Der E-Mail-Account eines deutschen Gerichts ist - eine böse Dummenfalle

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Faxen ist Technik von gestern: E-Mails sind angesagt. Der Account des Oberlandesgerichts Düsseldorf sendet sogar automatisch eine beruhigende Eingangsmeldung. Das kann einen fortschrittlichen Anwalt und seinen Mandanten um die Existenz bringen kann.

In erster Instanz war sein Mandant unterlegen. Es ging um eine Kartellsache. Klar, dass bei einem Streitwert von knapp 70 Mio. Euro das Verfahren damit nicht beendet sein kann.

Der Anwalt legt rechtzeitig Berufung ein. Dann lässt er sich, in einem Anfall von „Aufschieberitis", Zeit bis zum letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist. Es gelingt ihm, den Schriftsatz fertigzustellen. Um 14.15 Uhr - 9 Stunden und 45 Minuten vor Ablauf der Frist - übermittelt er ihn per E-Mail an das Oberlandesgericht Düsseldorf. Die Eingangsbestätigung kommt prompt. Geschafft. Erleichterung.

Ach, hätte er nur das gute alte Fax benutzt. Denn es kommt der Knaller: Das Gericht verwirft die Berufung als unzulässig. Die Berufung sei nicht rechtzeitig begründet worden. Die Übermittlung per E-Mail sei ungültig.

Der Anwalt stellt Antrag auf Wiedereinsetzung. Und er scheitert erneut (Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 24.07.2013 - VI-U (Kart) 48/12).

Das Gericht wirft ihm vor, die Fristversäumnis verschuldet zu haben. Der Anwalt habe feststellen können, dass die Übermittlung per E-Mail die Frist nicht wahren konnte, weil der elektronische Rechtsverkehr in Berufungszivilsachen noch nicht eröffnet sei. Das sei nur durch eine Rechtsverordnung der Landesregierung möglich, die es (noch) nicht gebe.

Auf die Existenz eines Accounts, der sogar noch Eingangsbestätigungen versendet, habe der Anwalt sich nicht verlassen dürfen.

Ob der Bundesgerichtshof anders entscheidet (KZR 57/13), bleibt abzuwarten. Bei den hohen Maßstäben, die an anwaltliches Handeln angelegt werden, ist Skepsis angebracht. Ein Anwalt wird wissen müssen, dass „ein Briefkasten" eben auch „kein Briefkasten" sein kann.

Traurig ist die Sache nicht nur für den Anwalt, sondern auch für dessen Mandanten. Dem hilft ein Schadensersatzanspruch auf dem Papier in Höhe von 70 Mio. Euro wohl nichts. Dabei kann der Mandant dazu beitragen, Fristversäumnisse seines Anwalts zu vermeiden. Er hat eine starke Rolle.

Als Auftraggeber kann der Mandant die bindende Weisung erteilen, fristgebundene Schriftsätze mindestens eine Woche vor Fristablauf fertigzustellen und per Post bei der zuständigen Behörde einzureichen. Bei Weisungsverstoß kann er das Mandat fristlos kündigen und ein anderes Anwaltsbüro beauftragen.

Auch wenn es für manch einen Anwalt unbequem sein mag: Dieser Macht muss der Mandant sich bewusst sein - und diese Macht muss er nutzen. Übrigens: auch zum Vorteil seines Anwalts, wie der geschilderte Fall exemplarisch macht.

Nur die Sache ist verloren, die man aufgibt.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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