Die erbrechtliche Rechtswahl bei doppelter Staatsangehörigkeit – Fallstricke

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  • Von Rechtsanwalt Dr. Alexander Steinmetz (Frankfurt) und Abogada Rocío García Alcázar  (Köln) -


Welche Fallstricke in internationalen Erbfällen bei der testamentarischen Gestaltung mit Rechtswahlklauseln bestehen können, veranschaulicht die Entscheidung der Aufsichtsbehörde für Register und Notariate (Dirección General de Seguridad Jurídica y Fe Pública, „DGSJFP“) vom 24.07.2023.


Sachverhalt

Eine Erblasserin italienischer Staatsangehörigkeit verstarb 2022 in Tarragona, Katalonien, Spanien. In ihrem vor einem spanischen Notar errichteten Testament wies sie sich durch italienischen Staatsangehörigkeit aus, setzte ihren Ehemann zu ihrem alleinigen Erben und ihre beiden Kinder zu Ersatzerben ein. Weiterhin verfügte sie sinngemäß:

„Ihren Pflichtteilsberechtigten vermacht sie dasjenige, was ihnen nach dem Recht der Staatsangehörigkeit zusteht.“

Und:
„Die vorstehenden Bestimmungen verstehen sich unbeschadet der Bestimmungen des Rechts der Staatsangehörigkeit der Erschienenen.“

Testamente wie dieses errichten auch deutsche Staatsangehörige häufig in Spanien.

Nach dem Tod der Erblasserin beabsichtigte der Ehemann die Eintragung der in Spanien belegenen Liegenschaft auf sich – schließlich war er im einzigen Testament der Erblasserin als alleiniger Erbe eingesetzt – und ließ vor einem spanischen Notar eine Erbschaftsannahme- und Zuweisungsurkunde beurkunden.

Leider gestaltete sich das Grundbuchverfahren nicht so einfach, wie gewünscht. Einerseits, weil nach dem – hier möglicherweise gewählten - italienischen Erbrecht für die Vornahme einer Zuteilung die Mitwirkung der beiden Kinder in einer notariellen Erbteilungsurkunde erforderlich gewesen wäre. Andererseits, weil sich später herausstellte, dass die Erblasserin neben der italienischen auch die argentinische Staatsangehörigkeit besaß. Insoweit war also nicht mehr klar, welches Erbrecht die Erblasserin überhaupt testamentarisch gewählt hatte: Das italienische, oder das argentinische Erbrecht. Das befasste spanische Grundbuchamt lehnte die Eintragung ab, denn nach beiden Rechtsordnungen wäre die Mitwirkung der beiden Kinder als Pflichtteilsberechtigte an der notariellen Erbschaftsurkunde erforderlich gewesen, um eine wirksame Zuweisung der Nachlassgüter an den alleinigen Erben zu erreichen.


Rechtliche Beurteilung/ Entscheidung

Die spanische Aufsichtsbehörde für Register und Notariate („DGSJFP“) entschied sich auf die Beschwerde des Notars mit Entscheidung vom 24.07.2023 dafür, der Rechtswahl die Wirksamkeit zu versagen. Hierzu führt die Aufsichtsbehörde an, dass nach den maßgeblichen Vorschriften der Eu-Erbverordnung (EU-VO 650/2012) eine Rechtswahl zwar nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent getroffen werden kann. Voraussetzung ist jedoch stets, dass sie zur Anwendbarkeit des Rechts eines Staats (und nicht zweier Staaten) führt, zumal anderenfalls der Hauptzweck der Rechtswahl verfehlt würde. Der Zweck der Rechtswahl bestehe nämlich darin, die Unsicherheit bzw. Unvorhersehbarkeit in Bezug auf das auf den Nachlass anwendbare Recht zu beheben. Dieses Ziel kann nach dem Dafürhalten der DGSJFP nicht erreicht werden, wenn bei einer testamentarischen Rechtswahl sich nicht mit hinreichender Gewissheit klären lässt, welche von zwei Rechtsordnungen gewählt worden sein könnte.

Diese Erwägungen vorausgeschickt, hat die „DGSJFP“ der testamentarisch vorgenommenen  Rechtswahl die Wirksamkeit versagt und die Anwendbarkeit katalanischen Erbrechts bestätigt. Das katalanische Recht ist als diejenige spanische Teilrechtsordnung anwendbar, in welcher die Erblasserin ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 36 Abs. 2 Eu-ErbVO).

Diese Entscheidung hat für die testamentarisch nicht bedachten Kinder u.U. weitreichende Folgen, denn nach katalanischem Erbrecht ist der Pflichtteil grundsätzlich nur als schuldrechtlicher Anspruch gegen den Erben ausgestaltet, so dass der alleinige Erbe – hier der überlebende Ehemann - den Nachlass auf sich umschreiben kann, ohne auf die pflichtteilsberechtigten Kinder angewiesen zu sein. Demgegenüber wäre gemäß der rechtlichen Begründung des Grundbuchamts nach argentinischem oder italienischem Erbrecht eine Zuweisung der Nachlassgüter an den Erben nur unter Mitwirkung der pflichtteilsberechtigten Kinder möglich gewesen (Pflichtteil als Recht an einem Teil der Nachlassgüter, „Pars bonorum“). Hinzu treten weitere, wirtschaftlich besonders wichtige Aspekte wie Pflichtteilsquoten, die zwischen den drei Rechtsordnungen (Italien, Argentinien, Katalonien) erhebliche Unterschiede aufweisen können und mit denen somit eine größere oder kleinere Nachlassteilhabe der Kinder einhergehen kann.


Schlussfolgerungen: 

Gerade in Zeiten, in denen mehrfache Staatsangehörigkeiten immer häufiger anzutreffen sind, weist die Entscheidung der DGSJFP auf ein wichtiges Problem hin. Wer von einer erbrechtlichen Rechtswahl Gebrauch machen möchte, sollte den Rechtsberater bei der Gestaltung eines Testaments über alle  Staatsangehörigkeiten informieren, damit dies bei der Testamentsgestaltung berücksichtigt werden kann. Anderenfalls kann dies dazu führen, dass die Rechtswahl letztlich – entgegen dem Wunsch des Erblassers – wirkungslos bleibt, was weitreichende Folgen haben kann.


Frankfurt und Köln im Oktober 2023

Rechtsanwalt Dr. Alexander Steinmetz (Frankfurt) und Abogada Rocío García Alcázar (Köln)


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