Einfluss des islamischen Rechts auf deutsche Gerichtsentscheidungen (Islamisches Eherecht, Erbrecht, Morgengabe, Mahr)
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In Deutschland gelten die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) für Eheschließungen und Scheidungen. Durch die kulturelle Vielfalt gibt es jedoch vermehrt Fälle, in denen Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen heiraten.
Viele Muslime wollen neben der standesamtlichen Eheschließung auch islamische Traditionen und Verträge, wie etwa die Morgengabe (Mahr), in ihre Ehe einbringen.
Das führt zu neuen Fragen im deutschen Recht.
Im Islam ist die Ehe ein Vertrag, der klare Regeln für die Pflichten und Rechte der Ehepartner festlegt. Islamische Eheverträge enthalten oft Elemente, die in Deutschland ungewohnt sind. Eine große Herausforderung ist, das islamische Ehe- und Familienrecht mit dem deutschen Recht in Einklang zu bringen – besonders bei Scheidungen oder Fragen des Unterhalts. Deutsche Gerichte, wie der Bundesgerichtshof (BGH), haben sich in einigen Entscheidungen mit diesen Fragen beschäftigt.
Das Verhältnis zwischen Scharia und deutschem Recht
Das islamische Recht, die Scharia, unterscheidet zwischen religiösen Vorschriften und rechtlichen Regeln. Religiöse Vorschriften, wie Beten oder Fasten, betreffen das Verhältnis des Menschen zu Gott und fallen in Deutschland unter die Religionsfreiheit. Das bedeutet, dass Muslime diese Vorschriften frei ausüben dürfen.
Anders sieht es bei den rechtlichen Vorschriften der Scharia aus, also bei den Regeln, die das Verhalten der Menschen untereinander betreffen, etwa im Vertrags-, Familien- oder Strafrecht. In Deutschland gilt hier der sogenannte „ordre public“-Vorbehalt:
Deutsche Gerichte können diese Regeln nur dann anwenden, wenn sie nicht gegen die Grundrechte oder die deutsche Rechtsordnung verstoßen. Wenn also ein Ergebnis gegen zentrale Werte des deutschen Rechts steht, darf die Scharia in diesem Punkt nicht angewendet werden.
In Deutschland ist eine Ehe nur dann rechtsgültig, wenn sie standesamtlich geschlossen wird. Die Ehepartner müssen volljährig sein oder – in seltenen Fällen – ab 16 Jahren eine gerichtliche Genehmigung erhalten. Eine rein religiöse Eheschließung, wie sie etwa in einer Moschee durchgeführt wird, hat keine rechtliche Wirkung, wenn sie nicht durch eine standesamtliche Trauung ergänzt wird.
Im Islam wird die Ehe als Vertrag angesehen, bei dem bestimmte Rechte und Pflichten festgelegt werden. Ein wichtiger Teil dieses Vertrags ist die Morgengabe (Mahr), eine finanzielle Absicherung für die Frau, die bei Scheidung oder Tod des Mannes ausgezahlt werden soll. Die Ehe gilt im Islam als geschlossen, wenn die Morgengabe festgelegt ist und Zeugen anwesend sind. In Deutschland ist diese religiöse Eheschließung jedoch nur dann rechtsgültig, wenn sie zusätzlich standesamtlich erfolgt.
Die Morgengabe (Mahr) ist ein wichtiges Element im islamischen Ehevertrag. Sie besteht meist aus einem sofortigen Teil, der bei Eheschließung gezahlt wird, und einem aufgeschobenen Teil, der bei Scheidung oder Tod des Mannes fällig wird. Diese finanzielle Absicherung ist in der deutschen Ehepraxis ungewohnt und stellt die Gerichte vor Herausforderungen, da sie weder im BGB geregelt ist noch allgemein üblich.
Die Frage, ob die Morgengabe als vertragliche Verpflichtung durchgesetzt werden kann, hängt davon ab, ob sie im Einklang mit deutschem Recht steht. Deutsche Gerichte prüfen, ob die Morgengabe mit der Gleichberechtigung und dem Schutz der Frau vereinbar ist. Grundsätzlich ist es möglich, die Morgengabe in Deutschland anzuerkennen, jedoch darf sie die Frau nicht benachteiligen oder zu einer ungerechten Behandlung führen.
Der BGH entschied am 14. März 2012 (Az.: XII ZR 76/10), dass die Morgengabe als Teil des Ehevertrags anerkannt werden kann, wenn sie die Rechte der Frau nicht benachteiligt und keine unfaire Behandlung darstellt.
Der BGH stellte am 22. November 2000 (Az.: XII ZR 279/97) in einem anderen Urteil fest, dass die Morgengabe grundsätzlich durchgesetzt werden kann, jedoch nicht gegen die Grundsätze der deutschen Rechtsordnung verstoßen darf. In Fällen, bei denen die Höhe der Morgengabe extrem hoch ist oder die Regelungen unfair erscheinen, kann die Forderung abgelehnt werden.
Die Talaq-Scheidung ist eine Scheidungsform im Islam, bei der der Mann die Ehe einseitig auflösen kann. Im deutschen Recht gibt es diese Möglichkeit nicht, da Scheidungen hier nur durch ein Gericht erfolgen. Der BGH entschied 1980, dass die Talaq-Scheidung nicht anerkannt werden kann, da sie gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung verstößt. In einem späteren Fall von 2017 erkannte der BGH jedoch an, dass die Talaq-Scheidung unter bestimmten Umständen gültig sein kann, wenn beide Parteien freiwillig zustimmen und die Frau nicht benachteiligt wird.
