Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen
- 6 Minuten Lesezeit
- Seit Juli 2016 gilt das neue Erbschaftsteuerrecht für Unternehmensvermögen
- Die Ermittlung der Erbschaftsteuer ist um einiges komplexer geworden
- Beim vererbten Vermögen wird genauer geschaut, welchen Zwecken es dient
- Allerdings sieht das reformierte Steuerrecht auch einige neue Verschonungsmöglichkeiten vor
Die Reform wurde notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht die alten Regeln vor drei Jahren zum Teil für verfassungswidrig erklärt hatte. Die bisherige Besteuerung von Unternehmensvermögen war im Vergleich zu der von Privatvermögen unverhältnismäßig. Die Verfassungsrichter verlangten eine Neuregelung, die Betriebsvermögen gerecht besteuert. Danach gelten jetzt folgende Regeln:
Begünstigtes Vermögen
Statt allein auf das nicht produktive Verwaltungsvermögen abzustellen, unterscheiden die neuen Regeln genauer zwischen begünstigtem und nicht begünstigtem Vermögen. Vorbei ist es nun mit dem Alles-oder-nichts-Prinzip. Danach schlug die Erbschaftsteuer ab einem Verwaltungsvermögen von mehr als 50 Prozent zu und darunter nicht. Jetzt soll tatsächlich nur das begünstigte Vermögen erbschaftsteuerrechtliche Vorteile genießen. Begünstigtes und nicht begünstigtes Vermögen ermittelt sich wie folgt:
Begünstigungsfähiges Vermögen
Wie bisher ist zunächst der gemeine Wert des begünstigungsfähigen Vermögens zu ermitteln. Laut § 13b Abs. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) gehört dazu:
- land- und forstwirtschaftliches Vermögen,
- inländisches Betriebsvermögen,
- Beteiligungen an gewerblich tätigen oder geprägten Personengesellschaften und Anteile an Kapitalgesellschaften, bei denen die Beteiligungshöhe mehr als 25 Prozent beträgt.
Mehrere Gesellschaften
Beim Erbe von Vermögen mehrerer Gesellschaften wird nun deren gesamtes Vermögen betrachtet. Damit lässt sich die Erbschaftsteuer nicht mehr durch das Übertragen von Vermögen zwischen den Gesellschaften vermeiden.
Verwaltungsvermögen
Vom Wert des begünstigungsfähigen Vermögens sind der Nettowert des Verwaltungsvermögens, anteilige Schulden abzuziehen und unschädliches Verwaltungsvermögen hinzuzurechnen, um das begünstigte Vermögen zu ermitteln. Was zum Verwaltungsvermögen gehört, bestimmt § 13b Abs. 4 ErbStG. Es umfasst neben vielem mehr z. B. Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Kunstgegenstände und Wertpapiere. Folgende Änderungen sind hervorzuheben:
Finanzmittel, Grundstücksüberlassung, private Gegenstände
- Ermittlung der begünstigten Finanzmittel,
- Von den Finanzmitteln wie Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben und Geldforderungen gehören nun bis zu 15 Prozent des Werts des Betriebsvermögens zum steuerlich begünstigten Vermögen, damit das Unternehmen liquide bleibt.
- Nicht dazu zählen jedoch sogenannte junge Finanzmittel, die dem Betrieb ab dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaftsteuer entstand, weniger als zwei Jahre zuzurechnen waren. Sie gehören stets zum nicht begünstigten, voll besteuerten Verwaltungsvermögen. Das soll kurzfristige Vermögensübertragungen verhindern, um die 15-prozentige Freigrenze auszuschöpfen.
- die Grundstücksüberlassung zum Zwecke der Absatzsteigerung
- Eine solche Überlassung zählt, weil sie dem Betrieb dient, ausnahmsweise nicht zum Verwaltungsvermögen.
- und die Ausweitung von Vermögensgegenständen zur privaten Lebensführung
- Neu ist insofern der Verweis auf Briefmarkensammlungen, Oldtimer, Jachten, Segelflugzeuge und sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände. Sie zählen zum Verwaltungsvermögen.
