Die ​Unwirksamkeit einer Kreditsicherheit (Bürgschaft, Grundschuld, Hypothek ​etc.) wegen ​finanzieller Überforderung.

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1. Einführung 

Die Frage der Sittenwidrigkeit von Kreditsicherheiten ist ein zentrales Thema im Kreditrecht, insbesondere wenn es um die finanzielle Überforderung des Darlehensnehmers geht. Diese Problematik rückt in den Fokus, wenn die Belastung, die durch die Kreditsicherheit - sei es eine Bürgschaft, eine Grundschuld oder eine Hypothek - entsteht, die finanziellen Möglichkeiten des Darlehensnehmers oder des Bürgen übersteigt. Es geht hierbei um die Beurteilung, inwieweit eine Kreditsicherheit als sittenwidrig eingestuft werden kann, wenn sie den Schuldner oder Bürgen unangemessen belastet.

Die Rechtsgrundlage für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit bildet § 138 BGB. Dieser Paragraph besagt, dass ein Rechtsgeschäft, welches gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Im Kontext der Kreditsicherheiten bedeutet dies, dass eine Sicherheitsleistung dann als sittenwidrig angesehen werden kann, wenn sie eine offensichtliche und gravierende finanzielle Überforderung für den Darlehensnehmer oder Bürgen darstellt. Dabei wird nicht nur die Höhe der Forderung betrachtet, sondern auch das Verhältnis zwischen der Forderung und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners.

Die Bedeutung dieser Beurteilung liegt darin, dass sie den Darlehensnehmer vor unfairen und ausbeuterischen Kreditbedingungen schützt. In der Praxis bedeutet dies, dass Kreditgeber bei der Vergabe von Krediten und der Bestellung von Sicherheiten die finanzielle Situation des Darlehensnehmers sorgfältig prüfen müssen. Eine Vernachlässigung dieser Prüfung und die damit verbundene Überforderung des Darlehensnehmers kann zur Nichtigkeit der gesamten Kreditsicherheit führen.

Besonders relevant wird diese Thematik bei der Bürgschaft. Wenn etwa ein Bürge eine Bürgschaft für einen Kredit übernimmt, ohne die finanziellen Mittel zu haben, im Falle eines Zahlungsausfalls für den Schuldner einzustehen, kann dies als sittenwidrige Übervorteilung gewertet werden. Die Gerichte prüfen in solchen Fällen, ob eine krass einseitige Belastung und eine evidente Überforderung des Bürgen bzw. Kreditgebers vorliegen.

Auf die Rahmenbedingungen und die jeweiligen Details soll in hiesigem Artikel eingegangen werden.


2. Die wichtigsten Kreditsicherheiten und deren Bestellung

Kreditsicherheiten spielen eine zentrale Rolle im Kreditgeschäft, da sie dem Kreditgeber eine Absicherung gegen das Ausfallrisiko bieten. Zu den wichtigsten Kreditsicherheiten gehören die Grundschuld, die Hypothek und die Bürgschaft. Jede dieser Sicherheiten unterliegt spezifischen rechtlichen Regelungen und hat ihre eigenen Besonderheiten in Bezug auf die Bestellung und Durchsetzung.

  • Grundschuld (§ 1191 BGB): Die Grundschuld ist eine der häufigsten Formen der Kreditsicherung, insbesondere bei Immobilienfinanzierungen. Bei der Grundschuld wird ein Grundstück als Sicherheit für die Erfüllung einer Verbindlichkeit belastet. Ein wesentliches Merkmal der Grundschuld ist, dass sie nicht akzessorisch ist, d.h., sie ist unabhängig von der zugrundeliegenden Forderung. Die Bestellung einer Grundschuld erfordert eine Einigung zwischen dem Gläubiger und dem Grundstückseigentümer sowie die Eintragung in das Grundbuch. Die Grundschuld kann auch nach der vollständigen Tilgung des Darlehens bestehen bleiben und für weitere Kredite genutzt werden.

  • Hypothek (§ 1113 BGB): Die Hypothek ist eine weitere Form der Immobiliensicherheit, die sich jedoch von der Grundschuld dadurch unterscheidet, dass sie akzessorisch ist. Das bedeutet, dass sie direkt von der Existenz einer Forderung abhängt. Fällt die Forderung weg, erlischt auch die Hypothek. Die Hypothek bietet dem Kreditgeber Sicherheit, indem sie ihm ein Verwertungsrecht an dem belasteten Grundstück gibt, falls der Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Wie bei der Grundschuld erfolgt die Bestellung einer Hypothek durch eine Einigung und die Eintragung ins Grundbuch.

  • Bürgschaft (§ 765 BGB): Die Bürgschaft ist eine personenbezogene Sicherheit, bei der sich eine dritte Person (der Bürge) gegenüber dem Kreditgeber verpflichtet, für die Schulden des Hauptschuldners einzustehen. Eine Bürgschaft wird häufig dann gefordert, wenn Zweifel an der Kreditwürdigkeit des Hauptschuldners bestehen. Die Bürgschaft ist akzessorisch, d.h., sie ist an die Hauptforderung gebunden. Die Wirksamkeit einer Bürgschaft hängt von der Erfüllung bestimmter Formvorschriften ab, in der Regel ist eine schriftliche Bürgschaftserklärung notwendig.

