Eigenheim gegen Pflege auf Lebenszeit

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Wer seine Pflege absichern und möglichst lang im eigenen Haus verbleiben will, trifft mit nahen Angehörigen oft die Vereinbarung, dass lebenslange Pflege gegen Übertragung des selbst genutzten Wohnhauses erfolgt. 

Eine Wette auf Zeit, denn niemand kann sicher prognostizieren, ob die Pflege über mehr als eine Dekade sich für die pflegende Person noch rechnet oder ihr nach nur kurzer Pflegedauer einen erheblichen Vermögensvorteil beschert. Mit letzterer Variante hatte sich das Oberlandesgericht Frankfurt im Mai 2019 zu befassen.

Wie sieht eine Vereinbarung „Pflege gegen Haus“ konkret aus?

Ich empfehle beiden Seiten eine eindeutige Klärung der Leistungspflichten, wobei eine Grundstücks-übertragung der anschließenden notariellen Beurkundung der Vereinbarung bedarf. 

Allein die Zusage, im Testament mit dem Haus bedacht zu werden, sollte demjenigen, der die Pflegeverpflichtung übernimmt, nicht ausreichen. Das gilt auch, wenn ihm das Testament, in dem er bedacht wird, vorgelegt und ihm eine Kopie übergeben wird. 

Denn das Testament, auch das notarielle, kann zu jedem späteren Zeitpunkt, also schon am nächsten Tag, durch ein neues Testament ersetzt werden, das dann allein gilt. So hat in dem Fall, den das OLG Frankfurt zu entscheiden hatte, der 74 -jährige Eigentümer eines Anwesens mit Hof- und Gebäudefläche nebst Ackerland mit seiner Nichte einen notariellen Kaufvertrag über seinen Grundbesitz geschlossen, wobei der Kaufpreis unter Berücksichtigung der übernommenen Pflegeverpflichtung gebildet wurde.

Weshalb kam es zum Streit mit der Nichte?

Nur knapp drei Wochen nach Abschluss des Kaufvertrages verstarb der Eigentümer, der keine eigenen Kinder, aber drei noch lebende Geschwister hatte, die folglich seine gesetzlichen Erben wurden. Diese wollten sich mit der erfolgten Eigentumsübertragung auf die Nichte des Erblassers nicht einverstanden geben. 

Sie unterzogen den Kaufvertrag einer genaueren Überprüfung, wonach der Kaufpreis unter anderem unter Berücksichtigung eines für den Verkäufer einzutragenden Wohnrechts (kapitalisiert 21.666 Euro) und der Übernahme von Pflegeleistungen (kapitalisiert 20.563 Euro) gebildet wurde. 

Die Nichte verpflichtete sich, in Absprache mit dem Erblasser, seine Pflege im häuslichen Bereich zu übernehmen, solange dies für sie möglich und zumutbar wäre. Den am Ende ausgewiesenen Kaufpreis von 10.000 Euro zahlte sie unmittelbar nach Vertragsschluss.

Wie sollte der Vertrag angegriffen werden?

Die Schwester des Erblassers war der Ansicht, der notarielle Vertrag sei im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung so zu verstehen, dass die Nichte zur Erstattung der kapitalisierten Werte für das Wohnrecht und die nicht erbrachten Pflegeleistungen verpflichtet sei und verlangte von ihr Zahlung von 42.229 Euro an die Erbengemeinschaft. 

Denn es liege eine Regelungslücke vor, weil die Vertragsparteien in dem Vertragstext an keiner Stelle zum Ausdruck gebracht hätten, wie verfahren werden solle, wenn kurz nach Vertragsschluss bereits der Todesfall des Hauseigentümers einträte. Sein Interesse sei in erster Linie gewesen, seine Pflege bei Krankheit im häuslichen Bereich sowie die lebenslange Nutzung der Wohnräume im Erdgeschoss zu sichern. 

Den letztlich eingetretenen Fall hätten die Vertragsparteien nicht berücksichtigt und seien stattdessen von einer längeren Pflege und Wohnungsdauer ausgegangen. Nach der Sterbetafel hätte der Erblasser auch mindestens noch 11,21 Jahre durchschnittliche Lebenserwartung gehabt. Das Oberlandesgericht Frankfurt gelangte jedoch zu dem Ergebnis, das keine Rede von einer Lücke im Kaufvertrag sein kann. 

Im Zeitpunkt des Abschluss des Kaufvertrages hätte auf beiden Seiten Ungewissheit darüber bestanden, wie lange der Verkäufer noch leben und insbesondere ob er überhaupt pflegebedürftig werden würde. Die Nichte wiederum sei das Risiko eingegangen, dass sie über einen sehr langen Zeitraum den sich aus dem Vertrag ergebenden Pflegeverpflichtungen nachzukommen hätte. 

Nach Auffassung der Frankfurter Richter war kein Grund ersichtlich, weshalb im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eingegriffen werden müsse, weil sich das beschriebene Risiko des Erblassers zu einem sehr frühen Zeitpunkt verwirklicht hat. 

Der Vollständigkeit halber fügte das Oberlandesgericht hinzu, dass auch im umgekehrten Fall, also wenn die Nichte für einen Zeitraum von beispielsweise 20 Jahren hätte pflegen müssen, kein Anlass für eine ergänzende Vertragsauslegung bestanden hätte.

Fazit: Pflege und Beistand bis ans Lebensende können zu einer großen Herausforderung für beide Seiten, den Pflegenden einerseits und den späteren Erblasser andererseits, werden. Die gegenseitige Absicherung bedarf einer soliden vertraglichen Grundlage.


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