Der Erbfall mit Auslandsberührung – welches Erbrecht gilt da eigentlich? Handlungsbedarf?

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Liebe Mandanten und Freunde, an dieser Stelle möchten wir Ihnen von Zeit zu Zeit interessante Themen  aus der erbrechtlichen und erbschaft-/schenkungsteuerlichen Praxis vorstellen. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und helfen Ihnen bei Fragen gern. Ihr BBT-Team.

1. Das anwendbare Recht

a) Der Grundsatz

Die Frage, welches materielle Recht bei einem Erbfall mit Auslandsberührung gilt, beleuchten wir anhand des folgenden, einfachen Beispiels:

Erblasser E ist deutscher Staatsangehöriger und lebt die letzten 10 Jahre permanent in Spanien. Er hat ein Konto in Spanien und eine Immobilie in Deutschland.

Seit dem 17. August 2015 gilt die Europäische Erbrechtsverordnung (EU-Erbrechtsverordnung bzw. EU-ErbVO) in allen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme Irlands und Dänemarks.

Danach findet für Erbfälle nach dem 16. August 2015 aus deutscher Perspektive im Regelfall nicht mehr wie früher das Heimatrecht und damit das Recht des Staates Anwendung, dessen Staatsangehöriger der Erblasser war. Nunmehr gilt nach der EU-Erbrechtsverordnung stattdessen grundsätzlich das Recht des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts (Artikel 21 EU-ErbVO). Die EU-Erbrechtsverordnung bestimmt einheitlich für den gesamten Nachlass, welches nationale Erbrecht zur Anwendung kommt. Dabei wird nicht zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen unterschieden (sogenannter Grundsatz der Nachlasseinheit).

Das anzuwendende nationale Recht regelt dann alle den Erbfall betreffenden rechtlichen Fragen, insbesondere wer zu welchen Teilen gesetzlicher Erbe geworden ist, ob jemandem sonstige Ansprüche zustehen, wie z.B. Pflichtteilsansprüche und inwieweit der Erbe für Nachlassverbindlichkeiten haftet etc.

Die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist nicht immer einfach. Letztlich ist eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers vorzunehmen. Kriterien können dabei z.B. sein, wie lange und wie regelmäßig sich jemand in dem betreffenden Staat aufhält bzw. wo sein Lebensmittelpunkt in familiärer oder sozialer Hinsicht ist.

Im vorgenannten Beispiel lebt der Erblasser bereits seit 10 Jahren dauerhaft in Spanien. Sein gewöhnlicher Aufenthalt wäre mithin Spanien. Für den Erbfall gilt damit grds. das spanische Recht, nicht das deutsche Recht. Nach spanischen Recht würde sich also auch die Frage beurteilen, wer gesetzlicher Erbe nach dem Erblasser geworden ist.

b) Die Rechtswahl

Wer den gewöhnlichen Aufenthalt nicht in dem Staat hat, dem er angehört, aber dennoch will, dass im Erbfall sein Heimatrecht anwendbar ist (also das Recht des Landes gilt, dessen Staatsangehöriger er ist), kann eine sogenannte Rechtswahl treffen (Artikel 22 Abs. 1 EU-ErbVO). Eine Person, die mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt, kann das Recht eines der Staaten wählen (Artikel 22 Abs. 2 EU-ErbVO).

Die Rechtswahl muss entweder ausdrücklich in einem Testament oder in einem Erbvertrag (also in Form einer sogenannten Verfügung von Todes wegen) erfolgen oder sie muss sich zumindest aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung von Todes wegen ergeben. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist eine ausdrückliche Rechtswahl zu empfehlen.

Will der Erblasser im vorgenannten Beispiel also, dass für seinen Erbfall deutsches Recht gilt, dann muss er in seinem Testament eine ausdrückliche Rechtswahl treffen, also eindeutig bestimmen, dass für seinen Erbfall deutsches Recht anzuwenden ist.

