Die Vermögensauseinandersetzung im Rahmen der Scheidung: Ein Überblick

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Die Vermögensauseinandersetzung im Scheidungsverfahren ist ein wesentlicher Bestandteil des Prozesses der Trennung und Scheidung von Eheleuten. Sie umfasst die Aufteilung des während der Ehe erworbenen Vermögens.


I. Grundprinzipien der Vermögensaufteilung

1. Zugewinngemeinschaft, §§ 1373 ff. BGB

In Deutschland leben Ehepaare automatisch im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, sofern sie nicht durch einen Ehevertrag etwas anderes vereinbart haben. Während der Ehe bleibt das Vermögen der Partner getrennt; erst bei Beendigung der Ehe durch Scheidung oder Tod wird der während der Ehe erwirtschaftete Zugewinn ausgeglichen. Im Falle einer Scheidung wird der während der Ehe erzielte Zugewinn ermittelt und hälftig geteilt. Ziel des Zugewinnausgleichs ist es, eine gerechte Verteilung des in der Ehe erworbenen Vermögens zu gewährleisten.

a). Berechnung des Zugewinns

Zur Berechnung des Zugewinns wird für jeden Ehegatten die Differenz zwischen dem Endvermögen und dem Anfangsvermögen ermittelt. Schenkungen und Erbschaften werden in der Regel dem Anfangsvermögen hinzugerechnet. Derjenige Ehegatte, dessen Vermögen stärker zugenommen hat, schuldet dem anderen Ehegatten die Hälfte des Differenzbetrages als Ausgleich.

(i) Ermittlung des Anfangsvermögens: 

Das Anfangsvermögen umfasst das Vermögen, das jeder Ehegatte bei der Heirat besessen hat. Erbschaften und Schenkungen, die einem Ehegatten während der Ehe zugeflossen sind, werden dem Anfangsvermögen hinzugerechnet. Um die Inflation auszugleichen, wird das Anfangsvermögen zum Zeitpunkt der Scheidung angepasst.

(ii) Ermittlung des Endvermögens:

Das Endvermögen ist das Vermögen, das jedem Ehegatten zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags gehört. Schulden werden vom Vermögen abgezogen.

(iii) Berechnung des Zugewinns: 

Der Zugewinn ergibt sich aus der Differenz zwischen End- und Anfangsvermögen. Der Ehegatte mit dem höheren Zugewinn schuldet dem anderen Ehegatten die Hälfte der Differenz zwischen ihren jeweiligen Zugewinnen.

b.) Vermögenswerte und Schulden

In die Berechnung des Zugewinns fließen grundsätzlich alle Vermögenswerte ein, die im Laufe der Ehe erworben wurden, einschließlich Immobilien, Bankkonten, Wertpapiere und Betriebsvermögen. Auch Schulden werden berücksichtigt. Wichtig ist die korrekte Bewertung dieser Vermögenswerte und Schulden zum Zeitpunkt der Scheidung.


2. Gütertrennung, § 1414 BGB

Unter Gütertrennung versteht man, dass jeder Ehepartner Eigentümer und allein verantwortlich für sein Vermögen bleibt. Es gibt kein gemeinsames Vermögen der Eheleute, und jeder Ehepartner verwaltet sein Vermögen selbstständig. Eine Vermögensaufteilung im eigentlichen Sinne findet bei der Scheidung nicht statt, es sei denn, dies wurde vertraglich anders geregelt. Die Vereinbarung des Güterstandes der Gütertrennung muss notariell beurkundet werden, um wirksam zu sein.

Die Gütertrennung hat auch Auswirkungen auf das Erbrecht. Ohne einen Zugewinnausgleich kann sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten erhöhen.


