Erbrecht und digitales Zeitalter: Wie Sie sicherstellen, dass Ihr digitaler Nachlass in Ihrem Sinn behandelt wird
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Zusammenfassung:
Wer soziale Netzwerke und digitale Cloud-Dienste nutzt, per E-Mail oder Messenger kommuniziert oder Fotos bei Facebook, Instagram oder sonstigen Cloud-Diensten speichert, Fitnessarmbänder oder – ringe trägt oder die Möglichkeiten nutzt, mit seinem Zuhause von unterwegs in Kontakt zu treten, hinterlässt eine Menge digitaler Spuren.
Und alle im Zusammenhang mit der Nutzung gespeicherten Daten verbleiben auch nach dem Tod eines Kunden oder Users bei dem jeweiligen Anbieter.
Daher ist es für alle Nutzer ratsam, auch diese Daten zu berücksichtigen, wenn sie Regelungen für die Zeit nach ihrem Ableben treffen wollen. Denn nach dem Tod des Nutzers stellt sich die Frage, ob, durch wen und unter welchen Voraussetzungen auf diese vernetzten Daten zugegriffen werden kann.
Lesen Sie hier, wie Sie Ihren Erben Schwierigkeiten beim Zugriff auf Ihre Daten ersparen.
Problem Nummer eins: Der Zeitfaktor
Für die Erben bleibt die Schnelligkeit das Gebot der Stunde: Der digitale Bestand des Erblassers muss schnell und umfassend gesichert werden, um etwaigen nachteiligen Maßnahmen des Providers zuvorzukommen.
Auch die sechswöchige Ausschlagungsfrist ist ein Problem: Wenn Ihre Erben keine Informationen über den Bestand Ihres auch digitalen Nachlasses haben, können sie binnen der Frist kaum entscheiden, ob sie das Erbe annehmen oder ausschlagen sollen.
Problem Nummer zwei: Zugangserschwerungen seitens der Provider
Oft wird es den Hinterbliebenen auch erschwert bis unmöglich gemacht, geerbte Rechte und Pflichten gegenüber den Providern geltend zu machen.
Das sogenannte Facebook- Urteil des Bundesgerichtshofs vom Juli 2018 zum digitalen Nachlass
Der Hintergrund dieses Urteils ist traurig: Eine 15-jährige Facebook-Nutzerin hatte Selbstmord begangen. Die Eltern hatten vergebens versucht, von Facebook Zugang zum Nutzerkonto zu bekommen, um aus den Posts ihrer Tochter etwas über die Hintergründe des Selbstmords zu erfahren.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt, dass digitale Daten ebenso zum Nachlass gehören, wie körperliche Daten, z.B. in Briefen, Tagebüchern, Terminkalendern Adressbüchern oder anderen Unterlagen des Erblassers. Es wurde der Begriff „digitaler Nachlass“ geprägt und festgestellt, dass die Rechte an digitalen Daten (ebenso wie die damit verbundenen Pflichten) ebenso auf die Erben übergehen wie die Rechte (und Pflichten) an körperlichen Nachlassgegenständen.
Der BGH räumte dabei dem Erbrecht Vorrang ein vor dem Datenschutz und insbesondere vor den Vertraulichkeitsinteressen von Nutzern digitaler Netzwerke, in diesem Fall Facebook. Der digitale Nachlass, so der BGH, umfasse die Gesamtheit der Rechtsverhältnisse des Erblassers betreffend informationsrechtliche Systeme einschließlich des gesamten elektronischen Datenbestands.
Im Kern enthält das Urteil folgende Aussagen:
1. Der Nutzungsvertrag geht mit allen Rechten und Pflichten auf den Erben über.
2. Es ist zwar möglich, die Vererblichkeit eines Nutzerkontos auszuschließen, aber das war in den Nutzungsbedingungen von Facebook nicht der Fall.
(BGH, Urteil v. 12.07.2018, Az. III ZR 183/17; ZEV 2018, 582)
Wie Sie eine Behandlung Ihres digitalen Nachlasses in Ihrem Sinne sicherstellen
Bevor Sie einen Nutzungsvertrag schließen, überprüfen Sie die vertraglichen Regelungen zum Schicksal Ihrer Daten nach Ihrem Ableben.
Wichtig: Darf der Nachlasskontakt (Ihre Erben oder eine von Ihnen bevollmächtigte Person) Nachrichten des Verstorbenen, also Ihre Nachrichten, lesen?
Und: Sind gekaufte Inhalte, d.h. Filme, Musik und E-Books übertragbar?
Falls über die Behandlung Ihrer Daten im Todesfall in dem Vertrag nichts geregelt ist oder falls Ihren Erben der Zugang zu Ihren Nachrichten stark erschwert wird, z. B., weil ein Erbschein und womöglich noch eine amtlich beglaubigte englische Übersetzung gefordert wird:
Stellen Sie sicher, dass Ihre Erben oder eine von Ihnen bevollmächtigte Person einen unkomplizierten Zugang zu Ihren Konten haben!
Checkliste
1. Machen Sie eine Aufstellung über Ihren digitalen Bestand mit allen Zugangsdaten (Nutzernamen, Passwörter etc.).
2. Geben Sie diese einer Vertrauensperson oder einem Notar mit Anweisungen für den Erb- und Vorsorgefall. Oder wählen Sie einen anderen sicheren Ort zur Hinterlegung Ihrer Liste.
3. Regeln Sie den Umgang mit Ihren Daten auch testamentarisch. Empfohlen wird die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers, der die Belange Ihres digitalen Nachlasses in Ihrem Sinn regelt.
4. Auch in einer Vorsorge-Vollmacht sollten Regelungen zu digitalen Inhalten enthalten sein. Wichtig: Die Vorsorge-Vollmacht sollte transmortal sein, also auch für die Zeit nach Ihrem Ableben gelten.
Die Reichweite der Rechtsprechung des BGH und das Urteil gegen Apple
Die Rechtsprechung des BGH gilt allerdings nicht weltweit, sondern nur in Deutschland und in der EU. Offen ist nach wie vor, ob und wie die „Global Player“ an die Rechtsprechung des BGH gebunden sind.
Hierzu hat das Landgericht Münster im Anschluss an den BGH ein Versäumnis-Urteil gegen Apple erlassen:
Hintergrund des Urteils war der Tod eines Familienvaters bei einem Autounfall. Seine Erben hatten von Apple vergebens den Zugang zu seinem Nutzerkonto gefordert. Das LG Münster war mit den Klägern der Auffassung, dass das Urteil des BGH auch auf andere Provider mit Sitz in der EU übertragbar sei. Verklagt worden war eine Tochtergesellschaft von Apple mit Sitz in Irland
(LG Münster, VU v. 24.04.2019, Az. 014 O 565/18).
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