2. Schlussfolgerung für die Praxis

In Fällen mit Auslandsberührung, insbesondere wenn der deutsche Erblasser im Ausland lebt oder plant, dort zu leben, ist es ratsam, sich frühzeitig über die Nachlassplanung Gedanken zu machen. Welches materielle Erbrecht würde gelten und ist eine Rechtswahl erforderlich, um ein anderes passenderes Erbrecht zu wählen?

Die Wahl hängt maßgeblich davon ab, welche Nachlassverteilung gewünscht ist, wer also was erhalten soll. Die gesetzlichen Erbrechte können sich in den einzelnen Ländern stark unterscheiden., so dass man genau wissen muss, welche Erbfolge gelten würde, wenn kein Testament existiert.

Aber auch wenn ein Testament erstellt und damit eine bestimmte Erbfolge vorgegeben wird, ist die Frage, welches Erbrecht gilt, von Bedeutung. Denn wird z.B. ein deutsches Testament errichtet und es gilt ausländische Erbrecht, dann kann es passieren, dass bestimmte im Testament enthaltene Verfügungen unwirksam sind, da das ausländische Recht diese Verfügungen nicht kennt oder sie für unwirksam hält.

Wir beraten und unterstützen Sie bei der Gestaltung Ihrer Nachlassplanung und allen damit zusammenhängenden steuerlichen Fragen (Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht) gern. Besuchen Sie uns unter Erbrecht – BBT & Partner. Oder schreiben Sie uns unter m.lingenberg@bbt-partner.de.  

Was gilt, wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der EU, sondern in einem Drittstaat hat?

Dann gilt aus deutscher Sicht grds. auch die EU-ErbVO und damit grundsätzlich das Recht des Drittstaates des gewöhnlichen Aufenthalts (Art. 20 EU-ErbVO). Allerdings muss dann geprüft werden, ob das Recht des Drittstaats nicht Regelungen beinhaltet die besagen, dass das Recht des Drittstaats vorliegend (doch) keine Anwendung findet (Art. 34 EU-ErbVO, Rück-/Weiterverweisung).

Welche Gerichte sind in Erbfällen mit Auslandsberührung nach der EU-ErbVO zuständig?

Für Entscheidungen in Erbsachen sind für den gesamten Nachlass grundsätzlich die Gerichte (oder sonstigen Stellen) nur eines EU-Mitgliedstaats zuständig (sogenannte internationale Zuständigkeit). Dies sind grundsätzlich die Gerichte (oder sonstigen Stellen) des Staates, in dem der Erblasser oder die Erblasserin seinen bzw. ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 4 EU-ErbVO).

Die Verfahrensbeteiligten (z. B. die Erben) können aber eine sogenannte Gerichtsstandsvereinbarung treffen, wenn der Erblasser zuvor bereits durch eine wirksame Rechtswahl bestimmt hat, dass für seinen Erbfall das Recht seines Heimatstaats anwendbar sein soll. Durch diese Gerichtsstandsvereinbarung kann dann festgelegt werden, dass die Gerichte (oder sonstigen Stellen) im Heimatstaat des Erblassers zuständig sein sollen (Artikel 5 EU-ErbVO).

Was ist ein europäisches Nachlasszeugnis? Und macht es Sinn?

Das Europäisches Nachlasszeugnis wurde durch die EU-Erbrechtsverordnung eingeführt (Artikel 62 ff. EU-ErbVO) und ist in allen EU-Mitgliedstaaten (Ausnahme: Irland und Dänemark) gültig. Es soll die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung einfacher und effizienter gestalten. Insbesondere kann der Erbe mit dem Europäischen Nachlasszeugnis in allen EU-Mitgliedstaaten (Ausnahme: Irland und Dänemark) in dem Vermögen des Erblassers liegt, seine Erbenstellung bei Banken etc. nachweisen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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