Durchsuchung wegen Verdacht des Besitzes jugendpornografischer Inhalte – Liegt überhaupt ein Anfangsverdacht vor?
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Wurde bei Ihnen polizeilich durchsucht wegen des Verdachts auf Besitz und Verbreitung von sogenannter Jugendpornographie? Das war vielleicht gar nicht rechtens!
Anlässlich einer Entscheidung des LG Bremen (Beschl. v. 13.01.2023 – 6 Qs 355/22) sowie einer Entscheidung des LG Görlitz (Beschl. v. 24.06.2024 – 3 Qs 105/24) erklärt Ihnen Strafrechtsspezialist Heiko Urbanzyk aus Coesfeld (bei Gescher, Velen, Olfen) im Folgenden die rechtlichen Anforderungen für eine Hausdurchsuchung bei Verdacht des Besitzes kinder- und jugendpornografischer Inhalte.
Wann kann eine Hausdurchsuchung angeordnet werden?
Eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume bei einem Verdächtigen kann gem. § 102 StPO vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde. Ausreichend ist somit das gegen die Person ein Anfangsverdacht besteht. Dies bedeutet, es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Person eine Straftat begangen oder versucht hat. Der Tatverdacht darf allerdings nicht ganz vage sein. Bloße Vermutungen genügen nicht zur Annahme diese Anfangsverdachts. Dabei gilt insbesondere umso geringer der Anfangsverdacht und das Gewicht des Tatvorwurfs, desto höher sind die Anforderungen daran, wann eine Durchsuchung vorgenommen werden darf. Dabei muss eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden, bei der die Rechte des Verdächtigen gegenüber dem staatlichen Interesse an der Strafverfolgung abgewogen werden.
Beschluss des LG Bremen vom 13. Januar 2023
In dem Beschluss stellt das LG Bremen fest, dass die vorgenommen Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten rechtswidrig war. Der Beschuldigte soll mutmaßlich auf der Plattform „markt.de“ mit einer anderen 14 jährigen Person, welche sich als 15 Jähriger ausgab, einen Chataustausch über sexuellen Fantasien, Praktiken und körperliche Merkmale gehabt haben. Daraufhin wurde durch den Ermittlungsrichter am Amtsgericht ein Durchsuchungsbeschluss wegen Verdachtes des Besitzes jugendpornografischer Inhalte gem. § 184c Abs. 3 StGB erlassen.
Diesen stufte das Landgericht als rechtswidrig ein, weil die Voraussetzungen gem. §§ 102, 105 StPO nicht vorlagen. Der in dem Verfahren von der Behörden entdeckte Chat genügte nicht, um ein Verdacht für diese Straftat zu begründen. Auch ergab sich nicht das der Beschuldigte gezielt im Netz nach unter 18-jährigen gesucht hat. Der Beschuldigte benutzte eine im Internet freizugängliche Plattform statt im Darknet zu agieren, sodass dies eher gegen einen solchen Verdacht sprach. Das Alter seines Chatpartners hatte er zudem nicht erfragt, sondern es wurde ihm von seinem Gegenüber ohne Aufforderung mitgeteilt. Bloße, nicht durch konkrete Umstände belegte Vermutungen oder rein denktheoretische Möglichkeiten genügen nicht, um einen Anfangsverdacht zu begründen. Somit lag kein Anfangsverdacht wegen Besitzes jugendpornographischer Schriften gegen den Beschuldigten vor und die Anordnung der Durchsuchung seiner Wohnung erfolgte zu Unrecht.
Beschlusses LG Görlitz vom 24. Juni 2024
Das LG Görlitz hatte in einem ähnlichen Fall den Durchsuchungsbeschluss zu bewerten. Bei dem Beschuldigten wurde eine Durchsuchung der Wohnung sowie Nebenräume und der Fahrzeuge angeordnet. Dabei sollte nach Computern und anderweitigen Speichermedien sowie nach kinder- und jugendpornografischen Schriften gesucht werden. Die vorläufige Sicherstellung solcher Gegenstände zum Zwecke der Durchsicht wurde angeordnet.
