Das Pferd am Haus - Pferdehaltung im Wohngebiet

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Den Traum, das eigene Pferd direkt am Haus halten zu können, hegen viele Pferdebegeisterte. So kann das Tier jederzeit gesehen und nach Belieben gepflegt und gefüttert werden – ohne die Einschränkungen eines Pensionsstalls. Doch während für die eine Seite damit ein Traum wahr wird beziehungsweise wahr werden soll, stehen auf der anderen Seite häufig andere Anwohner, welche sich durch die Pferdehaltung gestört fühlen. Um Konflikte mit den Nachbarn (vorbeugend) begegnen zu können, sind die Eigenheiten des jeweiligen Wohngebietes zu berücksichtigen. Dies wird im Folgenden näher beleuchtet.


Pferdehaltung in (allgemeinen) Wohngebieten

Ist ausreichend Platz vorhanden, ist es verlockend, das eigene Pferd beziehungsweise die eigenen Pferde einfach dort unterzustellen, wo man wohnt. Doch ganz so einfach gestaltet sich die Situation nicht. Im Grundsatz existieren nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) verschiedene Baugebiete. So gibt es zum Beispiel die „Allgemeinen Wohngebiete“, die „Reinen Wohngebiete“, die „Dorfgebiete“, die „Dörflichen Wohngebiete“ oder auch „Industriegebiete“ (§§ 1 ff. BauNVO). Abhängig hiervon sind einerseits die erlaubte Bebauung und andererseits auch die erlaubte Nutzung des Grundstücks / Gebäudes. So dienen „Reine Wohngebiete“, § 3 BauNVO, dem Wohnen – erlaubt sind Wohngebäude (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) oder Anlagen zu Betreuung von Kindern, (§ 3 Nr. 2 BauNVO). § 3 Abs. 3 BauNVO erhält daneben Ausnahmen, welche zulässig sind. Demgegenüber dienen „Allgemeine Wohngebiete“, § 4 BauNVO, nur vorwiegend dem Wohnen – neben Wohngebäuden sind hier z.B. verschiedene Anlagen möglich, beispielsweise für soziale oder kulturelle Zwecke. Demgegenüber dienen Industriegebiete lediglich der Unterbringung von Gewerbebetrieben, § 9 BauNVO. Abhängig von der Festsetzung des Baugebietes ist somit die Nutzungsmöglichkeit, was sich selbstredend auch in der Pferdehaltung niederschlägt. Durch die Festsetzung der Art der baulichen Nutzung werden die Betroffenen, d.h. vor allem die Grundstückseigentümer, hinsichtlich der Nutzung ihrer jeweiligen Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden [König/Roeser/Stock/Roeser, 5. Auflage 2022, BauNVO § 1 Rn. 40]. Infolge der beschränkten Nutzungsmöglichkeit des eigenen Grundstücks wird ein Ausgleich dadurch geschaffen, dass auch der Nachbar, den gleichen Beschränkungen unterliegt [König/Roeser/Stock/Roeser, 5. Auflage 2022, BauNVO § 1 Rn. 40].

In allgemeinen und reinen Wohngebieten ist die Haltung von Pferden auf dem eigenen Grundstück nach Ansicht verschiedener Gerichte nahezu ausgeschlossen. So hat das Verwaltungsgericht Neustadt mit Urteil vom 08.03.2018, Az.: 4 K 828/12.NW und 4 K 793/12.NW entschieden, dass die Pferdehaltung in einem allgemeinen Wohngebiet unzulässig ist. Im zugrundeliegenden Fall hat die betroffene Pferdehalterin ein Grundstück in Ortslage erworben und ein Wohnhaus errichtet. Daneben sollte ein Stall zur Haltung von mehreren Pferden sowie eines Paddocks mit einer 60 Quadratmeter großen Fläche für die Pferde angelegt werden. Zunächst fragte die Pferdehalterin bei der Kreisverwaltung an, ob das Vorhaben genehmigungsfähig ist, was von der Kreisverwaltung verneint wurde, da eine Pferdehaltung gegenüber den Nachbarn „rücksichtslos“ wäre. Nach Einlegung eines Widerspruchs durch die Pferdehalterin wurde dieser unter Auflagen abgeholfen. Hiergegen klagten sowohl Nachbarn als auch die Ortsgemeinde. In der Folge hob das Gericht den Widerspruchsbescheid auf. Die Begründung des Gerichts beruhte auf dem Anspruch der Nachbarn auf Erhaltung des vorhandenen allgemeinen Wohngebiets sowie dem Anspruch der Ortsgemeinde auf Planungshoheit. Auch wenn noch vereinzelt Nebengebäude in der Umgebung vorhanden seien, rechtfertige dies nicht die Annahme einer Vermischung von Wohn- und Dorfgebiet mit der Folge einer potentiell zulässigen Pferdehaltung [so dienen Dorfgebiete insbesondere der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, § 5 Abs. 1 BauNVO; im Bereich eines dörflichen Wohngebiets sind nach § 5a Abs. 2 Nr. 4 BauNVO die Anlagen für die Tierhaltung zulässig]. Die Haltung von Pferden im Rahmen eines allgemeinen Wohngebiets entspreche nicht der Eigenart des allgemeinen Wohngebiets. Ausgenommen hiervon können jedoch Fälle seien, in denen ein Pferdestall auf einem Grundstück errichtet wird, welches am Ortsrand dergestalt liegt, als dass es mehr der freien Landschaft als einem Wohngebiet zugerechnet werden kann – „mehr draußen als drinnen“, maßgeblich ist aber in jedem Fall eine Einzelfallbetrachtung.

