Das neue Konsumcannabisgesetz und die Entscheidung des OLG Hamburg
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Das neue Konsumcannabisgesetz und die Entscheidung des OLG Hamburg
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hat am 9. April 2024 eine bedeutende Entscheidung im Zusammenhang mit dem neuen Konsumcannabisgesetz (KCanG) gefällt. Dieses Urteil hat weitreichende Folgen für den Umgang mit Cannabis im deutschen Strafrecht. Der Fall betraf einen Angeklagten, der wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden war und Revision einlegte. Im Folgenden beantworten wir die wichtigsten Fragen zu diesem Urteil und geben konkrete Tipps zum weiteren Vorgehen.
Was war der Sachverhalt des Urteils?
Der Angeklagte wurde wegen des Handeltreibens mit 72,01 Gramm Marihuana, das einen THC-Gehalt von 10,21 Gramm hatte, verurteilt. In Untersuchungshaft argumentierte er, dass nach dem neuen Konsumcannabisgesetz (KCanG) eine deutlich geringere Strafe zu erwarten sei und die Untersuchungshaft daher unverhältnismäßig sei. Das OLG Hamburg wies die Beschwerde zurück, passte jedoch die rechtliche Bewertung der Tat an die neue Rechtslage an.
Was besagt das neue Konsumcannabisgesetz (KCanG)?
Das KCanG trat am 1. April 2024 in Kraft und regelt den Umgang mit Cannabis neu. Es erlaubt unter bestimmten Bedingungen den Besitz und Anbau von Cannabis für den Eigenkonsum. Der gewerbliche Handel sowie der Besitz von Mengen, die über die erlaubten Grenzen hinausgehen, bleiben jedoch strafbar. Besonders wichtig ist die Regelung zur „nicht geringen Menge“ in § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG, die weiterhin bei einem THC-Gehalt von 7,5 Gramm liegt.
Warum bleibt die „nicht geringe Menge“ bei 7,5 Gramm THC?
Das OLG Hamburg entschied, dass der Grenzwert der „nicht geringen Menge“ bei 7,5 Gramm THC bleibt, da sich an den wissenschaftlichen Grundlagen und der Gefährlichkeit von Cannabis nichts geändert habe. Diese Entscheidung basiert auf der ständigen Rechtsprechung zum Betäubungsmittelgesetz (BtMG), die auf das KCanG übertragen wurde.
Wie begründet das OLG Hamburg seine Entscheidung?
Das Gericht argumentierte, dass der Gesetzgeber zwar einen höheren Grenzwert gefordert hatte, jedoch keine klaren, wissenschaftlich fundierten Kriterien dafür nannte. Zudem bleibt der Handel mit Cannabis strafbar, unabhängig von der Menge. Die bisherigen Grundsätze wurden daher beibehalten, um Rechtsklarheit zu schaffen.
Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die Praxis?
Die Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf die strafrechtliche Praxis:
- Bestehen des Grenzwerts: Der Grenzwert von 7,5 Gramm THC bleibt bestehen, was bedeutet, dass Personen, die mit größeren Mengen Cannabis handeln, weiterhin mit schweren Strafen rechnen müssen.
- Erhöhter Verwaltungsaufwand: Durch die Möglichkeit, eine niedrigere Bewertung nachzuweisen, steigt der Verwaltungsaufwand für die Finanzämter und die Zahl der Streitigkeiten vor den Finanzgerichten könnte zunehmen.
- Klarheit in der Rechtsanwendung: Die Entscheidung sorgt für Kontinuität und Klarheit in der Rechtsanwendung, da die bisherigen Grundsätze beibehalten werden.
Beispiel 1: Einzeltäter mit 10 Gramm THC
Ein Einzeltäter, der mit 10 Gramm THC handelt, würde nach wie vor wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt werden. Die Strafe kann, abhängig von den Umständen des Falls, mehrere Jahre Freiheitsentzug umfassen.
Beispiel 2: Anbau in einer Wohngemeinschaft
In einer Wohngemeinschaft dürfen mehrere Erwachsene jeweils bis zu drei Cannabispflanzen für den Eigenbedarf anbauen. Wenn jedoch die Gesamtmenge an THC 7,5 Gramm übersteigt, könnte dies strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Beispiel 3: Handel in der Nähe von Schulen
Ein besonders schwerer Fall wäre der Handel von Cannabis in der Nähe von Schulen. Selbst wenn die Menge unter 7,5 Gramm THC liegt, könnte die Nähe zu einer Schule oder zu Minderjährigen die Strafe verschärfen.
Welche weiteren Regelungen gibt es im neuen Konsumcannabisgesetz?
Neben der Festlegung des Grenzwerts für die nicht geringe Menge gibt es weitere wichtige Regelungen im KCanG:
- Erlaubter Besitz: Erwachsenen ist der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum erlaubt. Am eigenen Wohnsitz sind sogar bis zu 50 Gramm und bis zu drei lebende Cannabispflanzen gestattet (§ 3 Abs. 1 und 2 KCanG).
- Eigenanbau: Volljährige dürfen bis zu drei Cannabispflanzen für den Eigenbedarf anbauen. Diese müssen jedoch vor dem Zugriff durch Minderjährige geschützt werden (§ 9 Abs. 2 KCanG).
- Gemeinschaftlicher Anbau: Der gemeinschaftliche Anbau ist nur im Rahmen von Anbauvereinigungen erlaubt. Diese müssen eine Vielzahl von Vorgaben erfüllen und dürfen bis zu 500 Mitglieder haben (§§ 11 ff. KCanG).
- Konsumverbote: Der Konsum von Cannabis ist in der unmittelbaren Gegenwart von Minderjährigen sowie in bestimmten öffentlichen Bereichen verboten, um den Jugendschutz zu gewährleisten (§ 5 KCanG).
- Strafvorschriften: Verstöße gegen die zentralen Verbote des KCanG sind strafbar. Die Strafen reichen von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen, abhängig von der Schwere des Verstoßes (§ 34 KCanG).
Welche Handlungsanweisungen gibt es für Betroffene?
Für Betroffene des neuen KCanG gibt es klare Handlungsanweisungen, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden:
- Einhalten der erlaubten Mengen: Halten Sie sich an die erlaubten Besitzmengen von 25 Gramm Cannabis bzw. 50 Gramm am Wohnsitz.
- Schutz vor Minderjährigen: Stellen Sie sicher, dass Cannabispflanzen und Produkte vor dem Zugriff durch Minderjährige geschützt sind.
- Vermeidung von Konsumverboten: Konsumieren Sie Cannabis nicht in der Nähe von Minderjährigen oder in den festgelegten Schutzzonen.
- Registrierung bei Anbauvereinigungen: Wenn Sie gemeinschaftlichen Anbau betreiben möchten, registrieren Sie sich bei einer Anbauvereinigung und halten Sie sich an die gesetzlichen Vorgaben.
- Rechtliche Beratung: Bei Unsicherheiten oder rechtlichen Problemen sollten Sie umgehend rechtlichen Rat einholen.
Fazit
Das neue Konsumcannabisgesetz bringt erhebliche Änderungen mit sich, die sowohl den rechtlichen Umgang mit Cannabis als auch die Strafverfolgung betreffen. Die Entscheidung des OLG Hamburg, den Grenzwert für die nicht geringe Menge weiterhin bei 7,5 Gramm THC zu belassen, sorgt für Klarheit und Kontinuität in der Rechtsanwendung. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich die Praxis weiterentwickeln wird und ob der Gesetzgeber möglicherweise nachbessern wird.
Ihr Rechtsanwalt und Strafverteidiger
Christian Keßler
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