Betriebliche Altersvorsorge
Kein Verwaltungsvermögen mehr ist nun Vermögen, das ausschließlich und dauerhaft der Absicherung von Altersvorsorgeverpflichtungen dient.
Schulden
Auch Schulden sind nun vom Wert des Verwaltungsvermögens anteilig abzuziehen. Der Anteil bemisst sich nach dem Verhältnis vom begünstigungsfähigen Vermögen zum Verwaltungsvermögen.
Unschädliches Verwaltungsvermögen
Vom so ermittelten Nettowert des Verwaltungsvermögens ist sogenanntes unschädliches Verwaltungsvermögen abzuziehen. Das unschädliche Verwaltungsvermögen soll eine Reserve darstellen, die jedes Unternehmen benötigt, um finanziell flexibel zu sein. Anzusetzen ist dafür ein Pauschalbetrag in Höhe von 10 Prozent des Betriebsvermögens abzüglich des Nettowerts des Verwaltungsvermögens. Dieser Betrag wird insoweit steuerlich begünstigt.
Investitionen
Nicht begünstigtes Vermögen kann außerdem durch Investition in das Unternehmen innerhalb von zwei Jahren nach dem Erbfall zu begünstigtem Verwaltungsvermögen werden. Der Haken im zugrundeliegenden § 13b Abs. 5 ErbStG: Der Erblasser muss bereits entsprechende Pläne verfolgt haben.
Durch Abzug des um das unschädliche Verwaltungsvermögen verringerten Nettowerts des Verwaltungsvermögens und der anteiligen Schulden erhält man das begünstigte Vermögen.
Ausschluss bei sehr hohem Verwaltungsvermögensanteil
Neu ist ein Ausschluss von einer Begünstigung, wenn der Anteil des Verwaltungsvermögens 90 Prozent oder mehr am begünstigungsfähigen Betriebsvermögen beträgt. In diesem Fall unterliegt das geerbte Vermögen vollständig der Erbschaftsteuer. Maßgeblich ist der Wert vor Abzug des 15-prozentigen Freibetrags für Finanzmittel sowie von Schulden und unschädlichem Verwaltungsvermögen.
Vorab-Abschlag bei entsprechendem Gesellschaftsvertrag
Vor der Ermittlung der maßgeblichen Grenze für die Besteuerung gibt es noch einen ebenfalls neuen Schritt. Er sieht einen Abschlag von bis zu 30 Prozent vor. Dazu muss der Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung nach § 13a Abs. 9 ErbStG
- die Entnahme bzw. Ausschüttung von Gewinnen auf höchstens 37,5 Prozent des steuerrechtlichen Gewinns begrenzen,
- die Verfügung über die Beteiligung bzw. den Geschäftsanteil beschränken und
- eine Abfindung beim Ausscheiden unter dem Wert der Beteiligung an der Personengesellschaft oder des Anteils an der Kapitalgesellschaft vorsehen.
Liegen diese Einschränkungen nur teilweise vor, erfolgt auch nur ein anteiliger Abschlag. Diese Restriktionen müssen außerdem zwei Jahre vor dem Entstehen der Erbschaftsteuerpflicht vorliegen und bis zu 20 Jahre danach bestehen bleiben. Entsprechende Regelungen finden sich dabei häufig in Familienunternehmen.
Ermittlung der Erbschaftsteuer
Begünstigtes Vermögen bis 26 Millionen Euro
Ansonsten bleibt der Erwerb zu 85 Prozent steuerfrei, wenn das begünstigte Vermögen 26 Millionen Euro pro Erwerber nicht übersteigt – mehrere Erwerbe innerhalb von zehn Jahren werden dabei zusammengerechnet – und die von der Beschäftigtenzahl und Behaltensfrist abhängigen jährlichen Lohnsummen eingehalten werden. Maßgeblich ist die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf Jahre ab dem Entstehen der Erbschaftsteuerpflicht, also in der Regel ab dem Tod des Erblassers. Zur Lohnsumme zählen Löhne und Gehälter und andere Bezüge und Vorteile.
Neu ist die von 20 auf nur noch 5 Mitarbeiter gesenkte Beschäftigtenzahl, ab der die Lohnsummenregelung zur Steuerbefreiung zu beachten ist.