Islamische Eheverträge enthalten oft Regelungen zu Unterhalt, Sorgerecht und Vermögensverteilung. Die deutschen Gerichte prüfen solche Verträge immer auf ihre Vereinbarkeit mit den deutschen Rechtsprinzipien. Wenn ein Ehevertrag die Frau benachteiligt, ist er in Deutschland unwirksam.
In einem Fall, in dem ein islamischer Ehevertrag das Vermögen einseitig zugunsten des Mannes regelte, erklärte der BGH (Az.: XII ZR 162/12) diesen Vertrag für unwirksam. Der BGH betonte, dass Verträge, die die Gleichberechtigung verletzen, nicht anerkannt werden können.
Ehen, die im Ausland – besonders in islamischen Ländern – geschlossen wurden, können in Deutschland unter bestimmten Bedingungen anerkannt werden. Ein Urteil des BGH von 2002 besagt, dass ausländische Eheschließungen nur anerkannt werden, wenn sie grundlegende deutsche Werte wie Monogamie und Freiwilligkeit respektieren.
Zum Schluss möchte ich über einen Fall schreibe, der nicht nur die Anwendung des deutschen Scheidungsrechts betrifft, sondern auch wichtige Fragen zu Religion, Kultur und dem deutschen Rechtsverständnis aufwirft. Dieser Fall, der vor einigen Jahren vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main verhandelt wurde, zeigt, wie eine Interpretation islamischer Texte durch eine deutsche Richterin zu einem umstrittenen Urteil führen kann.
Es geht um den Versuch einer deutschen Staatsangehörigen, sich von ihrem marokkanischen Ehemann scheiden zu lassen, und die besondere Begründung der Richterin, die diesen Antrag ablehnte.
In diesem Fall stellte die Klägerin einen Scheidungsantrag und beantragte Prozesskostenhilfe. Die Ehe war nach Angaben der Frau durch Belastungen gekennzeichnet, die in ihren Augen eine sofortige Scheidung erforderlich machten. Nach deutschem Recht wird ein Trennungsjahr vor der endgültigen Scheidung vorgeschrieben – es sei denn, es liegt ein Härtefall vor, der eine sofortige Beendigung der Ehe nötig macht. Solche Härtefälle umfassen Fälle von körperlicher oder psychischer Gewalt, die das Zusammenleben für einen der Ehepartner unzumutbar machen.
Die Richterin in Frankfurt wies den Antrag jedoch ab. Ihre Begründung: Nach ihrer Einschätzung liege kein Härtefall vor, da der Koran nach ihrer Interpretation dem Ehemann das Recht einräume, seine Frau zu „züchtigen“, und die religiöse, praktizierende muslimische Ehefrau den Koran uneingeschränkt akzeptiere.
Die Richterin argumentierte, dass die Ehefrau durch die Heirat mit einem marokkanischen Mann und die damit einhergehende religiöse und kulturelle Tradition dieses Züchtigungsgebot „akzeptiert“ habe.
Die Deutsche Islamkonferenz griff diesen Fall auf und stellte klar, dass das deutsche Recht keine religiösen Vorschriften oder Traditionen über das Gesetz stellt.
Vor allem verdeutlicht er, dass deutsche Richter, die über internationale oder interkulturelle Fälle entscheiden, eine präzise und unvoreingenommene Kenntnis der Rechtslage benötigen. Nur so kann die Würde des Menschen – unabhängig von seiner Herkunft oder Religion – geschützt werden.
Der Islam beeinflusst deutsche Gerichtsentscheidungen in Bereichen wie Eherecht, Scheidungsrecht und Erbrecht, jedoch immer im Rahmen der deutschen Rechtsprinzipien. Deutsche Gerichte können islamische Rechtsnormen anerkennen, wenn sie die Grundsätze des deutschen Rechts – wie Gleichberechtigung, Menschenwürde und Schutz der persönlichen Freiheit – nicht verletzen. Durch den ordre-public-Vorbehalt stellt das deutsche Recht sicher, dass islamische Rechtsnormen nur dann angewendet werden, wenn sie mit der deutschen Verfassungsordnung vereinbar sind.
Arabisch:
يؤثر الإسلام على القرارات القضائية الألمانية في مجالات مثل قانون الزواج، قانون الطلاق، وقانون الميراث، ولكن دائماً ضمن إطار المبادئ القانونية الألمانية. يمكن للمحاكم الألمانية أن تعترف بالأحكام الشرعية الإسلامية، شريطة ألا تنتهك المبادئ الأساسية للقانون الألماني، مثل المساواة، كرامة الإنسان، وحماية الحرية الشخصية. من خلال شرط النظام العام (ordre public)، يضمن القانون الألماني تطبيق الأحكام الإسلامية فقط عندما تكون متوافقة مع النظام الدستوري الألماني.
Türkisch:
İslam, Almanya’da evlilik hukuku, boşanma hukuku ve miras hukuku gibi alanlarda mahkeme kararlarını etkileyebilir; ancak her zaman Alman hukuk ilkeleri çerçevesinde kalır. Alman mahkemeleri, eşitlik, insan onuru ve kişisel özgürlüğün korunması gibi Alman hukukunun temel ilkelerine aykırı olmadıkça, İslam hukukunun normlarını tanıyabilir. Kamu düzeni şartıyla Alman hukuku, İslam hukuku kurallarının yalnızca Alman anayasal düzeniyle uyumlu oldukları takdirde uygulanmasını güvence altına alır.

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