Erschreckend enge Kumpanei im Dieselskandal - Verkehrsministerium und Autoindustrie Hand in Hand verstrickt

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Behörden wussten von illegalen Abschalteinrichtungen

Akten beweisen, dass im Dieselskandal keineswegs nur die Autohersteller Strippenzieher waren. Vielmehr zeigen die von Kraftfahrtbundesamt (KBA) und Bundesverkehrsministerium (BMVI) unfreiwillig herausgegebenen Dokumente, dass diese von den illegalen Abschalteinrichtungen in Millionen Diesel-PKW wussten. Als VW unter Druck geriet und reinen Tisch machen wollte, traf dies im Bundesverkehrsministerium auf wenig Begeisterung. Vertreter des KBA und des VW-Konzerns trafen sich zu Gesprächen. Am Ende nahm VW seine „Selbstanzeige“ zurück.

Aber der Reihe nach: Im Herbst 2015 ging alles los, als sich bei den Ermittlern der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA der Betrugsverdacht erhärtete. Auf Anfrage des Bundesverkehrsministeriums teilte das EPA mit, dass die echten Emissionen 40mal höher waren als von den Herstellern angepriesen wurde. Auch wenn die US-Umweltbehörde an der Ernsthaftigkeit der vorgegebenen Verfolgung von deutscher Seite zweifelte, führte es weiter aus, dass die wahren Emissionswerte nur feststellbar seien, wenn die Diesel-Fahrzeuge nicht nach dem standardisierten EU-Abgas-Testverfahren, sondern auch auf andere Weise getestet würden.

Bundesverkehrsministerium bestärkte VW zum weiteren Tricksen

Es entwickelte sich zwischen den Herstellern, an deren Spitze der VW-Konzern stand, und den deutschen Behörden ein reger Schriftwechsel. Er offenbart die enge Zusammenarbeit zwischen dem unter der Führung des damaligen Bundesverkehrsministers Dobrindt stehenden Verkehrsministerium und Volkswagen. Erst nach dem die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mühsam auf dem Rechtsweg, über 12 Verfahren hinweg und insgesamt 5 Jahre andauernd, die Herausgabe der geheim gehaltenen Akten erstritt, wurde das erschreckende Ausmaß der Kumpanei zwischen staatlichen Behörden und der Automobilindustrie deutlich. Die Dauer des Rechtsstreits zeigt, dass die Politik an einer Aufklärung im Sinne der geprellten Dieselkäufer nicht interessiert war. Das BMVI verteidigte sich gegen diesen Vorwurf, indem es sich auf die „Bestimmungen des Umweltinformationsgesetzes“ berief, deren Verständnis eine Herausgabe der Akten verunmöglichten. Das Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht Schleswig als auch das Bundesverwaltungsgericht sehen dies zugunsten der klagenden Deutschen Umwelthilfe anders.

Die geheimen Papiere beziehen sich insbesondere auf den Zeitraum September bis November 2015 und beweisen, dass die Diesel Motorenreihe EA 288 auch nach Herbst 2015 vom Kraftfahrtbundesamt durch Freigabebescheid gebilligt wurde. Ebenfalls geht aus den Dokumenten hervor, dass BMVI und VW ihre Äußerungen in der Öffentlichkeit abstimmten.  Umstände wurden beschönigt und verschleiert. So war z.B. erst die Rede von „unzulässigen“ Abschalteinrichtungen, danach von „beanstandeten“ Abschalteinrichtungen. Das Verkehrsministerium billigte und förderte die Rückkehr zu den Täuschungshandlungen von VW. Selbst nach Bekanntwerden des Betrugs wurden weitere Fahrzeuge mit der illegalen Abschalteinrichtung zugelassen. Aufgrund der strafrechtlichen Relevanz dieser Vorgänge hat die DUH die entsprechenden Dokumente an die zuständige Staatsanwaltschaft Braunschweig übersendet. Dort läuft vor dem Landgericht Braunschweig ein Strafprozess, in dem 15 Führungskräfte des VW-Konzerns, darunter Ex-Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn, angeklagt werden. Vorgeworfen wird gewerbs- und bandenmäßiger Betrug (§ 263 StGB), Steuerhinterziehung (§ 370 AO), Beihilfe zu mittelbarer Falschbeurkundung (§§ 271, 27 StGB) und strafbare Werbung (§ 16 UWG).

VW bestreitet eine Form der konspirativen Zusammenarbeit und deutet den Inhalt des zunächst unter Verschluss gehaltenen Dossiers ganz anders: Es seien vielmehr „offene Fragen durch den Schriftverkehr geklärt worden“. Auch das Bundesverkehrsministerium erklärt die Vorwürfe für haltlos. Vielmehr sei in Deutschland weitreichende Verantwortung übernommen worden.

Geheimgehaltene Dokumente erst nach gerichtlicher Auseinandersetzung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht

Allerdings erscheint diese Darstellung fraglich, da seit dem Skandal 2015 die Bundesregierung, das Bundesverkehrsministerium und das Kraftbundesamt staatlicherseits sowie VW, Daimler und Opel versuchten, sämtlichen Schriftverkehr der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Erst als ein Vollstreckungsverfahren unter Androhung des höchsten Zwangsgeldes in Höhe von 10000 Euro gegen das Kraftfahrtbundesamt geführt wurde, sind die zwischen Behörde und Automobilindustrie ausgetauschten Schreiben ungeschwärzt herausgegeben worden.



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