Datenaustausch mit Türkei: Selbstanzeige schützt vor Strafverfolgung

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Herr Dr. Arendt, gibt es Neuigkeiten für Anleger mit unversteuerten Geldern im Ausland?

Dr. Arendt: Ja, in der Tat. Zwischenzeitlich ist der Austausch auf staatlicher Ebene gemäß CRS (Common Reporting Standard) weiter fortgeschritten. Diese OECD-Maßnahmes orgt für mehr Transparenz beim internationalen Geldverkehr und brachte auch zahlreiche Fälle der Selbstanzeigebe im Finanzamt - wie am Beispiel mit der Schweiz gesehen hat.


Was ist unter dem CRS genau zu verstehen?

Dr. Arendt: Mit diesem Abkommen des Automatischen Informationsaustauschs(AIA) verpflichten sich mittlerweile über 100 Staaten dazu, gegenseitig Bankdaten von Steuerpflichtigen auszutauschen, die in einem anderen Staat ansässig sind. Die erhobenen Daten beziehen sich rückwirkend immer auf das vorhergehende Kalenderjahr,also für den Report 2020 aufd en Zeitraum 01.01.2019 bis 31.12.2019.Die Meldungen gelangen über das Bundeszentralamt für Steuern ab Oktober des Meldejahres an das zuständige Wohnsitz-Finanzamt.


Welche Länder beteiligen sich an dem CRS?

Dr. Arendt: Nachdem der Informationsaustausch seit 2017 mit Staaten wie Liechtenstein,Luxemburg, Österreich und den Kanalinseln stattgefunden hat, haben sich 2018 nunmehr weitere 40 Staaten angeschlossen.Aus der zweiten Runde sind insbesondere die Schweiz, Singapur und Russland hervorzuheben. Anfang Juli hat das Bundesfinanzministerium bekannt gegeben,welche weiteren Staaten sich nun am Austausch beteiligen. Erstmalig ist auch die Türkei dabei. Auf unserer Homepage www.acconsis.de sind weitere Hinweise hierzu vermerkt.


Ist die Türkei also Ihrer Meinung nach die neue Schweiz?

Dr. Arendt: In Deutschland leben viele Menschen mit türkischen Wurzeln, die auch ein Konto in der Türkei besitzen.Wenn hierzulande der Abgleich der Daten erfolgt und sich zeigt, dass jemand ein Konto in der Türkei hatte und die daraus resultierenden Einnahmen in seiner Steuer nicht angegeben worden sind, kann das als Steuerhinterziehung gewertet werden.Deutsche Steuerfahnder könnten durch Einblicke in türkische Konten über dies Schwarzgeldgeschäften im großen Stil auf die Schliche kommen. Unversteuerte Einnahmen, insbesondere aus „schwarzgeld-anfälligen“ Branchen wie z.B. dem Taxigewerbe, der Gastronomie oder der Bauwirtschaft könnten ans Tageslicht kommen.Das Ganze würde nicht ohne Folgen bleiben, Steuersünder würden enorme Nachforderungen von den Finanzämtern und Steuerstrafverfahren drohen.


Wen betrifft der Datenaustausch zwischen der Türkei und der BRD?

Dr. Arendt: Der Automatische Informationsaustausch betrifft alle Personen, die in Deutschland ansässig und Inhaber eines Kontos in der Türkei sind. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall. Die Staatsangehörigkeit ist dabei unerheblich.Wie viele Steuerpflichtige tatsächlich betroffen sind, ist aus meiner Sicht schwer abzuschätzen. Aber wenn man weiß, dass die Zahl der türkischstämmigen Menschen in Deutschland an die drei Millionen geht,dann wird es sicher eine erhebliche Zahl sein, die von dieser Entwicklung betroffen ist.

Nur zur Erinnerung: Als Deutschland die Schweizer CDs kaufte, haben sehr viele Bundesbürger mit einem Konto in der Schweiz eine Selbstanzeige beim Finanzamt abgegeben.


Welche Informationen werden ausgetauscht?

Dr. Arendt: Gemeldet werden insbesondere die Daten von Bankkonten, die in Deutschland wohnende Steuerpflichtige bei Banken im Ausland unterhalten und umgekehrt. Dabei werden dem Fiskus im Einzelnen folgende Daten übermittelt:

Name, Anschrift, Steueridentifikationsnummer,Geburtsdatum/-ort der meldepflichtigen Person, Konto- bzw. Depotnummern sowie Kontostand zum Ende des Kalenderjahres und gutgeschriebene Kapitalerträge einschließlich Veräußerungserlösen von Wertpapieren. Auch Kontoauflösungen und Daten zu bestimmten Lebensversicherungsverträgen müssen gemeldet werden.