Die Bestellung dieser Kreditsicherheiten erfordert neben der Einhaltung der jeweiligen gesetzlichen Vorschriften auch eine genaue Abwägung der Risiken und Verpflichtungen, die sowohl für den Kreditgeber als auch für den Kreditnehmer oder Sicherheitengeber entstehen. Die sorgfältige Prüfung und Dokumentation der wirtschaftlichen Verhältnisse der beteiligten Parteien ist entscheidend, um die Wirksamkeit der Sicherheiten zu gewährleisten und mögliche rechtliche Herausforderungen zu vermeiden.


3. Überforderung des Sicherheitengebers und die daraus resultierende Sittenwidrigkeit

Die Überforderung des Sicherheitengebers, insbesondere in Bezug auf Bürgschaften, Grundschulden und Hypotheken, kann unter bestimmten Umständen zur Sittenwidrigkeit der Sicherheitenbestellung führen. Diese Sittenwidrigkeit ergibt sich aus dem Prinzip des Schutzes vor unangemessener finanzieller Belastung und Ausbeutung, welches im deutschen Recht tief verankert ist.

  • Grundprinzipien der Sittenwidrigkeit: Laut § 138 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Dieser Paragraph kommt zur Anwendung, wenn eine Kreditsicherheit so gestaltet ist, dass sie den Sicherheitengeber in einer Weise finanziell belastet, die im krassen Missverhältnis zu seiner Leistungsfähigkeit steht. Hierbei wird insbesondere darauf geachtet, ob der Sicherheitengeber durch die Übernahme der Sicherheit in eine wirtschaftliche Lage gebracht wird, die seine Existenz bedroht oder unangemessen beeinträchtigt.

  • Bürgschaft und Überforderung: Ein klassisches Beispiel für die mögliche Sittenwidrigkeit findet sich im Bereich der Bürgschaften. Ein Bürge, der sich finanziell verpflichtet, ohne die Mittel zu haben, diese Verpflichtung im Falle eines Zahlungsausfalls des Hauptschuldners zu erfüllen, kann als sittenwidrig überfordert betrachtet werden. Hier wird geprüft, ob die Bürgschaft eine krass einseitige Belastung darstellt und ob der Bürge bei Vertragsschluss die Tragweite seiner Verpflichtung nicht übersehen konnte.

  • Rechtsprechung und Fallbeispiele: Ein wichtiger Meilenstein in der Beurteilung der Sittenwidrigkeit war der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 (Az. 1 BvR 567/89). In diesem Beschluss wurde klargestellt, dass eine Bürgschaft sittenwidrig sein kann, wenn sie von einem finanziell überforderten Sicherheitengeber geleistet wird. Dieses Urteil hat weitreichende Implikationen für die Praxis der Kreditsicherung, da es eine sorgfältige Prüfung der finanziellen Situation des Bürgen durch den Kreditgeber erfordert.

  • Voraussetzungen und Rechtsfolgen: Die Voraussetzungen für die Annahme der Sittenwidrigkeit umfassen das Vorliegen einer evidenten finanziellen Überforderung und einer krass einseitigen Belastung des Sicherheitengebers. Sind diese Bedingungen erfüllt, führt dies in der Regel zur Unwirksamkeit der Sicherheitenbestellung. Die Rechtsfolge ist somit, dass der Sicherheitengeber aus seiner Verpflichtung entlassen wird und der Kreditgeber auf die betreffende Sicherheit keinen Zugriff mehr hat.

Die Bewertung der Überforderung und der daraus resultierenden Sittenwidrigkeit erfordert eine individuelle und detaillierte Betrachtung jedes Einzelfalls. Dies beinhaltet die Analyse der finanziellen Verhältnisse des Sicherheitengebers zum Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung und die Beurteilung, ob eine angemessene Relation zwischen der Höhe der Verbindlichkeit und der Leistungsfähigkeit des Sicherheitengebers besteht. Die Rechtsprechung hat hierbei einen Rahmen geschaffen, der den Schutz des Sicherheitengebers in den Vordergrund stellt und gleichzeitig die Integrität des Kreditwesens bewahrt.


4. Beispiele für typische Fälle der finanziellen Überforderung eines Sicherheitenstellers

Die finanzielle Überforderung eines Sicherheitenstellers, speziell im Kontext von Bürgschaften, Grundschulden und Hypotheken, tritt in verschiedenen Konstellationen auf. Diese Überforderung kann zur Sittenwidrigkeit der Kreditsicherheit führen, wenn der Sicherheitengeber durch die Verpflichtungen unverhältnismäßig belastet wird. Typische Beispiele solcher Überforderungen umfassen:

  • Privatpersonen als Bürgen: Ein häufiges Szenario ist, dass eine Privatperson, oft ein Familienmitglied oder ein Freund, eine Bürgschaft für einen anderen übernimmt, ohne die finanziellen Konsequenzen vollständig zu verstehen oder die Mittel zu haben, diese zu tragen. Zum Beispiel könnte ein Rentner für den Kredit seines Kindes bürgen, obwohl seine Rente und Ersparnisse nicht ausreichen würden, um die Bürgschaft zu erfüllen, falls das Kind zahlungsunfähig wird.

