Die Infizierung mit Covid-19 am Arbeitsplatz und die diesbezügliche Haftung des Arbeitgebers

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Artikel 42 Absatz 2 der Gesetzesverordnung Nr. 18/2020 (die sogenannte Verordnung „Cura Italia”, nachfolgend mit Abänderungen umgewandelt in das Gesetz Nr. 27/2020) gibt vor, dass die am Arbeitsplatz erfolgte Infizierung mit Covid-19 vom italienischen gesamtstaatlichen Versicherungsinstitut für Arbeitsunfälle INAIL wie ein Arbeitsunfall zu behandeln ist

In diesem Zusammenhang verdeutlichte INAIL nachfolgend mit dem Rundschreiben Nr. 13/2020 selbst, dass das Coronavirus als Unfall und nicht als Krankheit zu klassifizieren sei.

Bei genauerer Prüfung wird deutlich, dass das zuvor Erläuterte exakt der konsolidierten Ausrichtung des INAIL gemäß dem Rundschreiben Nr. 74/1995 entspricht. Hier wird eine durch die Infizierung mit viralen Krankheiten verursachte Infektion (beispielsweise Hepatitis, Tetanus etc.) der gewaltsamen Ursache des Arbeitsunfalls gleichstellt. Das Prinzip, gemäß welchem am Arbeitsplatz erfolgende Infektionskrankheiten stets als Arbeitsunfälle klassifiziert und behandelt werden, ist also seit fünfundzwanzig Jahren gültig. 

Die Anerkennung der Infizierung mit Covid-19 als Arbeitsunfall seitens INAIL

Zur Ermittlung des Arbeitsunfalls durch Covid-19 ist es also möglich, der Linie der Infektionskrankheiten zu folgen. Es kann insbesondere eine Anerkennung durch INAIL erfolgen: (i) wenn die Wirkung der mikrobiellen und viralen Faktoren auf den Organismus mit der Arbeitstätigkeit in Zusammenhang steht, auch wenn die Auswirkungen erst nach einer bestimmten Zeit auftreten, (ii) wenn zur Bestätigung, dass das infektiöse Ereignis in Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit aufgetreten ist, auch nur eine bloße Vermutung besteht. Gegeben muss diese Vermutung durch den Umstand sein, gemäß welchem der unbekannte Sachverhalt durch den bekannten Sachverhalt als vernünftige, mögliche und wahrscheinliche Konsequenz des Normalitätskriteriums angenommen werden kann.

Demgemäß ist der mangelnde Beweis der spezifischen Episode der Infektion des Organismus durch den pathogenen Sachverhalt nicht der Anerkennung vorbehalten und es ist nicht erforderlich, dass der Umstand ein solcher ist, der die Existenz des unbekannten Sachverhalts als einzige mögliche Konsequenz des bekannten Sachverhalts erscheinen lässt. Was die Beweislast betrifft, wird die Deckung durch INAIL unter der Voraussetzung anerkannt, dass der Betreffende sich die Krankheit während der Arbeitstätigkeit zugezogen hat. Die Beweislast liegt dabei beim Versicherten.  

Es wird abschließend verdeutlicht, dass im Falle der Rückführbarkeit der Infizierung auf die Arbeitstätigkeit, die Entschädigung der temporären absoluten Arbeitsunfähigkeit durch INAIL auch die Zeit der Abwesenheit vom Arbeitsplatz durch Quarantäne oder häuslichen Aufenthalt auf Vertrauensbasis deckt.  Es besteht eine konsolidierte Rechtswissenschaft über den Sachverhalt, dass die Vergütung der temporären absoluten Arbeitsunfähigkeit, neben der physischen Unmöglichkeit der Arbeitsleistung, auch die Inkompatibilität mit therapeutischem Bedarf oder Prophylaxe des Arbeitnehmers umfasst. 