Neu bei der Beschäftigtenzahl und Ermittlung der Lohnsumme ist, dass Mitarbeiter in Mutterschutz, Elternzeit, Langzeitkranke, Auszubildende und Saisonarbeiter nicht mitzählen. Auch die Aufteilung eines Betriebs in mehrere Betriebe zur Reduzierung der Beschäftigtenzahl ist nicht mehr möglich.
Die Angaben zur Lohnsumme bedeuten im Übrigen, dass sie über die jeweilige Behaltensfrist zu erhalten ist, um Steuerfreiheit zu erlangen. Diese soll es nämlich nur beim Erhalt von Arbeitsplätzen geben.
Regelverschonung und Optionsverschonung
Wer begünstigtes Vermögen von weniger als 26 Millionen Euro erbt, kann statt der Regelverschonung unwiderruflich die sogenannte Optionsverschonung wählen. Dadurch kann es zu einer 100-Prozent-Befreiung von der Erbschaftsteuer kommen, wenn das begünstigungsfähige Vermögen nicht zu mehr als 20 Prozent aus nicht begünstigtem Verwaltungsvermögen besteht. Außerdem müssen Erwerber die oben genannten höheren Anforderungen bei der Lohnsummenregelung einhalten.
Im Einzelnen gelten dafür folgende Anforderungen:
Beschäftigte | Mindestlohnsumme Regelverschonung Behaltensfrist 5 Jahre |
0 bis 5 | keine |
6 bis 10 | 250 Prozent |
11 bis 15 | 300 Prozent |
16 und mehr | 400 Prozent |
Mindestlohnsumme Optionsverschonung Behaltensfrist 7 Jahre | |
0 bis 5 | keine |
6 bis 10 | 500 Prozent |
11 bis 15 | 565 Prozent |
16 und mehr | 700 Prozent |
Begünstigtes Vermögen ab 26 Millionen Euro
Ab einem begünstigten Vermögen von 26 Millionen Euro bis 90 Millionen pro Erwerber sieht das Steuerrecht nun die Wahl zwischen einer Verschonungsbedarfsprüfung oder einem Abschmelzungsmodell vor.
Abschmelzungsmodell
Dieses regelt § 13c ErbStG. Beim Abschmelzungsmodell verringert sich die Verschonung von der Erbschaftsteuer um jeweils 1 Prozent je 750.000 Euro, um die das begünstigte Vermögen den Wert von 26 Millionen Euro übersteigt. Danach sinkt entsprechend die Verschonung des begünstigten Vermögens von 85 Prozent bei der Regelverschonung und von 100 Prozent bei der Optionsverschonung bis auf 0 Prozent.
Verschonungsbedarfsprüfung
Die Verschonungsbedarfsprüfung ist bei Wahl des Abschmelzungsmodells ausgeschlossen. Ein Erwerber kann hier einen Steuererlass beantragen, wenn er die Erbschaftsteuer nicht aus seinem Privatvermögen begleichen kann. Einzusetzen ist auf jeden Fall die Hälfte des durch Erbschaft oder Schenkung erhaltenen Vermögens und des Vermögens, das ihm bei Entstehen der Erbschaft bereits gehört. Voraussetzung für die Gewährung einer Verschonungsbedarfsprüfung ist zudem die Einhaltung der Lohnsumme und der Behaltensfrist nach der Regelverschonung. Außerdem darf dem Erben kein weiteres Vermögen innerhalb von zehn Jahren durch Schenkung oder Erbschaft zufließen.
Begünstigtes Vermögen ab 90 Millionen Euro
Ab einem begünstigten Vermögen von 90 Millionen Euro ist keine Steuerbefreiung mehr möglich. Erben dürfen allerdings die Verschonungsbedarfsprüfung in Anspruch nehmen.
Stundungsmöglichkeit
Wer Erbschaftsteuer zahlen muss, kann sie auf Antrag bis zu sieben Jahre stunden lassen. Der erste Jahresbetrag ist zinsfrei, auf die folgenden Jahresbeträge werden jedoch 6 Prozent Zinsen fällig. Voraussetzung ist auch hier, dass die Regeln zur Beibehaltung der Lohnsumme und des Behaltens eingehalten werden.
(GUE)
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