  • Bürgschaften im Geschäftsleben: In Geschäftsbeziehungen können Bürgschaften von kleinen Unternehmern oder Selbstständigen übernommen werden, die nicht über genügend Vermögen verfügen, um eine größere Kreditforderung zu decken. Ein Kleinunternehmer, der eine Bürgschaft für einen Unternehmenskredit eingeht, ohne die Tragweite der Verpflichtung zu verstehen oder die finanzielle Kapazität zu haben, kann als Beispiel dienen.

  • Übermäßige Belastung durch Grundschulden und Hypotheken: Bei Grundschulden oder Hypotheken kann eine finanzielle Überforderung auftreten, wenn das belastete Grundstück einen wesentlichen Teil des Vermögens des Schuldners darstellt und die Rückzahlung der Schuld seine finanzielle Existenz bedroht. Beispielsweise könnte ein Hausbesitzer, der eine Hypothek zur Finanzierung eines Geschäfts aufnimmt, das dann scheitert, sich in einer Situation der Überforderung befinden.

  • Kombination verschiedener Sicherheiten: In manchen Fällen werden mehrere Sicherheiten kombiniert, was die finanzielle Last für den Sicherheitengeber erheblich erhöht. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn eine Person sowohl eine Bürgschaft übernimmt als auch eine Hypothek auf ihr eigenes Haus aufnimmt, um einen Kredit zu sichern.

Diese Beispiele illustrieren, wie die finanzielle Überforderung eines Sicherheitengebers entstehen kann. In jedem dieser Fälle ist es wichtig, die spezifischen Umstände und die finanzielle Situation des Sicherheitengebers zum Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung sorgfältig zu prüfen. Die Überprüfung, ob eine finanzielle Überforderung vorliegt und ob daraus eine Sittenwidrigkeit resultiert, erfordert eine genaue Betrachtung der individuellen Verhältnisse und der Vertragsbedingungen. Der Schutz vor unverhältnismäßiger finanzieller Belastung ist ein wesentlicher Aspekt des Verbraucherschutzes im Kreditwesen.


5. Fazit

Die Frage der Wirksamkeit von Kreditsicherheiten im Kontext finanzieller Überforderung des Sicherheitengebers ist von essenzieller Bedeutung für ein gerechtes und ausgewogenes Kreditwesen. Die Beispiele und rechtlichen Rahmenbedingungen, die vorausgehend dargestellt wurden, verdeutlichen die Notwendigkeit eines sorgfältigen Umgangs mit Kreditsicherheiten, sowohl seitens der Kreditgeber als auch der Sicherheitengeber.

Einerseits bietet die sorgfältige Prüfung und Dokumentation der finanziellen Verhältnisse der beteiligten Parteien Schutz vor sittenwidrigen Verträgen. Dieser Schutz ist nicht nur gesetzlich verankert, sondern auch durch die Rechtsprechung, wie im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993, bekräftigt. Kreditgeber müssen daher die finanzielle Leistungsfähigkeit des Sicherheitengebers eingehend prüfen, um das Risiko einer sittenwidrigen Überforderung zu minimieren.

Andererseits unterstreicht die Diskussion die Bedeutung der Aufklärung und Beratung für Darlehensnehmer und Sicherheitengeber. Personen, die eine Bürgschaft oder andere Sicherheiten übernehmen, sollten sich der Tragweite ihrer Entscheidung bewusst sein und gegebenenfalls unabhängigen Rat einholen. Dies ist besonders wichtig, da die Übernahme einer Kreditsicherheit weitreichende finanzielle und rechtliche Konsequenzen haben kann.

In Bezug auf die benannten Kreditsicherheiten zeigt sich, dass die Sittenwidrigkeit nicht nur ein theoretisches Konstrukt ist, sondern in der Praxis eine bedeutende Rolle spielt. Die Rechtsprechung hat in diesem Bereich eindeutige Leitlinien entwickelt, um die Interessen der schwächeren Vertragspartei zu schützen. Dieses Schutzbedürfnis wird besonders deutlich, wenn es um private Sicherheitengeber geht, die oft aus persönlichen Beziehungen heraus handeln und dabei ihre finanzielle Leistungsfähigkeit überschätzen.

In diesen Fallkonstellationen lohnt es sich, die Darlehens- und Sicherheitsverträge durch einen Rechtsanwalt prüfen zu lassen.



Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. 

Gerne stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt und Fachanwalt für eine rechtliche Beurteilung und Einschätzung Ihres Falles zur Verfügung und begleite und unterstütze Sie bei Finanztransaktionen bzw. der Geltendmachung von Haftungsansprüchen und Schadensersatz aus Finanztransaktionen und Investitionen sowie bei bankrechtlichen Fragestellungen zu Kreditsicherheiten und Darlehensverträgen. Kontaktieren Sie mich gerne telefonisch oder schreiben Sie mich an.

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Foto(s): Dr. Holger Traub

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