Der Fall Jérôme Boateng

  • 3 Minuten Lesezeit

Warum der Fall Boateng neu verhandelt werden muss

Die Verurteilung des ehemaligen Fußballnationalspielers Jérôme Boateng wurde nun durch das Bayerische Oberste Landgericht aufgehoben und der Prozess geht nunmehr in die vierte Runde. 

Einfache Körperverletzung und Beleidigung: Das erste Urteil

Im November vergangenen Jahres wurde Jérôme Boateng vom Landgericht München in zweiter Instanz wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von insgesamt 1,2 Millionen Euro verurteilt. Er soll seine damalige Freundin während eines gemeinsamen Urlaubs in der Karibik angegriffen, eine Kühltasche nach ihr geworfen und sie und beleidigt haben. Bemerkenswert ist, dass alle drei Parteien, namentlich Boateng selbst, die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage in Revision gingen - und dass allen drei Revisionen stattgegeben wurde. Das Bayerische Oberste Landgericht (BayObLG) verwies das Verfahren an das Landgericht München I zurück und hob das Urteil mit sämtlichen Tatsachenfeststellungen vollumfänglich auf (Urt. v. 21.09.2023, Az. 206 StRR 112/23). 

Drei Revisionen: Von der Befangenheit bis zum gefährlichen Werkzeug  

Konkret bemängelte das BayObLG den Umgang der Vorinstanz mit dem Befangenheitsantrag, der Vorverurteilung Boatengs und der rechtlichen Qualifizierung der Kühltasche als gefährliches Werkzeug. Schauen wir uns nun die jeweiligen Kritikpunkte genauer an. 

Boateng wurde vom Landgericht München wegen einfacher Körperverletzung (§ 223 StGB) verurteilt, woraufhin die Staatsanwaltschaft und Nebenklage Revision einlegten und eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224) forderten. Es sei schlichtweg überhaupt nicht geprüft worden, ob es sich bei dem Wurf mit einer Kühltasche um das Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs gehandelt haben könnte.

Anders als man zunächst denken könnte, muss es sich bei einem Werkzeug nicht zwangsläufig um einen Gegenstand aus einem Handwerkskoffer handeln. Vielmehr ist ein gefährliches Werkzeug jeder Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung konkret geeignet ist, erhebliche körperliche Verletzungen hervorzurufen.

Richter in eigener Sache?

Der Strafverteidiger von Jérôme Boateng gab an, dass dessen Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden sei. Hierin liegt auch der Hauptgrund für seine Revision: Der Vorsitzende Richter hat an der Ablehnung seines eigenen Befangenheitsantrags mitgewirkt und wurde so zum Richter in eigener Sache. Grund für den Befangenheitsantrag war, dass das Gericht für den Fall, dass Boateng weitere Beweisanträge stellt, eine höhere Strafe in Aussicht gestellt haben soll. Die Staatsanwaltschaft widersprach der der Verfahrensrüge der Verteidigung nicht.

Ein kurzer Exkurs:  Zwar ermöglicht § 26a Abs. 2 StPO (Strafprozessordnung) die Ablehnung eines Befangenheitsantrags als unzulässig unter Mitwirkung des betroffenen Richters, aber nur, wenn einer der im ersten Absatz genannten Unzulässigkeitsgründe vorliegt. In anderen Worten: Ein beteiligter Richter kann nur unter gewissen, im Gesetz genannten Voraussetzungen über seine eigene Befangenheit entscheiden. § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO nennt etwa die offensichtliche Verfahrensverschleppung, welche das LG München auch als einschlägig betrachtete. Der Befangenheitsantrag ist dann unzulässig, wenn durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen. Die Norm dient der Verfahrenseffizienz und soll offensichtlichen Querulanten den Wind aus den Segeln nehmen. 

Das BayObLG entschied in seinem Urteil jedoch, dass das LG München den Antrag ohne tragfähige Begründung nach § 26a StPO abgelehnt habe, weitere Ausführungen hierzu fehlten. Die Aufhebung des gesamten Urteils sei daher nur folgerichtig, da das Mitwirken eines Richters, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und der Antrag zu Unrecht verworfen wurde, nach § 338 Nr. 3 StPO einen absoluten Revisionsgrund darstellt. 

Es bleibt nun abzuwarten, zu welchem Urteil das Landgericht München (diesmal) kommen wird und wie die Richter den Wurf mit der Tasche rechtlich werten werden. 

​​​​

Wir verteidigen Sie in allen Instanzen

Die Revision richtet sich in der Regel gegen Urteile der zweiten Instanz. Dieses wird im Revisionsverfahren auf Rechts- und Verfahrensfehler geprüft, wozu etwa auch das Mitwirken eines als befangen abgelehnten Richters zählt. Revisionen haben in der Praxis eine große Bedeutung: Sie spiegeln nicht nur die Dynamik eines Strafverfahrens wider, sondern sind als Rechtsmittel auch ein wichtiger Bestandteil unseres Rechtsstaats. 

Wir als Kanzlei haben unseren Schwerpunkt bewusst auf das Strafrecht gelegt und sind uns der Belastung, welche eine Strafanzeige und auch ein Prozess für den Betroffenen bedeutet, sehr bewusst. Daher ist es von höchster Bedeutung, sich von Beginn an kompetent und vollumfänglich verteidigen zu lassen. Wir vertreten Sie - zu jedem Zeitpunkt und in jedem Verfahrensstadium. 


Foto(s): Rechtsanwaltskanzlei Laqmani

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Mudgteba Laqmani

Beiträge zum Thema