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Entschädigung für überlange Verfahrensdauer kommt per Gesetz

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Christian Günther anwalt.de-Redaktion

[image]Wer zu lange auf Gerichtsentscheidungen wartet, soll künftig per Gesetz pauschal 1200 Euro pro Jahr Verzögerung bekommen. Das Geld ist zum einen als Schmerzensgeld für strapazierte Nerven gedacht. Zum anderen soll es für die Fälle entschädigen, dass während einer überlangen Verfahrensdauer der Prozessgegner insolvent geht. Der Anspruch ergänzt eventuelle Amtshaftungsansprüche wegen richterlicher Fehler, erfordert aber keinen Verschuldensnachweis und ist nicht auf Vermögensschäden beschränkt.

Automatische Entschädigung gibt es aber nicht. Zunächst ist die Verzögerung bei dem betreffenden Gericht zu rügen. Die Richter können das Verfahren dann noch rechtzeitig beenden. Anderenfalls ist als zweiter Schritt nach einer Wartezeit von sechs Monaten eine Entschädigungsklage beim Oberlandesgericht beziehungsweise beim Bundesgerichtshof zu erheben. Um den Beschleunigungszweck nicht zu gefährden, ist eine weitere Verzögerungsrüge ebenso erst wieder nach sechs Monaten zulässig. Dem Gericht auf diese Weise Druck zu machen, geht also nicht. Zu beachten ist, dass eine Verzögerung aus eigener mangelnder Mitwirkung am Prozess die Erfolgschancen schmälert. Die eigentliche Frage, wann überhaupt eine unangemessen lange Verfahrensdauer vorliegt, beantwortet das neue Gesetz nicht. Dies soll einzelfallbezogen entschieden werden.

Das Gesetz soll eine bereits seit 2006 bestehende Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nach einem Rechtsbehelf verwirklichen. In acht von zehn Verfahren gegen die Bundesrepublik vor dem EGMR ging es um zu lange Verfahrensdauern. Mehr als 120 Urteile ergingen deshalb bereits. In einem Fall ging es um eine Verfahrensdauer von mehr als 18 Jahren. Selbst das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wurde vom EGMR schon wegen eines sechs Jahre dauernden Verfahrens gerügt. Mancher dürfte sich darüber hämisch gefreut haben, tadelt das BVerfG doch selbst gelegentlich einige deutsche Gerichte wegen ihrer Gemächlichkeit.

Um nicht den Eindruck außerordentlicher Langsamkeit deutscher Gerichte zu erwecken, sei gesagt, dass es bei den Finanzgerichten durchschnittlich anderthalb Jahre vom Klageeingang bis zur Entscheidung dauert. Danach folgen die Verwaltungsgerichte mit knapp 11 Monaten. Bei Landgerichten sind es im Durchschnitt etwas mehr als 8 Monate, die Amtsgerichte brauchen knapp 5 Monate bis zum Verfahrensabschluss. Im internationalen Vergleich steht Deutschland damit nicht schlecht da.

Ob die Schaffung des neuen Rechtsbehelfs überlange Verfahren verkürzen wird, muss sich zeigen. Unbestritten werden damit mehr Ressourcen der Gerichte gebunden. Die mitursächliche unzureichende Ausstattung beseitigt das Gesetz allenfalls indirekt durch vermehrte Rufe nach Verbesserung aus den Gerichten selbst. Zumindest aber werden die Folgen überlanger Verfahren finanziell einigermaßen ausgeglichen. Das Gesetz tritt in Kürze in Kraft.

(GUE)

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