Bei diesem Durchsuchungsbeschluss lagen ebenfalls die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor. Gegen den Beschuldigten bestand der Verdacht der Drittbesitzverschaffung und des Besitzes jugendpornografischer Inhalte gem. § 184c StGB. Der Beschuldigte und eine andere Person haben sich in einem Chat darüber ausgetauscht, dass sie „auf junge weibliche Personen stehen und Bilder tauschen wollen, die solche Personen in einer Weise darstellen, dass sie zu einer sexuellen Stimulation geeignet sind". Das Gericht entschied, dass diese Aussage gänzlich offenlässt, ob diese Personen unter 18 Jahre alt bzw. jung sein müssen. Zudem wurde durch den Beschuldigten wohl mutmaßlich vor zwei Jahren ein Bild versendet welches strafbar war, weil dort ein jugendpornografischer Inhalt zu sehen war.
Bei der Abwägung, ob eine Dursuchung angeordnet werden soll, muss immer die Schwere des Tatverdachts in Relation zur Schwere des Eingriffs in den grundrechtlich geschützten Raum des Beschuldigte gesetzt werden. Vorliegend lag schwerlich überhaupt ein Anfangsverdacht vor. Der Durchsuchungsbeschluss ordnete auch die Beschlagnahme technischer Geräte und Datenträger an. Demnach wurde nicht nur die Unverletzlichkeit der Wohnung, sondern auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Beschuldigten verletzt. Auf den technische Geräten haben heutzutage die meisten Menschen einen Großteil ihrer (intimsten) Kommunikation oder auch Selbstreflexion. Dieser Umstand muss bei der Verhältnismäßigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses besonders beachtet werden. Dies wurde vorliegend nicht eingehalten, sodass der Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig war.
Was folgt daraus?
Die beiden Beschlüsse verdeutlichen, dass auch von Richtern angeordnete Dursuchungsbeschlüsse rechtswidrig sein können.
Sollte bei Ihnen eine Hausdurchsuchung vorgenommen worden sein, dann sollten Sie diese auf jeden Fall durch einen erfahrenen Strafverteidiger überprüfen lassen. Dieser kann beispielsweise eine Beschwerde gegen die Dursuchungsanordnung einlegen oder die Unverwertbarkeit von tatsächlich aufgefundenen Beweismitteln geltend machen.
ACHTUNG: Stimmen Sie einer Durchsuchung niemals zu! Die Zustimmung macht sogar an sich rechtswidrige Durchsuchungen rechtmäßig, weil Sie mit der Einwilligung auf den entsprechenden Grundrechtsschutz verzichten. Sie dulden die Durchsuchung, aber stimmen nicht zu. Geben Sie keine PIN / Paßwörter an die Polizei heraus, egal, welche Vorteile Ihnen die Polizisten dadurch vorspiegeln.
Rechtsanwalt Urbanzyk mit Kanzleisitz in Coesfeld (bei Dülmen, Stadtlohn, Rheine) prüft als Fachanwalt für Strafrecht in jedem seiner Mandate die Rechtmäßigkeit der richterlichen Durchsuchungsanordnung. Sollten Sie also der Meinung sein ihre Hausdurchsuchung war rechtswidrig, dann kontaktieren Sie mich. Ich verschaffe Ihnen schnelle Akteneinsicht und überprüfe für Sie, ob die Durchsuchung tatsächlich rechtswidrig war und welche rechtliche Schritte eingeleitete werden müssen. Die Behörden müssen hinreichende Anhaltspunkte haben, welche einen Anfangsverdacht gegen Sie begründen und können nicht aufgrund bloßer Vermutungen bei Ihnen eine Durchsuchung anordnen. Selbst wenn dann doch der Anfangsverdacht bestand, macht dies am Ende des Verfahrens noch längst keine Verurteilung.
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