Die Geeignetheitserklärung in der Anlageberatung

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Die Rechtsquellen für den Eignungsbericht bzw. für die Geeignetheitserklärung bei der Anlageberatung ergeben sich aus der Richtlinie MiFID II, RiLi 2014/65/EU, Artikel 25 Abs. 6 (Beurteilung der Eignung und Zweckmäßigkeit sowie Berichtspflicht gegenüber Kunden), ferner aus der Delegierten Verordnung der EU-Kommission vom 25. April 2016, Artikel 54 Abs. 12 (Beurteilung der Eignung und Angemessenheit, Artikel 54, Eignungsbeurteilung und Eignungsberichte, Artikel 25 Absatz 2 der Richtlinie 2014/65/EU), ebenso aus dem Wertpapierhandelsgesetz § 64 Abs. 4. Weitere Hinweise ergeben sich aus den ESMA-Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II – Anforderungen an die Eignung vom 6. November 2018, ESMA 35-43-1163 DE.

Bedeutsam sind ferner die Fragen und Antworten, also die Questions and Answers on MiFID II and MiFIR Investor protection and intermediaties topics vom 04. Dezember 2019/35-43-349. Weitere Quellen finden sich in der MaComp BT 6 (BT = Besonderer Teil), dem BaFin Journal 05/2018, S. 19, dem BaFin Journal 09/2018, S. 19, in dem BaFin-Fachartikel Geeignetheitserklärung 10/2018 und den FAQs zu MiFiD II-Wohlverhaltensregeln nach den §§ 63 ff. WpHG.

Leiste die Wertpapierfirma Anlageberatung, erhalte der Kunde vor Durchführung des Geschäfts von ihr eine Erklärung zur Geeignetheit auf einem dauerhaften Datenträger, in der sie die erbrachte Beratung nennt und erläutert, wie die Beratung auf die Präferenzen, Ziele und sonstigen Merkmale des Kleinanlegers abgestimmt wurde, Richtlinie MiFID II, RiLi 2014/65/EU, Artikel 25 Abs. 6, Unterabsatz 2.

Machten die Kunden oder potenziellen Kunden die erforderlichen Angaben nicht (Angaben über die finanziellen Verhältnisse, einschließlich der Fähigkeit, Verluste zu tragen, über die Anlageziele einschließlich der Risikotoleranz) oder machten sie unzureichende Angaben zu ihren Kenntnissen und Erfahrungen, warne sie die Wertpapierfirma, dass sie nicht in der Lage sei zu beurteilen, ob die in Betracht gezogene Wertpapierdienstleistung oder das in Betracht gezogene Produkt für sie angemessen sei. Dieser Hinweis könne in standardisierter Form erfolgen, Artikel 25 Abs. 3, Richtlinie MiFID II, RiLi 2014/65/EU.

Bei der Erbringung der Wertpapierdienstleistung im Rahmen der Anlageberatung bzw. Portfolioverwaltung dürfe eine Wertpapierfirma keine Handelsgeschäfte empfehlen oder beschließen, wenn keine der Dienstleistungen bzw. Instrumente für den Kunden geeignet sei, Delegierte Verordnung der EU-Kommission vom 25. April 2016, Artikel 54, Abs. 10.

Aus Artikel 57, Richtlinie MiFID II, RiLi 2014/65/EU (Dienstleistungen mit nichtkomplexen Instrumenten) ergibt sich im Umkehrschluss, dass Finanzinstrumente etwa mit umwandelnden Bedingungen komplex sein dürften. Hier könnte eine Geeignetheitserklärung wenig nützen.

Nach § 64 Abs. 4 Wertpapierhandelsgesetz müsse ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Anlageberatung erbringe, dem Privatkunden auf einem dauerhaften Datenträger vor Vertragsschluss eine Erklärung über die Geeignetheit der Empfehlung (Geeignetheitserklärung) zur Verfügung stellen. Die Geeignetheitserklärung müsse die erbrachte Beratung nennen sowie erläutern, wie sie auf die Präferenzen, Anlageziele und die sonstigen Merkmale des Kunden abgestimmt wurde. Näheres regele Artikel 54 Absatz 12 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565.

