Rechtliche Vorgaben an die Pferdehaltung

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Pferde sind Lauf- und Herdentiere. In freier Wildbahn legen die Tiere regelmäßig Strecken von rund 30-40 km zurück, um Nahrung zu finden – generell nimmt ein Großteil ihrer Zeit die Nahrungsaufnahme in Anspruch. Im Gegensatz hierzu steht die Pferdehaltung, wie sie in einem Großteil aller (Pensions-)Pferdeställe zu finden ist. Hier gibt es zumeist nur einen engen zeitlichen Rahmen, in welchem die Tiere auf die Koppel oder einen Paddock dürfen. Gleichzeitig dominiert in vielen Ställen ein Fütterungsmodell, welches nur die zwei-/dreimalige Heugabe am Tag vorsieht – gegebenenfalls ergänzt durch die Gabe von Kraftfutter. Im Winter sehen viele Pferde lediglich ihre Box, abgesehen von der Bewegung durch den Reiter in der Halle oder auf dem Platz. Das bedeutet im Umkehrschluss mindestens 20 Stunden Aufenthalt in der Box, ohne die Möglichkeit, sich ausreichend bewegen zu können. Doch welche rechtlichen Vorgaben existieren überhaupt für die Pferdehaltung? Der folgende Beitrag soll Klarheit schaffen.


Rechtliche Grundlagen

Maßgeblich für die Beurteilung ist das Tierschutzgesetz (TierSchG). § 2 TierSchG legt fest, dass:


Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,


            1. muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pfle-   gen und verhaltensgerecht unterbringen,


            2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgerechter Bewegung nicht so einschränken, dass ihm             Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,

            

            3. muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbrin-     gung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.


Damit treffen die normierten Pflichten all diejenigen, welche ein Pferd halten, betreuen oder betreuen müssen, die insgesamt grundsätzlich unter dem Begriff der „Obhut“ zusammengefasst werden können [Erbs/Kohlhaas/Metzger, 239. EL Dezember 2021, TierSchG § 2 Rn. 2].

Halter eines Pferdes ist insbesondere derjenige, welcher das Tier im eigenen Interesse nicht nur vorübergehend nutzt. Eine Rolle kann dabei spielen, wen die Kostentragungspflicht für das Tier trifft und wer das Risiko des Verlustes trägt; die Eigentümerstellung ist hingegen nicht erforderlich. Insgesamt entspricht der Halterbegriff des § 2 TierSchG dem des zivilrechtlichen Halterbegriffs [Erbs/Kohlhaas/Metzger, 239. EL Dezember 2021, TierSchG § 2 Rn. 5].

Die Betreuung eines Pferdes „[...] ist die tatsächliche Versorgung aufgrund Bestimmungsmacht über das Tier, die nicht Haltung ist.“[ Erbs/Kohlhaas/Metzger, 239. EL Dezember 2021, TierSchG § 2 Rn. 7]. Der Unterschied zur Haltung ergibt sich im Grundsatz durch den Umfang der Verantwortlichkeit für die Ausübung der Pflichten im Hinblick auf Ernährung, Pflege usw. [Erbs/Kohlhaas/Metzger, 239. EL Dezember 2021, TierSchG § 2 Rn. 7]. Von einem „Betreuenmüssen“ spricht man hingegen, wenn eine Pflicht zum Betreuen besteht. Eine solche Pflicht kann sich zum Beispiel aus Gesetz oder einem Vertrag ergeben, d.h. beispielsweise einem Pensionsvertrag.


Maßgeblich für die Beurteilung der aus § 2 Nr. 1 TierSchG resultierenden Pflichten ist zum einen die Tierart zu welchem das Tier gehört und zum anderen sind die Beachtung der Entwicklung, die Anpassung und Domestikation des Tieres sowie seine physiologischen und ethologischen Bedürfnisse entsprechend praktischer Erfahrungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse [Richtlinie 98/58/EG des Rates vom 20. Juli 1998 über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere, Art. 4]. Dies gilt im Grundsatz auch für Pferde. Sofern § 2 Nr. 1 TierSchG von einer angemessenen Ernährung spricht, impliziert bereits der Wortlaut der Norm, dass die Versorgung hiermit nicht „die Beste“ sein muss. Angemessen bedeutet viel mehr, dass ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen Nutzungszweck und (finanzieller) Zumutbarkeit für den Halter bzw. Betreuenden stattzufinden hat – hierfür ist eine Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen [Erbs/Kohlhaas/Metzger, 239. EL Dezember 2021, TierSchG § 2 Rn. 19].