Die Haftung des Arbeitgebers

Die Haftung des Arbeitgebers besteht nur bei der Verletzung des Gesetzes oder der Verpflichtungen, die sich aus der Erfahrung und dem Stand der Technik ergeben. Insbesondere ist, neben einer eingehenden Prüfung des Kausalitätszusammenhangs, auch die Prüfung der Strafbarkeit, zumindest des Verhaltens des Arbeitgebers im Sinne der Schuld an der Herbeiführung der Infektion, notwendig. 

In erster Linie ist der Arbeitgeber unter zivilrechtlichem Profil der Verantwortliche für die Garantieleistung gemäß Artikel 2087 des italienischen Zivilgesetzbuchs/Codice Civile und somit haftbar für die mangelnde Beachtung der Vorschriften zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zur Prävention von Risiken zu treffen, die sich durch den Arbeitsplatz ergeben könnten oder durch äußere Faktoren verursacht werden könnten und mit dem Ort, an dem sich der Arbeitsplatz befindet, in Verbindung stehen könnten.  Die Sicherheit des Arbeitnehmers ist von verfassungsrechtlicher Bedeutung und verpflichtet den Arbeitgeber ausnahmslos dazu, die Sicherheit desjenigen, der die Arbeitsleistung erbringt, dem eigenen Profit überzuordnen. Insbesondere fasst das Gesetzesvertretende Dekret Nr. 81/2008 (der sogenannte Einheitstext in Sachen Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit am Arbeitsplatz) die Vorschriften zusammen und gibt die Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und der Gesundheit des Arbeitnehmers vor. Es ist wichtig, zu betonen, dass die Andeutung bezüglich der Strafbarkeit aufgrund der Schuldigkeit gemäß Paragraf 2087 Codice Civile, keine Hypothese einer objektiven Haftung darstellt: das grundlegende Element ist die Schuld des Arbeitgebers, verstanden als ein Sorgfaltsmangel bei der Prädisposition von geeigneten Maßnahmen zur Prävention des Schadens für den Arbeitnehmer. Die Vorschrift beinhaltet keine absolute Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung jedweder möglichen Vorsicht und keine Vorgabe zur Vermeidung jedweden Schadens zur Gewährleistung eines Arbeitsumfelds mit “Nullrisiko”, wenn die Gefahr von sich aus nicht zu eliminieren ist, aber sie verpflichtet ihn zur Angemessenheit der vorgenommenen Schutzmaßnahmen.

Daher besteht die Haftung des Arbeitgebers, wenn sich die Ursache des Schadens aus der Verletzung wesentlicher Verhaltensverpflichtungen ergibt, die gesetzlich vorgegeben sind oder sich aus der Erfahrung und dem Stand der Technik bezüglich der umgesetzten Arbeit ergeben. 

