„Die Versicherung fragt noch beim Arzt nach!?“ – Täuschung in der Berufsunfähigkeitsversicherung

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Dieser Ratgeberartikel befasst sich mit dem Thema des Verschweigens von Vorerkrankungen bei Vertragsschluss in der Berufsunfähigkeitsversicherung und dem Vorwurf des Versicherers einer arglistigen Täuschung durch den Versicherungsnehmer.

Gar nicht so selten kommt es in der Praxis vor, dass Versicherungsvermittler vor Vertragsschluss auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung gegenüber dem Mandanten bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen angeben, der Berufsunfähigkeitsversicherer werde vor Annahme des Antrags ohnehin Auskünfte zur Krankengeschichte beim behandelnden Arzt einholen. 

Glauben Sie das?

Soviel vorweg, diese wird er in der Regel gerade nicht tun, vertrauen Sie nicht auf solche Aussagen!

Bei meinen Recherchen zu einem meiner aktuellen Fälle bin ich diesbezüglich auf eine interessante Entscheidung des OLG Karlsruhe gestoßen. Hier kam der Versicherungenehmer, im Juristensprech auch kurz VN genannt, allerdings mit einem blauen Auge davon.

Im Rahmen der Berufung einer Beklagten gegen ein belastendes Urteil des Landgerichts Konstanz aus dem Jahre 2014 hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe am 13. August 2015 zum Thema „Arglistige Täuschung durch Verschwiegen von Vorerkrankungen“ zu entscheiden.

Was war geschehen?

Die beklagte Berufsunfähigkeitsversicherung war in erster Instanz zur Leistung an den Kläger aus einer bei ihr abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung verurteilt worden. Gegen dieses Urteil legte die Versicherung zwar Berufung ein, jedoch ohne Erfolg.

Der Kläger, der von Beruf Sachbearbeiter im Wareneingang bei einem größeren Unternehmen (Hersteller von Leuchten und Stadtmobiliar) war, hatte 2002 bei der Beklagten einen Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung gestellt. Dieser Antrag wurde von einem Versicherungsagenten der Beklagten aufgenommen. Es ist unstreitig, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt unter einem sog. essenziellen Tremor litt, infolge dessen seine Hände unter bestimmten Voraussetzungen zittern. Zudem befand er sich in den Jahren vor der Antragsstellung häufiger in orthopädischer Behandlung. Beides wurde im Antragsformular nicht angegeben. Im Antrag wurde lediglich eine Bagatelle in Form einer Platzwunde angegeben.

Nachdem der Kläger 2011 Leistungen aus der Versicherung geltend machte, weil er an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose leide und infolge dessen bedingungsgemäß berufsunfähig sei (was das Gericht nach der Beweisaufnahme als erwiesen ansah), lehnte die Beklagte Leistungen ab und erklärte die Anfechtung des abgeschlossenen Versicherungsvertrages mit der Begründung der arglistigen Täuschung, da der Kläger gefahrerhebliche Umstände verschwiegen habe. 

Der Kläger trug vor, er habe dem Agenten diese Tatsachen nicht verschwiegen, dieser habe seine Angaben jedoch nicht aufgenommen mit dem (unzutreffenden) Hinweis, der Versicherer werde vor Annahme des Antrags ohnehin Auskünfte zur Krankengeschichte beim behandelnden Arzt einholen. Das Gericht führte dazu aus, dass die Beweislast für die arglistige Täuschung beim Versicherer liege. Dieser könne hier nicht beweisen, dass die Täuschung vom Versicherungsnehmer und nicht möglichweise durch den Agenten erfolgte.

Sowohl Versicherungsnehmer als auch Versicherungsagent (wegen etwaiger Provisionsansprüche) könnten ein Interesse daran haben, dass der Versicherer den Antrag annimmt. Daher seien die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen. Die Angabe nur einer Bagatelle in Form der Platzwunde und das gleichzeitige Weglassen schwerer Erkrankungen stelle zwar ein Indiz für eine Täuschung dar, da dadurch der Eindruck entstehe, es handele sich um einen „ehrlichen“ Antragsteller“, jedoch seien diese Zusammenhänge eher dem Versicherungsagenten bekannt als dem Versicherungsnehmer, denn der Versicherungsagent kenne die generelle Praxis des Versicherers bei einem späteren Leistungsantrag die gesamte Krankengeschichte – auch für die Zeit vor Vertragsschluss – zu überprüfen.

Ein mit den Vorgängen nicht vertrauter Versicherungsnehmer würde zumindest nicht ohne Weiteres von sich aus auf die Idee kommen, dass die Eintragung einer Bagatelle bei den Gesundheitsfragen einer Täuschung der Beklagten erleichtern kann.

Wichtig für Sie zu wissen:

Wichtig für Sie zu wissen ist, dass es bei der sogenannten Zurechnung von Wissen bzw. letztlich Fehlern in der Antragssituation darauf ankommen kann, ob ein Versicherungsvertreter oder ein Versicherungsmakler mitgewirkt hat. Hier wurde das Fehlverhalten des Versicherungsvertreters der Berufsunfähigkeitsversicherung zugerechnet.

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