Die verlangte Unterbringung des Tieres erfordert, dass dem Tier  ein artgerechtes Verhalten ermöglich wird; dies umfasst z.B. die Funktionskreise der Gruppenbeziehung oder der Bewegung [VG Gelsenkirchen BeckRS 2012, 51553]. Den Tieren ist darüber hinaus die Möglichkeit bereit zu stellen, Schutz vor Klimaeinwirkungen wie Hitze erlangen zu können. Unterstände sind sauber zu halten [Erbs/Kohlhaas/Metzger, 239. EL Dezember 2021, TierSchG § 2 Rn. 28 zu den Pflichten].

Ergänzend zu den Regelungen des TierSchG sind die Leitlinien des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zu berücksichtigen. Diese stellen allerdings keine verbindlichen Rechtsnormen dar, sondern können ergänzend von den Tierhaltern sowie den Gerichten bei Beurteilung der TierSchG-Reglungen zur Auslegung herangezogen werden. Sie stellen eine Orientierungshilfe dar. Zentral für die Beurteilung der Pferdehaltung sind dabei die Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten [abrufbar auf der Seite des BMEL]. Die Leitlinien setzten vor allem Maßstäbe für die Haltung, die Betreuung und die Unterbringung der Pferde fest. Im Folgenden werden einige der wichtigsten Aspekte dargestellt:

Die Leitlinien fordern für die Haltung insbesondere, dass ein Sicht-, Hör- und Geruchskontakt zwischen den einzelnen Tieren möglich ist [S. 4 der Haltungsrichtlinien]. Ausnahmen sind unter anderem nur bei sehr unverträglichen Tieren oder bei Vorliegen von Krankheiten erlaubt. Bereits der nächste Absatz enthält, dass sowohl bei Einzelhaltung als auch bei Gruppenhaltung auf das soziale Gefüge der Pferde Rücksicht zu nehmen ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass damit grundsätzlich auch eine Einzelhaltung des Pferdes trotz der gebotenen Beachtung des sozialen Austausches toleriert wird [hierrunter unterfällt nach den Richtlinien auch die Haltung in einer Innen- oder Außenbox oder einer Box mit Kleinauslauf]. Lediglich die Ständerhaltung erweist sich als tierschutzwidrig. Für Fohlen und Jungtiere wird hingegen auf die Gründe der sozialen Entwicklung hingewiesen und eine Alleinhaltung grundsätzlich untersagt [S. 4 der Haltungsrichtlinien].

Darüber hinaus ist rohfaserreiches Futter nicht zwingend den ganzen Tag anzubieten, zumindest aber 12 Stunden am Tag [S. 5 der Haltungsrichtlinien].

Für die Haltung gibt es lediglich Sollvorgaben, die erfüllt werden sollten, d.h. nicht einmal die Leitlinien sehen diese als grundsätzlich verbindlich an. Aufgrund der Lungen der Tiere sollte auf eine ausreichende Frischluftzufuhr geachtet werden. Zudem werden verschiedene, abhängig von der Widerristhöhe des Pferdes, Mindestmaße für die Boxenfläche sowie die Mindestdeckenhöhe festgelegt [S. 21 der Haltungsrichtlinien]. Eine Liegefläche, welche ausreichend groß, trocken und verformbar ist, soll den Tieren zur Verfügung gestellt werden. Zugleich muss jedes Pferd die Möglichkeit haben, ausreichend Zeit und Ruhe zum Fressen zu haben. Wasser ist den Pferden grundsätzlich, unabhängig von der Haltungsform, ständig zur Verfügung zu stellen [S. 7 der Haltungsrichtlinien].

Ein zeitliches Minimum für den Weidegang oder den Auslauf gibt es nicht. Hierbei wird leider unverbindlich von „sooft wie möglich“ gesprochen [S. 5 der Haltungsrichtlinien] und auf das Verhalten der Tiere, welche sich in freier undomestizierter Wildbahn rund 16 Stunden bewegen, hingewiesen.

Gemäß § 16a Abs. 1 Nr. 1 TierschG kann die zuständige Behörde (z.B. das Veterinäramt) zur Beseitigung festgestellter Verstöße gegen das TierSchG und zur Vermeidung künftiger Verstöße im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen. Daneben können Tiere dem Halter gänzlich weggenommen und zugleich ein Tierhaltungsverbot ausgesprochen werden. Dabei unterliegt insbesondere auch die hobbymäßige Pferdehaltung gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TierSchG der Aufsicht der zuständigen Behörde [VG Würzburg BeckRS 2016, 45387].