In Bezug auf den sanitären Notstand Covid-19, finden sich die spezifischen Verpflichtungen des Arbeitgebers in den staatlichen und regionalen Protokollen und Leitlinien gemäß Artikel 1 Absatz 14 des Gesetzesdekrets Nr. 33 vom 16. Mai 2020. Insbesondere werden die Maßnahmen zur Vermeidung der Infizierung durch Artikel 2 Absatz 6 des Dekrets des Ministerratspräsidenten vom 26. April 2020 vorgegeben. Dieser verpflichtet die Unternehmen zur Beachtung des sogenannten gemeinschaftlichen Protokolls der Regulierung der Maßnahmen zur Vermeidung und Eindämmung der Verbreitung des Virus Covid-19 in den Arbeitsräumen, unterzeichnet durch Regierung und die Sozialpartner, aktualisiert am 24. April 2020. Das zuvor genannte Protokoll verpflichtet den Arbeitgeber zur Vornahme der folgenden Maßnahmen für seine Angestellten: (i) Pflicht zur Information über die behördlichen Anweisungen; (ii) Pflicht zur Temperaturmessung mit medizinischer Überwachung / Feststellung von eventuellen Personen, die Symptome aufweisen; (iii) Pflicht zur Gewährleistung des individuellen Schutzes, der Hygiene und der Desinfektion der Arbeitsplätze, auch durch Bereitstellung von Desinfektionsmittelspendern. Theoretisch ist die Nichtbeachtung der genannten Vorschriften zur Vermeidung und Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 in den Arbeitsräumen ausreichend, um die Existenz des Profils einer strafrechtlichen und zivilrechtlichen Haftung des Arbeitgebers nachzuweisen, wenn ein Angestellter behauptet, am Arbeitsplatz mit dem Coronavirus infiziert worden zu sein, auch wenn er asymptomatisch bleibt. Somit sind ausschließlich die Beachtung und strenge konkrete Einhaltung der staatlichen und regionalen Protokolle geeignet, die Haftung des Arbeitgebers auszuschließen. Es muss betont werden, dass die Pflicht zur Beachtung des genannten Protokolls vom 24. April 2020 nur für die Unternehmen gilt, während die korrekten Vorgaben für die beruflichen Tätigkeiten für die Zeit der Wirksamkeit des Dekrets des Ministerialratspräsidenten  vom 17. Mai 2020 (mit den Maßnahmen zur Eindämmung des epidemiologischen Notstands durch Covid-19 vom 18. Mai bis 14. Juni 2020) im technischen Datenblatt der sogenannten Leitlinien für die Wiederaufnahme der wirtschaftlichen und produktiven Aktivitäten der Konferenz der Regionen und der autonomen Provinzen vom 16. Mai 2020 enthalten sind. Für die beruflichen Tätigkeiten mit Angestellten bleiben die genannten Pflichten der Arbeitgeber gegenüber den Angestellten gemäß dem Gesetzesvertretenden Dekret Nr. 81 vom 9. April 2008 und Artikel 2087 Codice Civile fortbestehen.  

Unter strafrechtlichem Profil beschränkt man sich darauf, anzudeuten, dass der Arbeitgeber für die Straftat der Verletzungen gemäß Artikel 590 des italienischen Strafgesetzbuchs Codice Penalefahrlässige Tötung gemäß Artikel 589 Codice Penalehaftbar gemacht werden könnte, wenn eine Infizierung mit Todesfolge auftritt, zusätzlich zum erschwerenden Umstand der Verletzung der Vorschriften zur Unfallvermeidung gemäß Artikel 590 Absatz 3 Codice Penale. Insbesondere ist es in Bezug auf den genannten erschwerenden Umstand bei fahrlässig begangenen Straftaten, die sich durch einen Arbeitsunfall ergeben, nicht notwendig, dass dabei die spezifischen Vorgaben zur Unfallvermeidung am Arbeitsplatz verletzt wurden. Es genügt, dass das schädigende Ereignis durch die Verletzung von Artikel 2087 Codice Civile herbeigeführt wurde. Es muss zudem darauf hingewiesen werden, dass allein die Vernachlässigung der vorgesehenen Pflichten gemäß dem genannten Gesetzesvertretenden Dekret Nr. 81/2008 (dem sogenannte Einheitstext in Sachen Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit am Arbeitsplatz) bereits einen hinlänglichen Grund für Sanktionen bietet, abgesehen von dem Umstand, ob das Unternehmen Arbeitsunfälle zu verzeichnen hatte oder nicht.  

Demzufolge müsste der Arbeitgeber Sorge dafür tragen, (i) die gesetzlich vorgegebenen Schutzmaßnahmen anzuwenden und beweisen zu können, sie angewandt zu haben, oder gegebenenfalls (ii) beweisen, dass in der Zeit, in der die Infizierung des Angestellten stattgefunden hat, der Angestellte die ihm zur Verfügung gestellten erforderlichen und geeigneten Schutzvorrichtungen, beispielsweise Handschuhe oder Mund-Nasen-Schutz, nicht rigoros genutzt hatte. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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