Eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige kann noch nach dem Erscheinen des Prüfers erfolgen

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Hat der Steuerpflichtige Steuern nur leichtfertig verkürzt, reicht es für die Annahme einer bußgeldbefreienden Selbstanzeige aus, dass sich der Steuerpflichte beim Erscheinen des Prüfers kooperativ zeigt und diesem alle Unterlagen zur Verfügung stellt, meint das Oberlandesgericht Karlsruhe.

Die Abgabenordnung unterscheidet zwischen einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung, bei der eine Selbstanzeige eine Strafbefreiung ermöglicht und einer leichtfertigen Steuerhinterziehung, bei der eine Selbstanzeige eine Bußgeldbefreiung ermöglicht. Manche Stimmen in der Literatur und ein Teil der Rechtsprechung möchten eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige nur in den gleichen engen Grenzen zulassen, wie eine strafbefreiende Selbstanzeige. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist da ein klein wenig großzügiger:

Ein Zahnarzt erklärte in seiner Einkommensteuererklärung einen Gewinn in Höhe von 105.919,94 DM. Der Anteil aus privaten Liquidationen lag bei 79.030,68 DM. Weitere Einkünfte in Höhe von 26.593,93 DM aus Privatliquidationen gab er nicht an. Dadurch wurden im Bescheid 8.234,00 DM zu wenig Steuern angesetzt. Die nicht verbuchten Einnahmen beruhen darauf, dass der Zahnarzt Rechnungsbeträge für Privatpatienten insoweit nicht als Einnahme verbuchte, als es sich um gesondert in Rechnung gestellte Laborkosten handelte. Der Zahnarzt war in dieser Weise seit 1981 verfahren, obwohl er den Privatpatienten die Beträge in voller Höhe selbst in Rechnung gestellt und auch die entsprechenden Laborkosten als Betriebsausgaben in Abzug gebracht hatte.

Als ein Prüfer erschien, stellte der Zahnarzt ihm alle Unterlagen zur Verfügung. Der Prüfer bemerkte die Steuerverkürzung; der Zahnarzt erklärte sein früheres Verhalten und erkannte das Prüfungsergebnis an. Das Amtsgericht Freiburg verurteilte den Zahnarzt am 9.6.1995 wegen leichtfertiger Steuerverkürzung zu einer Geldbuße in Höhe von 1.450,-- DM. Eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige konnte das Amtsgericht im Verhalten des Zahnarztes nicht erkennen.

Nicht so das Oberlandesgericht Karlsruhe:

Die Grundsätze, die für eine strafbefreiende Selbstanzeige nach einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung angewendet werden, können nicht entsprechend auf eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige nach einer nur leichtfertigen Steuerhinterziehung angewendet werden. In Fällen der leichtfertigen Steuerverkürzung sei der Steuerpflichtige in der Regel gutgläubig und erlange von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit seiner Angaben häufig erst durch die Prüfung der Finanzbehörde Kenntnis. Bis zu diesem Zeitpunkt wird er somit keinen Anlass haben, aufklärende Tätigkeiten zu entfalten.

Im vorliegenden Fall habe der Zahnarzt dem Prüfer sämtliche relevanten Unterlagen bereits zur Verfügung gestellt und der Prüfer den Umfang der Steuerverkürzung bereits ermittelt, als er den Zahnarzt auf seinen Buchführungsfehler hinwies. Hiervon ausgehend hatte der Zahnarzt somit überhaupt keine Möglichkeit mehr, zusätzliche Aufklärungsbeiträge zu leisten, sondern konnte lediglich den Grund für sein früheres Verhalten erklären und das Prüfungsergebnis anerkennen. Dies muss für eine befreiende Selbstanzeige jedoch reichen.

(Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe; Beschluss vom 30.11.1995; 2 Ss 158/95

Vorinstanz: Amtsgericht Freiburg; Urteil vom 09.06.1995)


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