Gerichtliche Entscheidungen

Für die rechtliche Beurteilung einer Haltung sind insbesondere bereits ergangene Entscheidungen und deren Inhalt zu beachten. In seiner Entscheidung vom 22.01.2019 legt das VG Regensburg, BeckRS 2019, 3491, ausdrücklich die Haltungsleitlinien des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zugrunde. Diese gelten nach Ansicht des VG Regensburg dabei nicht nur für Freizeitpferde, sondern auch für Sportpferde. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs sei den Leitlinien nicht zu entnehmen. Infolgedessen sei sowohl Sport- als auch Freizeitpferden ausreichend Weide und/oder Auslauf anzubieten. Sofern eine behördliche Anordnung ergebe, dass ein (mindestens) dreistündig dauernder Auslauf erforderlich sei, so ist dem nach Ansicht des Gerichtes zuzustimmen. Gleichermaßen sei es irrelevant, dass die Haltung von Pferden ohne Auslauf in der Praxis häufig vorkomme beziehungsweise „üblich“ sei. Für die Prüfung des § 2 Nr. 2 TierSchG ist das Gericht nicht von der Frage der Üblichkeit geleitet worden.


Mit Urteil vom 04.12.2006 entschied das VG Düsseldorf, BeckRS 2007, 24979, dass eine (behördliche) Anordnung, allen gehaltenen Pferden täglich eine mindestens drei bis vierstündige Bewegungsmöglichkeit im Freien anzubieten, rechtmäßig sei und die Klägerin (als Halterin) nicht in ihren Rechten verletze. Zudem stellte das Gericht fest, dass die drei bis vierstündige Bewegungsmöglichkeit im Freien den Ausgleich für den Aktivitätsverlust bei Stallhaltung darstelle und damit nicht witterungsabhängig sei. Infolgedessen ist Pferden grundsätzlich auch bei schlechtem Wetter Auslauf anzubieten. Sofern im gegebenen Fall die Klägerin Einwände diesbezüglich insbesondere im Hinblick auf Dauerfrost und Dauerregen geltend machte, ist das Gericht der Ansicht, dass eine entsprechende Befestigung des Auslaufs etwaigen (Verletzungs-)gefahren begegnen lassen kann (und muss). Der Einwand, dass im Winter aufgrund der früh einbrechenden Dunkelheit die geforderten Stunden nicht entsprechend eingehalten werden können, mag nach Ansicht des Gerichts nicht verfangen. Denn an dieser Stelle habe die Halterin die Möglichkeit, den Tierbestand zu verringern oder einen weiteren Auslaufplatz anzulegen, um einen entsprechenden (zeitgleichen) Auslauf gewährleisten zu können.


Das auch eine ganzjährige Freilandhaltung unter Umständen einen Verstoß gegen das TierSchG rechtfertigen kann, zeigt die Entscheidung des VG Würzburg vom 16.07.2018, BeckRS 2018, 16492. Der Kläger wand sich mit der Klage gegen den Bescheid des Beklagten betreffend die Untersagung des Haltens und Betreuens von Pferden sowie Abgabe und gegebenenfalls der Duldung der Wegnahme der Pferde. So hatte das Veterinäramt insbesondere einen fehlenden (ausreichenden) Witterungsschutz sowie eine erhebliche Verschmutzung der zu kleinen Liegefläche der Tiere unter Auflagen zur Abhilfe moniert. Gleichzeitig umfasste das Grundstück keine ausreichende Sicherung, sodass die Tiere wiederholt das Grundstück eigenmächtig verließen. Zudem seien Mängel bei der Pflege der Tiere ausgefallen, insbesondere im Bereich der Hufpflege. Der Vollstreckung stand im zugrundeliegenden Fall allerdings ein Hindernis entgegen, da der Halter nicht Eigentümer der Pferde gewesen ist. Aus dem Eigentum steht dem Eigentümer ein Recht an den Tieren zu mit der Folge, dass die Zwangsmaßnahmen rechtlich gehindert sein können. Eine Duldungsverfügung lag gegenüber dem Eigentümer nicht vor, sodass der Bescheid rechtswidrig gewesen ist.


Pferdehaltung aus anwaltlicher Sicht

Bei der Haltung von Pferden sollten – unabhängig davon, ob es sich um eine rein private Hobbyhaltung oder eine gewerbliche Haltung handelt – die Vorgaben der Leitlinien zur Pferdehaltung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft beachtet und zumindest als Mindestmaß eingehalten werden. Gleichermaßen ist es unter Heranziehung verschiedener ergangener Urteile angezeigt, den Pferden einen mindestens zwei bis dreistündigen Auslauf zukommen zu lassen. Hinsichtlich der Pflege und Fütterung ist die Angemessenheit zu beachten und auf eine ausreichende Futterqualität zu achten. Die ständige Zurverfügungstellung von Wasser ist zwingend.


Foto(s): Jana Christina Hartmann

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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