Neues Erbrecht Schweiz 2023 – Wo besteht in der Nachlassplanung Handlungsbedarf?

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Zusammenfassung neues Erbrecht ab 1.1.2023:

  • Gesetzliche Erbteile bleiben unveränd.
  • Pflichtteile werden reduziert, Erblasser hat mehr Handlungsspielraum.
  • Konkubinat hat kein Erbrecht oder Pflichtteilsschutz.
  • Nach Scheidung keine erbrechtlichen Ansprüche zwischen Geschiedenen.
  • Überlebender Ehegatte/Partner kann gem. Ehevertrag/Partnerschaftvertrag und Verf. von Todes wegen bereits beim Scheidungsverfahren nicht mehr begünstigt sein.
  • Überlebender Ehegatte hat ohne Verf. von Todes wegen gesetzliche Erbfolge.
  • Bestehende Testamente/Erbverträge sollten überprüft werden (Pflichtteile, Verteilung, Scheidung).
  • Schenkungsverbot für meisten Erbverträge (ausser Gelegenheitsgeschenke). Vorbehalte für Zuwendungen sollten neu vereinbart werden (betragsmäßig oder Empfängerkreis).

Am 1. Januar 2023 tritt das neue Erbrecht in Kraft. Die Regelungen gelten für alle Nachlässe, bei denen der Erblasser nach dem 31.12.2022 verstorben ist.

Änderungen:

  • Reduktion des Pflichtteils der Nachkommen auf 1/2 des gesetzlichen Erbteils (Art. 471 nZGB)
  • Abschaffung des Pflichtteils für Eltern
  • Unveränderter Pflichtteil für überlebenden Ehegatten/eingetragenen Partner (1/2 des gesetzl. Erbteils, Art. 417 nZGB)

Handlungsbedarf:

  • Ohne Testament oder Erbvertrag gilt die gesetzliche Erbfolge, falls keine Verwandten: an Wohnsitzgemeinde
  • Erhöhung des verfügbaren Teils gibt mehr Handlungsspielraum für Nachlassplanung (z.B. Begünstigung des Überlebenden/Konkubinatspartners)
  • Klärung bei bestehenden Testamenten/Erbverträgen, die Nachkommen/Eltern auf Pflichtteil setzen, um Auslegungsprobleme zu vermeiden.

Erhöhung des verfügbaren Teils bei der Nutzniessung des überlebenden Ehegatten/ eingetragenen Partners am Erbteil der gemeinsamen Kinder

Änderungen:

Im Rahmen der gegenseitigen Meistbegünstigung können sich Ehegatten/eingetragene Partner gegenüber gemeinsamen Nachkommen Nutzniessung am ganzen Erbe und dem überlebenden Partner kann neu die Hälfte des Nachlasses zu Eigentum zugesprochen werden (Art. 473 Abs. 2 nZGB). Bei Wiederverheiratung/neuer eingetragener Partnerschaft des Überlebenden entfällt dessen Nutzniessung auf Pflichtteil der Kinder (Art. 473 Abs. 3 nZGB).

Handlungsbedarf:

Die Meistbegünstigung des Überlebenden muss in Testament oder Erbvertrag festgelegt werden. Bestehende Verfügungen sollten ggf. ergänzt werden, um Unsicherheit bei der Auslegung zu vermeiden.

Tod während eines Scheidungsverfahrens

Neue Regelungen

Stirbt ein Ehegatte während eines von beiden Ehegatten eingeleiteten oder fortgeführten Scheidungsverfahrens oder leben sie seit mindestens 2 Jahren getrennt, so verliert der überlebende Ehegatte neu von Gesetzes wegen:

  • ihren gesetzlichen Pflichtteilsanspruch (Artikel 472 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches),
  • ihre Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen (Artikel 120 Absatz 3 Ziffer 2 ZGB),
  • ihre ehelichen Zuwendungen in Form von Vereinbarungen über eine andere Verteilung des Anteils des überlebenden Ehegatten am Reinvermögen oder am Gesamtgut (Artikel 217 Absatz 2 und Artikel 241 Absatz 4 ZGB).
  • Die Bestimmungen unter a) und b) gelten auch für die Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft (Art. 472 Abs. 3 ZGB und Art. 31 Abs. 2 des Schweizerischen Partnerschaftsgesetzes).

