf mein Arbeitgeber mein Wahlverhalten beeinflussen oder bestrafen?

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Neben der Europawahl stehen auch in einigen Bundesländern in diesem Jahr bereits Wahlen bevor, im nächsten Jahr folgt dann auch die Bundestagswahl. Neben zahlreichen politischen Diskussionen positionieren sich nunmehr auch zahlreiche Unternehmen, um ihren Mitarbeitern ein passendes Wahlverhalten nahe zu legen. Die Diakonie droht ihren Mitarbeitern hierbei sogar offen mit Kündigungen. Doch darf der Arbeitgeber das Wahlverhalten beeinflussen oder gar bestrafen, wenn dieses nicht zu den Unternehmenswerten passt?

Diakonie droht mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen

„Wer sich für die AfD einsetzt, muss gehen“, so der Präsident der Diakonie. In einem Interview stellte er klar, dass das menschenfeindliche Weltbild der AfD nicht mit dem christlichen Weltbild vereinbar sei. Wer sich erkennbar mit der AfD identifiziere müsse daher mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Auch zahlreiche weitere Unternehmen gaben zuletzt ihre Vorstellungen von einer wirtschaftlich sinnvollen Wahl bekannt, ohne jedoch einzelne Parteien hervorzuheben. Da hierbei jedoch ein weltoffenes und europafreundliches Bild hervorgehoben wird, ist auch hier ein Abraten von einer Wahl der AfD herauszulesen.

Die Problematik die sich hieraus ergibt ist durchaus brisant. Denn darf ein Arbeitnehmer aufgrund seiner politischen Ansichten oder seines Wahlverhaltens gekündigt werden? Die Unternehmen argumentieren insbesondere damit, dass sie vor allem den europäischen Wirtschaftsmarkt sowie eine weltoffene und diskriminierungsfreie Gemeinschaft als wesentliches Mittel ansehen, um ein stätiges Wachstum zu erreichen und den Wohlstand zu sichern. Ohne die Gewinnung von ausländischen Fachkräften, ohne Klimaschutz und ohne die Europäische Union sei dieser Wohlstand jedoch gefährdet. Wer sich als Mitarbeiter gegen diese Werte ausspreche, müsse daher hinterfragen, ob er noch in die Unternehmen passe.

Arbeitsrechtlicher Grundsatz – privat ist privat

Doch kann privates Verhalten überhaupt für Kündigungen relevant sein? Darf eine Parteizugehörigkeit, die Wahl einer Partei oder ein politisches Verhalten arbeitsrechtlich sanktioniert werden? Sofern die Kündigung allein auf das entsprechende Wahlverhalten oder die politische Betätigung des Arbeitnehmers verweist, dürfte diese Frage regelmäßig mit Nein zu beantworten sein. Denn grundsätzlich herrscht eine strikte Unterscheidung zwischen dem Privatleben des Arbeitnehmers und seiner beruflichen Tätigkeit. Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt in der Regel die Vertragsverletzung des Arbeitsverhältnisses voraus, eine personenbedingte Kündigung stattdessen die fehlende Eignung des Arbeitnehmers für die Arbeitsleistung. Die freie Meinungsäußerung und die freie Wahl einer aktuell zugelassenen Partei sind jedoch Privatsache des Arbeitnehmers und daher einem Zugriff seitens des Arbeitgebers grundsätzlich entzogen.

Ein außerbetriebliches, privates Verhalten kann daher allenfalls dann als Kündigungsgrund herangezogen werden, wenn es sich unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis auswirkt. Bei einer freien, geheimen Wahl dürfte dies regelmäßig nicht der Fall sein, wobei hierbei schon fraglich ist, wie der Arbeitgeber im Normalfall von der getätigten Wahl des Arbeitnehmers Kenntnis erlangen soll. Doch selbst wenn der Arbeitgeber weiß, dass der Arbeitnehmer die AfD gewählt hat – um am Beispiel der Diakonie zu bleiben – so dürfte dies für arbeitsrechtliche Konsequenzen nicht genügen, zumal die Partei demokratisch wählbar ist und aktuell weder als verfassungswidrig eingestuft noch verboten wurde.

Auswirkungen auf die Arbeit und den Betrieb

Das politische Verhalten eines Arbeitnehmers kann eine Kündigung daher regelmäßig nur dann begründen, wenn es sich auf das Arbeitsverhältnis und den Betrieb auswirkt und Beeinträchtigungen für die Leistung, das Vertrauen oder die betrieblichen Aufgaben verursacht. Anders kann es daher zu beurteilen sein, wenn der Arbeitnehmer während der Arbeit oder auf dem Betriebsgelände aufdringlich Wahlkampf betreibt, seine Kollegen durch entsprechende Versuche von der Arbeit abhält oder regelmäßig versucht diese zu beeinflussen. Menschenverachtende Äußerungen gegenüber Kollegen können dabei ebenso zu berücksichtigen sein wie private Äußerungen, wenn diese in Bezug zur Arbeitsleistung getätigt werden oder sich auf die Arbeit auswirken. Dies gilt insbesondere, wenn hierdurch eine Störung des Betriebsfriedens, Konflikte oder ein negativer Arbeitsablauf zu befürchten ist.