Demgegenüber ist die Haltung von Pferden in einem Dorfgebiet beziehungsweise einer „dörflich mitgeprägten Gemengelage“ grundsätzlich zulässig. Sofern sich die Nachbarn in diesem Zusammenhang auf Geruchsimmissionen berufen und gegen eine nachbarliche Pferdehaltung vorgehen möchten, hat das VG Mainz, BeckRS 2018, 434 entschieden, dass für die Beurteilung der Erheblichkeit von Geruchsimmsionen auf die Geruchsimmisions-Richtlinie zurückgegriffen werden kann. Im zugrundeliegenden Urteil haben sich die Kläger gegen einen Bauvorbescheid gewendet und begehrten bauaufsichtliches Einschreiten gegen eine Pferdehaltung. Bereits 1962 wurde ein Baubescheid erlassen, welcher den Erbau eines Nebengebäudes, unter anderem zur Haltung von Schweinen und Hühnern, genehmigte. 2015 beantragten die Kläger die sofortige Untersagung der Einstellung der Pferde im besagten Nebengebäude. Ein bauaufsichtliches Einschreiten wurde abgelehnt, wohingegen die Kläger Widerspruch einlegten. Die Kläger trugen unter anderem vor, dass von der Pferdehaltung unzumutbare Lärm- und Geruchsbelästigungen ausgingen, welche bei ihnen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt haben. Das Gericht entschied, dass weder ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch noch das Gebot der Rücksichtnahme vorliegt. Das Gericht trug vor, dass eine gewisse Geruchs- und Lärmbelästigung durch Nutztiere (in diesem Dorfgebiet) ortsüblich und hinzunehmen sei. Für die Beurteilung, ob Geruchs- und Lärmbelästigungen sich noch im Rahmen des Zumutbaren halten, ist vor allem die Regelungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes sowie auf die Geruchs-Immissionsschutzrichtlinie zurückzugreifen, auch wenn es sich bei der Letzteren um eine rechtlich unverbindliche Richtlinie handelt.

Das VG Würzburg, BeckRS 2020, 32631, entschied, dass die Unterbringung von Reitpferden für Hobbyzwecken in Dorfgebieten, § 5 Abs. 1 BauNVO, nicht unzulässig ist. § 5 Abs. 1 BauNVO entsprechend ist die Geräusch- und Geruchsbelastung von Großtieren grundsätzlich hinzunehmen. Damit sei das Dorfgebiet ein grundsätzlich geeigneter Standort für den Reitsport. Das Gericht verweist zudem darauf, dass auch „[…] ein rein erwerbswirtschaftlich geführter und deshalb […] nicht als Anlage für sportliche Zwecke einzustufender Reitbetrieb in einem Dorfgebiet als sonstiger das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb zulässig sein [kann], weil die mit der Pferdehaltung einhergehenden Belästigungen als gebietstypisch anzusehen sind, dann muss dies erstrecht für eine kleine „Hobbypferdehaltung“ gelten [VG Würzburg, BeckRS 2020, 32631 unter Verweis auf VGH München NVwZ 2007, 659 (660) m.w.N.]; maßgeblich dürfte aber sein, ob die Belästigung noch in einem durchschnittlichen Maße erfolgt.