3. Gütergemeinschaft, §§ 1415 ff. BGB 

Im Rahmen der Gütergemeinschaft wird das Vermögen der Eheleute weitgehend zusammengelegt, wodurch ein gemeinsames Vermögen entsteht. Diese Form der Vermögensvereinigung muss explizit durch einen Ehevertrag vereinbart und notariell beurkundet werden.

a.)  Unterscheidung zwischen drei Vermögensmassen

(i) Gesamtgut 

Das Gesamtgut umfasst grundsätzlich das gesamte Vermögen, das die Eheleute während der Ehe erwerben, sowie das Vermögen, das sie in die Ehe einbringen, sofern es nicht ausdrücklich als Vorbehaltsgut klassifiziert wird. Beide Ehepartner verwalten das Gesamtgut gemeinschaftlich.

(ii) Vorbehaltsgut

Zum Vorbehaltsgut gehören Vermögenswerte, die durch Ehevertrag ausdrücklich aus dem Gesamtgut ausgeschlossen wurden, sowie Erbschaften und Schenkungen, die einem Ehegatten während der Ehe zufallen, sofern der Erblasser oder Schenker dies bestimmt hat.

(iii) Sonstiges Gut

Schulden, die vor der Ehe bestanden oder die aus Handlungen resultieren, die ohne Zustimmung des anderen Ehegatten vorgenommen wurden, fallen nicht unter das Gesamtgut und bleiben persönliche Verbindlichkeiten des jeweiligen Ehegatten.


b.) Verwaltung des Vermögens

Die Verwaltung des Gesamtguts obliegt beiden Ehegatten gemeinschaftlich. Für bestimmte Rechtsgeschäfte, insbesondere solche von erheblicher Tragweite, ist die Zustimmung beider Ehegatten erforderlich. Das Vorbehaltsgut wird hingegen von dem Ehegatten verwaltet, dem es gehört.

c.) Auswirkungen und Beendigung

Bei Beendigung der Gütergemeinschaft durch Scheidung oder Tod eines Ehegatten wird das Gesamtgut geteilt. Dabei werden zunächst die gemeinsamen Schulden beglichen. Der verbleibende Vermögenswert wird grundsätzlich hälftig aufgeteilt, sofern nicht im Ehevertrag andere Regelungen getroffen wurden.


II. Besondere Ausgleichsansprüche

1. Versorgungsausgleich, § 1587 BGB

Parallel zum Zugewinnausgleich findet der Versorgungsausgleich statt. Hierbei geht es um die während der Ehezeit angesammelten Anwartschaften und Aussichten auf eine Versorgung wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit. Die im Laufe der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften werden zwischen den Ehegatten aufgeteilt, um eine gerechte Verteilung der im Ehezeitraum erworbenen Versorgungsrechte zu gewährleisten. Dieser sogenannte Versorgungsausgleich stellt sicher, dass beide Ehepartner einen gerechten Anteil an den in der Ehezeit angesammelten Rentenansprüchen erhalten.

Der Versorgungsausgleich wird automatisch im Rahmen des Scheidungsverfahrens durchgeführt, sofern die Ehe mindestens drei Jahre gedauert hat. Er betrifft sowohl die gesetzliche Rentenversicherung als auch betriebliche und private Altersvorsorgen. Das Hauptziel des Versorgungsausgleichs ist es, eine faire Aufteilung der während der Ehe erworbenen Rentenansprüche sicherzustellen. Dadurch soll erreicht werden, dass beide Ehepartner im Alter unabhängig von den individuellen Karriereverläufen über eine eigene Altersversorgung verfügen.

a.) Betroffene Anwartschaften und Versorgungen

Der Versorgungsausgleich umfasst grundsätzlich alle während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften auf Versorgungsleistungen, dazu gehören:

  • Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung,
  • Betriebliche Altersvorsorge,
  • Private Rentenversicherungen,
  • Beamtenversorgung,
  • Berufsständische Versorgungswerke.


b.) Durchführung des Versorgungsausgleichs

Der Versorgungsausgleich wird vom Familiengericht im Rahmen des Scheidungsverfahrens durchgeführt. Die Ermittlung der auszugleichenden Anwartschaften erfolgt durch Anfragen bei den jeweiligen Versorgungsträgern. Anschließend berechnet das Gericht die Höhe der während der Ehezeit erworbenen Ansprüche und legt fest, wie diese zwischen den Ehegatten aufgeteilt werden.