Nach den ESMA-Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung vom 6. November 2018, ESMA 35-43-1163 DE, soll bei dem Angebot an einen Zugang zu komplexen oder riskanten Finanzinstrumenten sorgfältig geprüft werden müssen, ob ausführlichere Informationen über den Kunden eingeholt werden müssten als in anderen Fällen, in denen es sich um weniger komplexe oder riskante Instrumente handelt. So könnten die Firmen die Fähigkeit des Kunden beurteilen, die mit diesen Instrumenten verbundenen Risiken zu verstehen und finanziell tragen zu können.

Nach den Fragen und Antworten, also den Questions and Answers on MiFID II and MiFIR Investor protection and intermediaties topics vom 04. Dezember 2019/35-43-349 müsse das Unternehmen in jedem Fall in der Lage sein, die Fähigkeit des Kunden, die mit dem Kauf verbundenen relevanten Risiken zu verstehen und finanziell zu tragen, zu bewerten.

In der MaComp wird im BT (BT = Besonderer Teil) 5.3.1 (Verhältnis der Zielmarktbestimmung zu anderen Product-Governance-Prozessen des Vertriebsunternehmens) in Bezug auf die Zielmarktkonformität festgehalten, dass ein Produkt, von dem das Vertriebsunternehmen absehen könne, dass es unter keinen Umständen mit den Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen seiner Kunden kompatibel sein kann, nicht in das Produktsortiment aufgenommen werden dürfe.

Im BT 6 wird auf die Geeignetheitserklärung verwiesen. Die MaComp enthält weitere Ausführungen zur Geeignetheit in dem BT (BT = Besonderer Teil) 7.1 (Information an die Kunden über die Beurteilung der Geeignetheit), in dem BT 7.2 (Notwendige Vorkehrungen zum Verständnis von Kunden und Anlagen), dem BT 7.4 (Umfang der von den Kunden einzuholenden Informationen und BT 7.5 (Zuverlässigkeit der Kundeninformationen) sowie in dem BT 7. 6 (Aktualisierung der Kundeninformationen), einhergehend mit dem BT 13 (Komplexe Schuldtitel und strukturierte Einlagen nach § 63 Abs. 11 Nr. 1 WpHG).

In dem BaFin-Fachartikel Geeignetheitserklärung 10/2018 wird zu den Änderungen gegenüber dem früheren Beratungsprotokoll ausgeführt, mit der Geeignetheitserklärung seien zunächst einige formale Anforderungen entfallen. So werde nicht mehr der wesentliche Gesprächsverlauf der Anlageberatung wiedergegeben. Zudem müssten Anlass und Dauer des Gesprächs nicht mehr dokumentiert und die Geeignetheitserklärung müsse auch nicht vom Berater unterschrieben werden. Lediglich Datum und Uhrzeit der Anlageberatung seien zu nennen. Ein weiterer wesentlicher Unterschied sei, dass die Geeignetheitserklärung dem Kunden nicht mehr unverzüglich nach Abschluss der Anlageberatung übergeben werden müsse. Nun müsse der Berater dem Kunden die Geeignetheitserklärung vor Vertragsschluss zur Verfügung stellen, also vor dem Kauf oder Verkauf des empfohlenen Finanzinstruments. (Quelle: BaFin Journal 09/2018 S. 19, Fachartikel Geeignetheitserklärung 10/2018).

Fazit: Die Geeignetheitserklärung und der Eignungsbericht sind das gleiche (§ 64 Abs. 4 S. 1 WpHG, Geeignetheitserklärung, und Art. 54 Abs. 12 VO 2017/565, Eignungsbericht). Nach den gesetzgeberischen Initiativen sind die in die Geeignetheitserklärung gesetzten Erwartungen ebenso hoch wie die damit verbundenen Herausforderungen. Während vormals der wesentliche Inhalt und der Verlauf des Gesprächs für den Kunden im Beratungsprotokoll nachvollziehbar dokumentiert werden sollte, ist seit Anfang 2018 in der Geeignetheitserklärung zu erläutern, warum die Anlageempfehlung zu dem Kunden passt.


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