Das Beschleunigte Strafverfahren

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Das sogenannte Beschleunigte Verfahren erlaubt es der Justiz, innerhalb kurzer Zeit anzuklagen und abzuurteilen. Es ist in den §§ 417-420 der Strafprozeßordnung (StPO) geregelt. 

Es wurde geschaffen, um einfache Sachverhalte von niedriger krimineller Energie, die alltäglich geschehen, rasch und ohne großen Zeit- und Ermittlungsaufwand zu bearbeiten. Typisches Beispiel ist der Ladendiebstahl, insbesondere wenn er durch Ausländer ohne festen Wohnsitz in Deutschland verübt wurde, denen ansonsten Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr drohen würde.

Aktuelle Praxis, v.a. beim Amtsgericht Schweinfurt

Insbesondere das AG Schweinfurt macht hiervon regelmäßig Gebrauch, und zwar schon vor den Spaziergängen gegen die Corona-Maßnahmen. Seit diese jedoch immer größer wurden und sich das Interesse darauf richtete,  wurde vom Amtsgericht - medienwirksam - verstärkt Gebrauch von diesem umstrittenen Mittel gemacht.

Problematisch ist insbesondere, daß der Beschuldigte so gut wie keine Möglichkeit hat, sich zu wehren bzw. eine ordentliche Verteidigung aufzubauen. Polizei und Staatsanwaltschaft haben einen enormen Wissensvorsprung, und sie können auch die erforderlichen Beweismittel beibringen – während der Angeklagte nur in seltenen Zufällen rechtzeitig einen Zeugen vor Gericht präsentieren kann. Auch die Auswertung und Beibringung von Entlastungsbeweisen (im Falle der Demonstrationen oder Spaziergänge etwa Videos aus den Sozialen Medien, aber auch Ermittlung von Zeugen für den Beschuldigten) ist in der Kürze der Zeit kaum möglich.

Hinzu kommt, daß die wenigsten Beschuldigten genug Erfahrung mit der Justiz und dem Ablauf vor Gericht haben, um auch nur ansatzweise fair zu verhandeln und die wenigen im beschleunigten Verfahren verbleibenden prozessualen Möglichkeiten zu nutzen.

Mit anderen Worten: das beschleunigte Verfahren überfordert den Angeklagten in der Regel  völlig, ein Schuldspruch ist so gut wie sicher – oftmals mit dem „freundlichen“ Hinweis, daß es ohne das beschleunigte Verfahren eine härtere Strafe gegeben hätte, da der Strafrahmen im beschleunigten Verfahren beschränkt ist.

Anwaltliche Vertretung

Um überhaupt eine Chance auf eine faire Verhandlung zu haben, sollte man so früh wie möglich – am besten sofort nach der auslösenden Maßnahme (z.B. Festnahme durch die Polizei) Kontakt zu einem Strafverteidiger aufnehmen

Das Recht, zu schweigen

 In jedem Fall sollte man von seinem Recht, zu schweigen, in jeder Situation Gebrauch machen! Auch ein scheinbar freundliches Gespräch mit der Polizei wird später vor Gericht durch die Beamten vorgebracht werden. Wer, im Falle der Spaziergänge, hier frei heraus erklärt, daß er „demonstriert“ habe oder einem Aufruf gefolgt sei, nimmt sich selbst wichtige Verteidigungsmöglichkeiten.

Schweigen heißt also vollständiges Schweigen zu allem, was mit den Vorwürfen zusammenhängt oder zusammenhängen könnte. Mehr als die Personalien sollte kein Beschuldigter ohne anwaltliche Beratung preisgeben!

Rechtsmittel

Allerdings ist das Urteil eines Amtsgerichts nicht unbedingt das letzte Wort! Denn wie bei „normalen“ Urteilen auch hat der Angeklagte (und die Staatsanwaltschaft) das Recht, Rechtsmittel (Berufung/Revision) einzulegen. Dann kommt man automatisch in den „normalen“ Verfahrensablauf, d.h. bei einer Berufung kommt es zu einer erneuten Verhandlung vor dem zuständigen Landgericht – inklusive ordentlicher Beweisaufnahme!

Spätestens jetzt sollte man dann einen Anwalt einschalten, um Akteneinsicht zu bekommen und auf dem gleichen Wissenstand zu sein wie die Staatsanwaltschaft und das Gericht – Stichwort Waffengleichheit!

Sollte die Prüfung durch den Anwalt ergeben, daß das Urteil im Grunde in Ordnung ist, kann das Rechtsmittel auch wieder zurückgenommen werden, so daß in der Regel keine Verschlimmerung erfolgt!

Achtung: die Rechtsmittelfrist beträgt nur 1 Woche ab dem mündlichen Urteil! Sie darf keinesfalls verpaßt werden!


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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