[Als Beispiel kann hier auch das aktuelle Sylt-Video herangezogen werden. Die zunächst wohl private Feier und die Videoaufnahmen zogen nach Ihrer Veröffentlichung aufgrund der getätigten Aussagen weite Kreise. Schnell wurden die Personen und ihre entsprechenden Arbeitgeber ausfindig gemacht, wodurch sich das Verhalten letztlich auch negativ auf die Arbeitgeber auswirkte und ein entsprechendes Handeln erwartet wurde. Ob dies letztlich für die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung ausreicht wird sich zeigen, dürfte jedoch nicht gänzlich abwegig sein.]

Entsprechende negative Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis können den Arbeitgeber somit durchaus dazu berechtigen, arbeitsrechtliche und disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen. Dies kann letztlich von einer Abmahnung bis hin zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses reichen.

Sonderfall Diakonie – kirchliches Arbeitsrecht

Die Aussagen des Diakonie Präsidenten sind jedoch darüber hinaus an den besonderen Maßstäben des kirchlichen Arbeitsrechts zu bewerten. Grundsätzlich unterliegen dabei auch die Kirchen dem allgemeinen, staatlichen Arbeitsrecht. Durch das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht ist es den Kirchen als Arbeitgeber jedoch möglich eigene, strengere Loyalitäts- und Beschäftigungsvoraussetzungen festzulegen. So kann auch das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers zur Kündigung führen, wenn es mit den grundlegenden Glaubenssätzen der Kirche nicht zu vereinbaren ist – in Betracht kommen hier beispielsweise der Kirchenaustritt oder eine Wiederheirat.

Die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ sieht dabei etwa vor, dass Mitarbeiter, die sich kirchenfeindlich betätigen, gar nicht erst eingestellt werden dürfen. Sofern das Arbeitsverhältnis bereits besteht sollen zwar zunächst Gespräche und weitere Maßnahmen geprüft werden, letztlich könne es aber zu einer Beendigung kommen.

Sollten sich die kirchlichen Arbeitgeber aufgrund des politischen Verhaltens ihrer Arbeitnehmer entscheiden, diesen zu kündigen, so wird es hier letztlich auf die Beurteilung seitens der Arbeitsgerichte ankommen. Der Europäische Gerichtshof hatte diesbezüglich bereits entschieden, dass die kirchlich bestimmten Vorgaben für die Arbeitsleistung und das Arbeitsverhältnis „wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ sein müssten. Es sei dann die Aufgabe der Arbeitsgerichte, das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu überprüfen. Ob diese Voraussetzungen bei der Wahl einer entsprechenden Partei vorliegen und ob eine Kündigung letztlich wirksam ist wird sich dann zeigen.

Fazit

Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass eine politische Betätigung und die bloße Wahl einer Partei in der Regel keinen Kündigungsgrund darstellen. Hier gilt der Grundsatz, dass die Privatsphäre der Arbeitnehmer dem Zugriff des Arbeitgebers entzogen bleibt – dies gilt dabei insbesondere für die Teilnahme an einer demokratischen, freien und geheimen Wahl. Sofern sich die politische Betätigung jedoch negativ auf die Arbeit, die Kollegen und den Betriebsfrieden auswirkt und Grenzen überschritten werden, können durchaus arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zur Kündigung drohen. Für kirchliche Arbeitgeber greift zwar grundsätzlich das Selbstbestimmungsrecht, ob dieses jedoch eine Kündigung wegen des Wahlverhaltens rechtfertigt bleibt abzuwarten.

Ihr Arbeitsverhältnis wurde gekündigt, weil Sie die „falsche“ Partei gewählt haben? Sie haben Fragen zu Ihrem Arbeitsvertrag, einem Arbeitszeugnis oder benötigen Unterstützung in einem arbeitsrechtlichen Fall? Ich berate und vertrete Sie gern. Schreiben Sie mir jederzeit gern eine E-Mail an info@kanzlei-apitzsch.de , über das Anwalt.de Profil oder rufen Sie mich einfach an unter 0341 234 60 119. Gemeinsam finden wir die bestmögliche Lösung für Ihr Anliegen.

Robert Apitzsch

Rechtsanwalt für Arbeitsrecht

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