Deutsch-türkischer Erbfall

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Ein türkischer Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Muster-Stadt in Deutschland verstirbt in Deutschland ohne Verfügung von Todes wegen (also ohne Testament oder Erbvertrag). Er und seine Frau (ebenfalls türkische Staatsangehörige) haben 4 Kinder. Der Nachlass besteht aus einer Immobilie in Deutschland und einem Bankkonto in Deutschland. Vermögen im Ausland, insbesondere in der Türkei, ist nicht vorhanden. Die Bank und das Grundbuchamt verlangen einen Erbschein.

Ziel

Es sind zwei Erbscheine zu beantragen, nämlich

  • ein gegenständlich beschränkter Teil-Erbschein für das in Deutschland belegene unbewegliche Vermögen (nach deutschem Erbrecht) sowie
  • ein gegenständlich beschränkter Teil-Erbschein für das in Deutschland belegene bewegliche Vermögen (nach türkischem Recht).

Beide Erbscheine können in einem Dopppelerbschein zusammengefasst werden (OLG Köln, Beschluss vom 21.02.2014, I-2 Wx 30/14).

Zuständiges Gericht

Die deutschen Gerichte sind für das Erbscheinsverfahren gemäß § 105 FamFG international zuständig, da ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist. Gem. § 343 Abs. 1 FamFG ist nämlich ausgehend vom letzten Wohnsitz des Erblassers in Muster-Stadt das Nachlassgericht Muster-Stadt örtlich zuständig. (Vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.04.2015, 11 Wx 82/14).

Anwendbares Erbrecht

Gem. Art. 75 EuErbVO gilt vorrangig das Deutsch-Türkische Nachlass-Abkommen (Anlage zu Art. 20 des Konsularvertrages zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 28.05.1928). Nach § 14 des Nachlass-Abkommens kommt es zur Nachlass-Spaltung:

Die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des beweglichen Nachlasses bestimmen sich nach den Gesetzen des Landes, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte.

Die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des unbeweglichen Nachlasses bestimmen sich nach den Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt, und zwar in der gleichen Weise, wie wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Angehöriger dieses Landes gewesen wäre.

Beweglicher Nachlass

Für das Bankguthaben gilt das Recht der Staatsangehörigkeit, hier das türkische Erbrecht.

Gem. § 499 TZGB (Türkisches Zivilgesetzbuch) erhält der überlebende Ehegatte neben Abkömmlingen ein Viertel der Erbschaft. Drei Viertel wird auf die Kinder zu gleichen Teilen verteilt, § 495 TZGB, so dass jedes Kind einen Anteil von 3/16 erhält (OLG Köln, Beschluss vom 21.02.2014, I-2 Wx 30/14).

Vor der erbrechtlichen Auseinandersetzung ist zu prüfen, ob der überlebende Ehegatte einen güterrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen den Nachlass hat. Das ändert jedoch nichts an den Quoten (vgl. Süß, ZErb 10/2019, 249-254).

Unbeweglicher Nachlass

Für die Immobilie in Deutschland gilt deutsches Erbrecht.

Gem. § 1931 Abs. 1 BGB erbt die Ehefrau neben den Kindern ein Viertel, alle Kinder erben zusammen drei Viertel des Nachlasses, untereinander zu gleichen Teilen (§ 1924 Abs. 4 BGB), also jedes Kind 3/16.

Die Erbquote der Ehefrau ist nicht gem. § 1371 Abs. 1 BGB um ein Viertel zu erhöhen, vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.02.2018, 14 W 113/16 (Wx). Dabei kann nach der Rechtsprechung offen bleiben, ob § 1371 BGB eine erbrechtliche oder güterrechtliche Norm darstellt und ob beim Güterrecht selbständig (im IPR) oder unselbständig (im gleichen Landesrecht wie beim Erbrecht) anzuknüpfen ist. § 1371 BGB setzt voraus, dass die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. Der gesetzliche Güterstand in der Türkei war bis zum 01.01.2002 die Gütertrennung, seither ist es die Errungenschaftsbeteiligung. In beiden Fällen sieht das türkische Güterrecht eine Erhöhung des Erbteils nicht vor. In beiden Fällen ist der gesetzliche Güterstand der Türkei nicht mit der Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht vergleichbar (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.03.2019, 1-10 W 31/17).


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