Dieselskandal: Europäischer Gerichtshof eröffnet völlig neue Ansprüche

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Urteil zugunsten der Deutsche Umwelthilfe e.V. wegen Abschalteinrichtung „Thermofenster“ – was hat der einzelne PKW-Käufer davon?

Der Europäische Gerichtshof hat am 08.11.2022 entschieden, dass der Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) als gemeinnützige Organisation ein Klagerecht gegen Behörden-Entscheidungen zusteht.

Damit werden indirekt die Rechte von Käufern manipulierter Diesel-PKW gestärkt!  

Hintergrund des Urteils: 

Die Deutsche Umwelthilfe hatte vor dem Europäischen Gerichtshof ihr Recht auf Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen einer Entscheidung des Kraftfahrt-Bundesamtes verlangt.

Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte entschieden, der Volkswagen AG für ein bestimmtes Diesel-Fahrzeugmodell die Zulassung zu erteilen. In diesem Modell ist eine Abschalteinrichtung verbaut worden, welche unter bestimmten Bedingungen, hier der Lufttemperatur, die Abgase optimal oder weniger bis gar nicht reinigt. Sichergestellt mit dieser Abschalt-einrichtung „Thermofenster“ wird nur, dass die Abgasprüfung im Zulassungsverfahren bestanden wird. Vor allem bei kalten Außentemperaturen hingegen wird die Abgasreinigung reduziert, wodurch mehr Stickoxide ausgestoßen werden - und die Abgasnorm nicht immer eingehalten wird.    

Bereits mit Urteil von Juli 2022 hatte der Europäische Gerichtshof über diese Abschalteinrichtung „Thermofenster“ deutlich entschieden: Es ist grundsätzlich unzulässig, dass die Abgasreinigung in Fahrzeugen bei bestimmten Temperaturen ausgesetzt wird. Und damit die überwiegende Zeit des Jahres nicht vollständig arbeitet, wenn wie zum Beispiel Deutschland im Jahresdurchschnitt rund 10° Celsius herrschen. Denn das läuft dem Ziel der sauberen Luft zuwider. Die vielfachen Argumente von Autoherstellern, ein „Thermofenster“ sei erforderlich, weil es dem Motor- und Bauteilschutz dient, liess das Gericht nicht gelten.

Problem: Genau diese Ausnahme des angeblichen Motor- und Bauteilschutzes hatte das Kraftfahrt-Bundesamt großzügig ausgelegt und dazu bewogen, den Autoherstellern die Typ-Genehmigungen zu erteilen.  

Konsequenz des Urteils: Die Deutsche Umwelthilfe e.V. kann nun gegen Bescheide des Kraftfahrt-Bundesamtes, welches eine solche zweifelhafte Abgasoptimierung der Autohersteller unbeanstandet ließ und die temperaturbedingte Abschaltung für zulässig durchwinkte, gerichtlich vorgehen.  

Dass eine vorherige Aufforderung der Deutsche Umwelthilfe e.V. an Bundesverkehrsminister Wissing als Chef des Kraftfahrt-Bundesamtes, alle betroffenen Fahrzeuge zurückzurufen und auf Kosten der PKW-Hersteller mit wirksamer Hardware nachrüsten zu lassen, erfolgreich sein wird, ist zweifelhaft.

Vorteile dieses Urteils für den betroffenen PKW-Eigentümer:

Unmittelbar: Die Deutsche Umwelthilfe e.V. verfolgt primär das Ziel der sauberen Luft. Werden die Verantwortlichen des Kraftfahrt-Bundeamtes zum Handeln verurteilt, dann werden die betroffenen PKW – für den Eigentümer kostenlos – aufgerüstet werden müssen.  

Mittelbar: Wird die Zulassung der betroffenen PKW durch das Kraftfahrt-Bundesamt widerrufen, so dürfte dem betroffenen PKW-Eigentümer ein eigener Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller und ein eigenes Klagerecht zustehen.

Fazit und Empfehlung:

Das neue Urteil des Europäischen Gerichtshofs kann dazu führen, dass millionenfach unberechtigt zugelassenen Diesel-PKW in Deutschland die Stilllegung droht.

Spätestens wenn vom Kraftfahrt-Bundesamt Zwangsrückrufe zwecks Nachrüstung der PKW veröffentlicht oder Stilllegungen angedroht werden, sollte gehandelt werden:  Schadens-ersatzansprüche gegen PKW-Hersteller und verantwortliche Behörden prüfen und durchsetzen.

Abwarten muss aber nicht sein.

Die Chancen, bereits jetzt Schadensersatz vom PKW-Hersteller zu bekommen, wenn ab Werk in die verkauften Diesel-PKW diese Abschalteinrichtung „Thermofenster“ verbaut wurde, stehen gut.

Die beiden neuesten Urteile des Europäischen Gerichthofs hierzu bestärken diese Verbraucherrechte.

Auch der Bundesgerichthof, maßgebende Instanz für die Landgerichte, die meistens als zuständige Erstgerichte über die individuellen Klagen betroffener PKW-Eigentümer gegen PKW-Hersteller entscheiden, wird sich in absehbarer Zeit wieder zum „Thermofenster“ äußern – und muss hierbei die neuen Urteile des Europäischen Gerichtshofs berücksichtigen.  




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