Drogenfahrt: Ordnungswidrigkeit (§ 24a Abs. 2 StVG), wenn THC-Wert unter 3,5 ng/ml Blutserum?
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Hinweis: Dieser Rechtstipp wurde aktualisiert, aufgrund Gesetzesänderung. Seit dem 22.08.2024 legt das Gesetz einen neuen, höheren THC-Grenzwert von 3,5 ng/ml Blutserum fest. Es heißt nun in § 24a Abs. 1 a) StVG:
"Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 3,5 ng/ml oder mehr Tetrahydrocannabinol im Blutserum hat."
Gleichwohl wird mit Sicherheit weiterhin die folgende Rechtsprechung gelten, wonach unter bestimmten Voraussetzungen eine Ordnungswidrigkeit auch dann verwirklicht werden kann, wenn der THC-Grenzwert unterschritten ist.
Bei Verwirklichung einer Drogenfahrt als Ordnungswidrigkeit droht ein Regelbußgeld von 500 Euro (einschließlich Verfahrenskosten in der Regel insgesamt etwa 750 Euro), ein Monat Fahrverbot und zwei Punkte im Fahreignungsregister. Bei einschlägigen Voreintragungen drohen sogar 1.000 oder 1.500 Euro Bußgeld und drei Monate Fahrverbot. Von den fahrerlaubnisrechtlichen Folgen, namentlich ärztliche Untersuchung, oder MPU-Anordnung oder gar Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Führerscheinstelle, ganz zu schweigen!
Es gibt Konstellationen, in denen es sogar unterhalb der „magischen“ Grenze von 3,5 ng/ml THC zur Verurteilung im Bußgeldverfahren wegen einer Drogenfahrt kommen kann, wie der Fachanwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht Heiko Urbanzyk aus Coesfeld erklärt.
So entschied das OLG Bamberg:
„Auch bei Nichterreichen des sog. Nachweisgrenzwertes bleibt eine Ahndung wegen einer tatbestandsmäßigen Drogenfahrt nach § 24a II StVG möglich, sofern neben der den analytischen Nachweisgrenzwert nicht erreichenden konkreten Konzentration des berauschenden Mittels im Blut des Betroffenen weitere Umstände, insbesondere drogenbedingte Verhaltensauffälligkeiten oder rauschmitteltypische Ausfallerscheinungen festgestellt werden, die es als möglich erscheinen lassen, dass der Betroffene am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit durch die Wirkung des berauschenden Mittels eingeschränkt war.“ (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 11.12.2018 – 3 Ss OWi 1526/18)
Betroffener hat sich selbst verraten!
Dumm gelaufen: Im konkreten Einzelfall war der betroffene Konsument nicht einmal bei der Drogenfahrt beobachtet worden, sondern räumte diese einen Tag später gegenüber der Polizei ein. Diese hatte ihn wegen möglicher BtMG-Verstöße zu Hause aufgesucht. Den Beamten fielen Gleichgewichtsstörungen, gerötete und glasige Augen sowie Zittrigkeit auf. Anordnungen mussten mehrfach wiederholt werden.
Merke: Niemals mit der Polizei reden!
Kein Pauschalfreispruch unterhalb des Grenzwerts!
Aufgrund der THC-Konzentration von lediglich 0,7 ng/ml THC (damaliger Grenzwert noch 1,0 ng/ml Blutserum) wurde der Betroffene im Bußgeldverfahren freigesprochen. Auf Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hob das OLG Bamberg den Freispruch auf und verwies die Sache zur Entscheidung zurück: Es sei eben trotz des niedrigen THC-Wertes aufgrund der hinzutretenden Umstände des Einzelfalls nicht an sich auszuschließen, dass der Betroffene nicht doch drogenbedingt fahruntüchtig war.
Das OLG in seiner Entscheidung wörtlich: „Nach alledem durfte der Freispruch des Betroffenen weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen allein auf das Nichterreichen der den analytischen Grenzwert für THC von [damals noch] 1 ng/ml Blut liegende THC-Konzentration gestützt werden. Vielmehr wird das AG nunmehr Feststellungen und Wertungen zu der Frage zu treffen haben, ob es neben der THC-Konzentration etwaige weitere Umstände, insbesondere bestimmte drogenbedingte Verhaltensauffälligkeiten, rauschmitteltypische Ausfallerscheinungen oder sonstige Besonderheiten zumindest als möglich erscheinen lassen, dass der Betr. am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit durch die Wirkung des berauschenden Mittels eingeschränkt war.“
Es ist auch bzw. trotz des neuen Grenzwerts in Höhe von 3,5 ng THC pro ml Blutserum zu erwarten, daß Verfolgung und Verurteilung auch dann droht, wenn der gesetzliche Grenzwert unterschritten ist.
Rat vom Verkehrsanwalt:
Mit Blick auf den Fall des OLG Bamberg rät der in Ordnungswidrigkeiten und Verkehrsstraftaten mit Betäubungsmittelbezug erfahrene Rechtsanwalt Urbanzyk aus Coesfeld (bei Gescher, Ahaus, Steinfurt) noch einmal dringend:
1.
Man sollte gegenüber Strafverfolgungsbehörden immer von seinem Schweigerecht Gebrauch machen, zur Not Unvermeidbares still über sich ergehen lassen und sobald wie möglich einen Verteidiger einschalten.
2.
Gerade wenn das Bußgeldverfahren trotz Nichterreichen des Nachweisgrenzwertes durch die Bußgeldstelle oder das Gericht weiter betrieben wird, darf auf Rechtsbeistand nicht verzichtet werden. Die Verteidigung unterhalb der Nachweisgrenze (auch bei Amphetamin, Kokain usw.) bietet zahlreiche Erfolgsaussichten. So muss das Tatgericht nach Vorgaben verschiedener Oberlandesgerichte gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe durch das Tatgericht festgestellt werden, ob die hinzutretenden Umstände oder Ausfallerscheinungen über drogenbedingt sind oder nicht.
3.
Wer aufgrund Konsum von Cannabis (KCanG) oder anderer Betäubungsmittel (BtMG) potentieller „Kandidat“ solcher Taten ist, darf auf eine Verkehrsrechtsschutzversicherung nicht verzichten. Bei Drogenfahrten drohen zusätzlich zum Bußgeldverfahren, ein Strafverfahren wegen Verstoß gegen das KCanG / BtMG und das fahrerlaubnisrechtliche Verwaltungsverfahren. Da kommen ganz schnell mehrere Tausend Euro Anwalts-, Gerichts- und Sachverständigenkosten zusammen für welche die Rechtsschutzversicherung in der Regel aufkommt – dagegen sind die paar Euro Rechtschutzprämien nichts.
Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Strafrecht in Coesfeld, ist versierter und langjährig erfahrener Strafverteidiger im Bereich von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr mit Drogenbezug. Er steht bundesweit für Beratung und Vertretung zur Verfügung. Wenden Sie sich am besten ab Erhalt des Anhörungsbogens vertrauensvoll an ihn. Ein persönliches Erscheinen in der Kanzlei ist beim Tatvorwurf Drogenfahrt nicht erforderlich, sondern alles kann in der Regel telefonisch oder per Webakte erörtert werden.
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