Gebot der Rücksichtnahme und Gebietsgewährleistungsanspruch

Betroffene Nachbarn haben die Möglichkeit, sofern beispielsweise ein Stall geplant wird und auch hierfür eine Baugenehmigung erteilt wird, gegen die Genehmigung Klage zu erheben. Dafür muss die Baugenehmigung rechtswidrig sein und den Kläger in seinen Rechten verletzen. § 34 Baugesetzbuch (BauGB) regelt die Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile. Eine Verletzung des Zulässigkeitsrechts nach § 34 BauGB erfordert damit, dass verletzte Vorschriften auch einen drittschützenden Charakter aufweisen müssen [Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Baugesetzbuch, 143. EL August 2021, BauGB § 34 Rn. 140]. Erforderlich hierfür ist, dass diese Normen auch dem Schutz Dritter, d.h. den Nachbarn zu dienen bestimmt ist. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB fordert das „Einfügen in die Eigenart der baulichen Nutzung“ und enthält damit zugleich das Gebot der Rücksichtnahme [Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Baugesetzbuch, 143. EL August 2021, BauGB § 34 Rn. 140]. Maßgeblich ist hier die Beurteilung im Einzelfall.

Der Gebietsgewährleistungsanspruch ermöglicht es dem Grundstückseigentümer sich gegen ein hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung im Baugebiet nicht zulässiges Bauvorhaben zu wehren. Hierfür ist im Gegensatz zum Gebot der Rücksichtnahme keine unzumutbare Beeinträchtigung erforderlich [Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Baugesetzbuch, 143. EL August 2021, BauGB § 34 Rn. 140]. Hintergrund ist hier der Gedanke, dass derjenige, welcher sich als Eigentümer öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterwerfen muss, dies auch gleichermaßen von seinem Nachbarn verlangen kann. Der Gebietsgewährleistungsanspruch ist dabei in festgesetzten Baugebieten als auch in Gebieten des § 34 BauGB, wenn die Bebauung maßgeblich durch die vorhandene Bebauung geprägt ist, d.h. § 34 Abs. 2 BauGB, anwendbar, nicht aber auf § 34 Abs. 1 BauGB [Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Baugesetzbuch, 143. EL August 2021, BauGB § 34 Rn. 140].


Bei Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme kann ein Unterlassungsanspruch des Nachbarn gemäß § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB begründet sein. Mit Urteil vom 27. November 2020 – V ZR 121/19 entschied der BGH unter anderem, dass es keine nachbarliche Duldungspflicht bei einem baurechtswidrigen Offenstall gibt. Die Beklagte zu 1) errichtete im Abstand von ca. 12 m vom Wohnhaus der Klägerin einen Offenstall. Eine Baugenehmigung wurde nicht beantragt. Die Beklagte zu 2) betrieb eine Reitschule auf dem Grundstück der Beklagten zu 1). 2013 wurde von der zuständigen Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung für den bereits bestehen Stall abgelehnt, eine Verpflichtungsklage auf Erlass der Baugenehmigung wurde vom Verwaltungsgericht in der Folge abgewiesen, unter anderem mit dem Verweis, dass die Ruheräume der Klägerin lediglich ca. 12,5 m entfernt seien und die Boxen mit Auslauf zum Wohnhaus ausgerichtet sein. Damit wirke sich die Stallbebauung belastend auf das Grundstück der Klägerin aus. Die Beklagten wurden seitens des LG verurteilt, die Haltung zu unterlassen. Das Berufungsgericht entschied jedoch, dass bei der Haltung von den Pferden im Offenstall lediglich die Immissionsrichtwerte nicht überschritten werden dürfen. Nach Ansicht des BGH war die Verurteilung nur zur Einhaltung der Richtwerte der TA Lärm rechtsfehlerhaft – viel mehr habe die Klägerin aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB und dem öffentlich-rechtlichen Gebot der Rücksichtnahme einen Anspruch darauf, dass die Beklagte zu 1) die Pferdehaltung unterlässt.



Tipps aus anwaltlicher Sicht

Bereits vor Unterbringung der Pferde am eigenen Stall sollte vorab bei den zuständigen Behörden abgeklärt werden, ob ein solches Vorhaben prinzipiell möglich ist. Insbesondere bei Errichtung von Stallgebäuden ist die Einholung erforderlicher (sofern notwendiger) Baugenehmigung im Vorfeld zwingend anzuraten, um einen möglichen verpflichtenden Rückbau zu vermeiden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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