2. Unterhalt,  §§ 1569 ff.

Grundsätzlich hat jeder Ehegatte nach der Scheidung den eigenen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten (§ 1569 BGB). Neben der eigentlichen Vermögensaufteilung kann ein Ehepartner unter bestimmten Voraussetzungen jedoch nach der Scheidung Unterhaltsansprüche gegen den anderen Ehepartner haben. Die Höhe und Dauer des Unterhalts hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie der Dauer der Ehe, der Erwerbsfähigkeit und Bedürftigkeit des Unterhalt fordernden Ehegatten sowie der Leistungsfähigkeit des zur Zahlung verpflichteten Ehegatten.

a.) Arten des Ehegattenunterhalts

(i) Trennungsunterhalt, § 1361 BGB

Dieser Anspruch besteht ab der Trennung bis zur rechtskräftigen Scheidung der Ehe und soll den während der Ehe erreichten Lebensstandard so weit wie möglich sichern.

(ii) Nachehelicher Unterhalt, §§ 1570 ff. BGB

Nach der Scheidung kann ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt unter bestimmten Voraussetzungen bestehen, wie etwa bei Betreuung gemeinsamer Kinder, Krankheit, Alter oder Arbeitslosigkeit.

b.) Voraussetzungen für den Anspruch

Der Anspruch auf Ehegattenunterhalt setzt voraus, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nicht in der Lage ist, seinen Lebensbedarf selbst zu decken. Dies kann aus verschiedenen Gründen der Fall sein, unter anderem wegen:

  • Betreuung gemeinsamer Kinder,
  • Krankheit oder Behinderung,
  • Alters,
  • Arbeitslosigkeit oder
  • Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung.

c.) Bemessung des Unterhalts

Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten während der Ehe und dem Prinzip der Leistungsfähigkeit. Zu berücksichtigen sind das Einkommen und die Vermögensverhältnisse beider Ehegatten. Der Unterhaltsbedarf wird in der Regel nach dem bereinigten Nettoeinkommen beider Parteien bemessen. Aus diesem Grund ist eine umfassende Offenlegung der finanziellen Verhältnisse erforderlich.

d.) Dauer des Unterhaltsanspruchs

Die Dauer des nachehelichen Unterhalts ist grundsätzlich nicht unbegrenzt. Sie hängt von der Dauer der Ehe und den Gründen für den Unterhaltsanspruch ab. In manchen Fällen kann der Unterhaltsanspruch zeitlich begrenzt oder der Höhe nach modifiziert werden. Gerade bei kurzen Ehen wird der nacheheliche Unterhalt eher als Ausnahme gewährt.

e.) Modifikation und Ausschluss

Der Anspruch auf Ehegattenunterhalt kann modifiziert oder ausgeschlossen werden, wenn die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen grob unbillig wäre (§ 1579 BGB). Dies kann der Fall sein bei kurzer Ehedauer, eigenem Einkommen des Berechtigten oder bei Fehlverhalten eines Ehegatten.


III. Verfahren und Durchführung

Die Vermögensauseinandersetzung kann außergerichtlich zwischen den Ehegatten mit Unterstützung von Anwälten oder durch einen Mediator erfolgen. Kommt es zu keiner Einigung, wird das Vermögen im Rahmen des Scheidungsverfahrens gerichtlich aufgeteilt. Für den Zugewinnausgleich sowie den Versorgungsausgleich sind gesonderte Verfahren vorgesehen, die parallel zum eigentlichen Scheidungsverfahren ablaufen können. Wichtig ist, dass für den Zugewinnausgleich innerhalb von drei Jahren nach Rechtskraft der Scheidung Antrag gestellt wird, um die Verjährung zu vermeiden.




Dieser Beitrag dient der generellen Information und dem Einstieg in das Thema Vermögensauseinandersetzung im Rahmen einer Scheidung.  

Wenn Sie Fragen oder Beratungsbedarf zu diesem Thema haben, können Sie sich gerne mit mir unter 0228-97274553 oder unter info@kanzlei-kuschel.de in Verbindung setzen.


Jacqueline Kuschel

Rechtsanwältin


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