Welche Problematik kann das mit sich bringen?

Dr. Arendt: Im Ergebnis soll der Empfängerstaat in die Lage versetzt werden, mit den übermittelten Informationen eine Besteuerung durchzuführen. Das kann Folgewirkungen haben: Etwa für Sachverhalte, die man gar nicht mehr in Erinnerung hat. Zum Beispiel,wenn jemand in Deutschland in der Vergangenheit Insolvenz angemeldet hat. Dabei hat er angegeben, er verfüge über kein weiteres Vermögen. Dann kommt heraus: Er gibt noch ein Konto in der Türkei. Bei größeren Summen könnten Daten dann an die Staatsanwaltschaften geraten. Eben dies gilt entsprechend auch bei dem Bezug von deutschen Sozialleistungen. Hieran könnten sich zudem strafrechtliche Konsequenzen anschließen. 

Regelmäßig wird sich der in Deutschland lebende Kontoinhaber aber mit der Frage der steuerlichen Behandlung der Kapitalerträge auseinandersetzen müssen. Da wird das zuständige Finanzamt – sollten die türkischen Kapitalerträge noch nicht in Deutschland versteuert worden sein - eine Nachversteuerung für das Jahr 2019 durchführen. Das Finanzamt wird zudem erwarten, dass man mitteilt, woher das Kapitalvermögen stammt und gegebenenfalls entsprechende Schätzungen im Rahmen der Nachversteuerung für die Vorjahre durchführen.

Regelmäßig wird in solchen Fällen auch ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Sofern die bekannten Kapitalerträge eine gewisse Größenordnung überschreiten, wird das Fahndungsfinanzamt oder die Staatsanwaltschaft eventuell Durchsuchungsmaßnahmen veranlassen, um Kontounterlagen oder andere Informationen aufzufinden.


Wie ist Ihre Einschätzung zur Effektivität des CRS für die deutschen Finanzbehörden?

Dr. Arendt: Mit dem CRS ist neben der Ermittlungsmaßnahme der Gruppenanfragen des deutschen Fiskus an andere Staaten eine große Transparenz in den Kapitalmarkt gekommen. Das frühere Institut „Bankengeheimnis“ gibt es in dieser Form nicht mehr. Dem deutschen Fiskus sind mittlerweile große Mengen an Bankdaten zugänglich,mit deren Auswertung er sich intensiv beschäftigt. 

Beim „Datensammeln“ sind die Kreditinstitute in der Pflicht, dem Bundeszentralamt für Steuern die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen zu übermitteln. Aus diesem Grund werden immer wieder Mandanten bei uns vorstellig, die Briefe von ausländischen Kreditinstituten erhalten haben,worin um Selbstauskunft zur steuerlichen Ansässigkeit für die Ermittlung des Steuerstatus gebeten wird. Es ist zu erwarten,dass diese Anfragen zukünftig verstärkt von den Kreditinstituten der „neuen Staaten“, mithin aus der Türkei ausgehen werden. Auf diesen Daten basierend nehmen die Finanzämter Auswertungen vor und versenden entsprechende Schreiben an die Steuerpflichtigen.


Rechnen Sie also mit der nächsten Welle zur Selbstanzeige beim Finanzamt?

Dr. Arendt: Sofern die genannten Informationen noch nicht übermittelt wurden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer „strafbefreienden“ Selbstanzeige beim Finanzamt. Es müssen dann aber rückwirkend die Kapitalerträge für sämtliche Jahre (je nach Fallgestaltung) ab etwa 2008 vollständig aufgedeckt werden. Dabei gilt es zu prüfen, ob diese in Deutschland steuerpflichtig waren und bisher nicht versteuert wurden. Zudem müssen u.a. die im Rahmender Nachversteuerung festgesetzten Steuern und Hinterziehungszinsen vollumfänglich entrichtet werden.


Was ist Ihre Empfehlung?

Dr. Arendt: Eine wirksame Selbstanzeige beim Finanzamt führt zu einem Strafverfolgungshindernis, d.h. man kann wegen der betreffenden Steuerhinterziehung nicht mehr bestraft werden. Ob eine Selbstanzeige möglich ist, muss angesichts der komplexen gesetzlichen Voraussetzungen im Einzelfall aber eingehend geprüft werden.

Nach Mitteilung der Informationen, d.h. ab dem 01.01.2021, hat eine Selbstanzeige wohl keine strafbefreiende Wirkung mehr. Also sollte man den Herbst nützen, um sich einen Überblick zu verschaffen und schnell handeln.

Vielen Dank für das Gespräch!

Foto(s): shutterstock

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