Gesellschafterstreit: Muss ich eine vertragliche Beschränkung meines Abfindungsanspruchs anerkennen?

  • 5 Minuten Lesezeit

Von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann*

Problemstellung

Scheidet ein Gesellschafter aus einer Gesellschaft aus, so hat er grundsätzlich gegenüber der Gesellschaft bzw. den übrigen Gesellschaftern Anspruch auf eine Abfindung. Es gibt hier aber keine gesetzliche Bemessungsgrundlage. 

Grundsätzlich muss der Abfindungsbetrag den vollen wirtschaftlichen Wert des Anteils entsprechen (Verkehrswert), soweit der Gesellschaftsvertrag keine davon abweichende, der Höhe nach beschränkende Abfindungsklausel enthält. Derartige Limitierungen für Abfindungen in Gesellschaftsverträgen sind jedoch gesetzlich nur im beschränkten Umfang erlaubt. 

Die Geschichte des Gesellschaftsrechts ist von unendlichen Versuchen geprägt, den Abfindungsanspruch des ausscheidenden Partners wirksam und sinnvoll vertraglich einzuschränken. Gesellschafter schonen damit die Liquidität der Gesellschaft und streben im Ernstfall ein einfaches streitvermeidendes Abfindungsverfahren an. Demgegenüber steht das Interesse des ausscheidenden Gesellschafters an einer maximalen finanziellen Entschädigung.  

 

Habe ich als Gesellschafter immer Anspruch auf eine Abfindung?

Das Recht eines Gesellschafters, bei Ausscheiden aus der Gesellschaft eine Abfindung zu erhalten, gehört zu seinen Grundmitgliedsrechten, vgl. BGH v. 29.4.2014 - II ZR 216/13. 

Gesellschaftsvertragliche Beschränkungen einer Abfindung sind grundsätzlich zulässig, aber nur wenn 

  • sie den Bestand des Unternehmens durch Einschränkung des Kapitalabflusses sichern und/oder die Berechnung des Abfindungsanspruchs vereinfachen sollen 

  • sie nicht zu einem groben Missverhältnis zwischen dem Abfindungs- und dem tatsächlichen Anteilswert zu Lasten der Gesellschafter führen, vgl. BGH v. 21.1.2014 – II ZR 87/13. 

 

Folgende Fälle sind zu unterscheiden:

  • Ein vollständiger gesellschaftsvertraglicher Abfindungsausschluss ist auch in Fällen des Ausschlusses aus wichtigem Grund grundsätzlich sittenwidrig i.S.v. § 138 Abs. 1 BGB.  

  • Zulässig können Abfindungsausschlüsse bei Vorliegen eines sachlichen Grundes sein, wie etwa die Verfolgung eines ideellen Zwecks durch die Gesellschaft, Abfindungsklauseln auf den Todesfall (stritt.) oder auf Zeit abgeschlossene Mitarbeiter- oder Managerbeteiligungen ohne Kapitaleinsatz, vgl. BGH v. 29.4.2014 - II ZR 216/13.  

  • Eine Abfindung unterhalb des Buchwerts ist – soweit nicht bereits der vollständige Abfindungsausschluss zulässig ist – stets gem. § 138 BGB unwirksam, auch wenn der betreffende Gesellschaftsanteil durch Schenkung oder Erbfolge erworben wurde, BGH NJW 1989, 2685 f.  

 

Zulässigkeiten von Abfindungsbeschränkungen

  • Die Buchwertklausel erfreut sich einer besonders großen Beliebtheit, weil sie vor allem den Interessen der verbleibenden Gesellschafter Rechnung trägt. Dabei erhält der ausscheidende Gesellschafter nur den Buchwert seines Anteils und wird für seinen Anteil an stillen Reserven und am Praxiswert nicht abgefunden. Hierdurch reduziert sich die zu zahlende Abfindung und es entfallen streitträchtige Bewertungsprobleme. 

  • In vielen Fällen soll der Ausscheidende aber auch für seinen Anteil am Unternehmenswert abgefunden werden. Dies ist beispielweise der Fall, wenn sich der Seniorpartner zur Ruhe setzen will oder eine vertraglich vereinbarte Altersgrenze erreicht hat. Hier bietet sich eine Ertragswertklausel an, die Vorgaben für die Berechnung des Praxiswerts enthält. Der Ausscheidende erhält dabei zwar eine vollwertige Abfindung; auf diese Weise kann aber ein belastender Streit um die zutreffende Bewertung ggf. vermieden werden. 

  • Regelungen mit einer pauschalierten Abfindung sind auch beliebt, dabei werden insbesondere die (langjährige) Mitarbeit eines Gesellschafters angemessen abgefunden. Eine Pauschalierung des Goodwills kann auch auf Basis einer Ertragswertklausel erfolgen:  

„Der Goodwill ist durch Kapitalisierung der zukünftigen Erträge in den drei folgenden Jahren zu ermitteln, wobei für die Bestimmung der zukünftigen Erträge allein der Durchschnitt des jeweiligen Gewinns, bereinigt um steuerliche Sonderabschreibungen, der drei letzten vor dem Bewertungsstichtag liegenden Geschäftsjahre maßgebend ist.“  

 

Besondere Abfindungsbeschränkungen für freiberufliche Kanzleien  

Bei Gesellschaften mit festem Mandanten bzw. Patientenstamm, wie z.B. Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Patentanwälte, bei der alle Gesellschafter aktiv mitarbeiten, haben sich i.d.R. zwei Alternativen bewährt.  

  1. Entweder man vereinbart statt einer Abfindung für den Goodwill das freie Recht des oder der ausscheidenden Gesellschafter, um die Mandate frei zu werben (diese Regelungen finden sich insbesondere in den rechts- und steuerberatenden Berufen).  

  2. Oder der Ausscheidende erhält eine finanzielle Entschädigung für den anteiligen Firmenwert, den er den verbleibenden Gesellschaftern überlässt, verpflichtet sich dann aber im Gegenzug, nicht um die die Gesellschaft überlassenen Kunden (z.B. Arztpraxen) zu werben.  

Wenn die vorhandenen Sachwerte im Übrigen geteilt werden, kann die weitere Abfindung des ausscheidenden Partners ausgeschlossen werden, vgl. nur BGH, v. 8. Mai 2000 - II ZR 308/98. Etwas Anderes könne nach Auffassung des BGH, Beschluss vom 18.09.2012 - II ZR 94/10, aber im Einzelfall gelten, wenn infolge einer besonderen Gestaltung der Zusammenarbeit in der Sozietät ein gravierendes Chancenungleichgewicht bestehe.  

 

Fazit  

Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen besitzen eine besondere Stellung, bergen aber genau deswegen für alle Beteiligten Streitpotenzial. Mit den gezeigten Möglichkeiten und vertraglichen Grenzen von Abfindungen gilt es für Ihr Unternehmen die richtige Wahl zu treffen. Eine vorherige Abstimmung unter den Gesellschaftern unter Berücksichtigung gesellschaftsrechtlicher und betriebswirtschaftlichen Überlegungen inklusive. Empfehlung: Überprüfen Sie Gesellschaftsverträge von Zeit zu Zeit auf die Wirksamkeit von Abfindungsregeln und lassen Sie diese ggf. neu fassen. 


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* Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann ist Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte München, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz, zertifizierter Wirtschaftsmediator (IHK) und systemischer Business Coach (IHK).

Foto(s): https://unsplash.com/photos/nN5L5GXKFz8

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