Handlungsbedarf

Besteht keine Nachlassregelung in einem Testament oder Erbvertrag, erhält der überlebende Ehegatte trotz des Scheidungsverfahrens seinen gesetzlichen Erbteil. Um den überlebenden Ehegatten während eines von beiden Ehegatten eingeleiteten oder fortgeführten Scheidungsverfahrens oder nach einer Trennung von 2 Jahren vollständig von der Erbschaft auszuschließen, muss der Verstorbene dies in einer Verfügung von Todes wegen festlegen. Der überlebende Ehegatte kann sich gegen eine solche Verfügung von Todes wegen nicht auf die Verletzung seines Pflichtteils berufen. Sie haben ihren Pflichtteilsschutz durch das Scheidungsverfahren verloren. Mit einer entsprechenden Regelung im Ehe- und Erbvertrag, die auf die neuen Bestimmungen verweist, können die Ehegatten die unter b) und c) genannten Rechtsfolgen ausschließen oder modifizieren. Die Ehegatten können wie bisher (über die gesetzliche Neuregelung hinaus) durch Ehevertrag vereinbaren, dass die Bevorzugung des überlebenden Ehegatten in Form der Zuweisung des gesamten Nettovermögens/der gesamten Gütergemeinschaft im Falle einer eingeleiteten Scheidung oder im Falle einer gerichtlichen oder außergerichtlichen Trennung zum Zeitpunkt des Todes eines Ehegatten entfällt. Die Ehegatten können nach wie vor (über die gesetzliche Neuregelung hinaus) durch einen Erbvertrag vereinbaren, dass die Erbvorteile des überlebenden Ehegatten bei einer eingeleiteten Scheidung oder bei einer Trennung von Todes wegen eines Ehegatten grundsätzlich nicht gelten sollen. Zu beachten ist jedoch, dass in Scheidungsverfahren, die nicht von der gesetzlichen Neuregelung erfasst werden, der überlebende Ehegatte Anspruch auf seinen Pflichtteil hat.

Lebzeitige Schenkungen

Neue Regelung für Zuwendungen

Zuwendungen, die durch den Erblasser zu Lebzeiten oder auf seinen Tod hin gewährt werden und nicht im Erbvertrag vereinbart sind, können vom Vertragspartner angefochten werden (Art. 494 Abs. 3 nZGB). Ausgenommen sind lediglich Gelegenheitsgeschenke.

Handlungsempfehlung

Die neue gesetzliche Regelung, die keinen Schenkungsvorbehalt im Vertrag erfordert, kann bei den meisten Erbverträgen zu einem Schenkungsverbot führen. Um einen Handlungsspielraum bei Schenkungen und Zuwendungen von Todes wegen zu bewahren, sollten die Vertragsparteien im bestehenden oder einem neuen Erbvertrag einen Vorbehalt anbringen. Darin sollten die zulässigen lebzeitigen Schenkungen und Zuwendungen auf den Tod hin festgehalten werden. Z.B. ob diese uneingeschränkt oder betragsmäßig beschränkt oder auf bestimmte Empfänger (z.B. Nachkommen des Erblassers) beschränkt sein sollen. Das neue Gesetz definiert nicht, bis zu welchem Betrag eine Schenkung als zulässige Gelegenheitsschenkung gilt, dies muss noch durch die Rechtsprechung bestimmt werden. Daher sollte im Erbvertrag auch bei Festhalten an der gesetzlichen Regelung klargestellt werden, welche Zuwendungen als Gelegenheitsgeschenke gelten.

Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht

Christian Keßler

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