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EuGH-Urteil - Nicht genommener Urlaub ist vererbbar

  • 2 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

Resturlaub verfällt nicht mit dem Tod eines Arbeitnehmers, vielmehr gehen Ansprüche wegen nicht genommenen Urlaubs auf die Erben über: Mit einer entsprechenden Entscheidung wirft der Europäische Gerichtshof (EuGH) die bisherige Rechtsprechung deutscher Arbeitsgerichte, nach der Urlaub mit dem Tod einfach verfiel und nicht vererbbar war, komplett über den Haufen.

Zweifel an bisheriger Gerichtspraxis

Ausgangspunkt war die Klage einer Witwe auf Abgeltung von 140,5 offenen Urlaubstagen durch den Arbeitgeber ihres 2010 verstorbenen Mannes. Dieser hatte den Urlaub unter anderem aufgrund einer schweren Krankheit nicht nehmen können. Das mit dem Fall befasste Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm zweifelte an der Vereinbarkeit der bisher verbreiteten „Nichts gibt’s“-Haltung deutscher Gerichte mit europäischem Recht, das inzwischen auch Bestimmungen zum Mindestjahresurlaub enthält.

Es bat daher die EuGH-Richter in Luxemburg, zu klären, ob der Anspruch auf bezahlten Urlaub beim Tod eines Arbeitnehmers insgesamt untergeht. Außerdem wollten die LAG-Richter wissen, ob eine eventuelle Abgeltung davon abhängt, dass ein verstorbener Arbeitnehmer den Urlaub vor seinem Tod beantragt hat.

Bedeutender Grundsatz des Sozialrechts der Union

Maßgebliche Bestimmung ist Art. 7 der Richtlinie über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (2003/88/EG). Dieser verlangt unter anderem, dass der bezahlte Mindestjahresurlaub – außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf. Abweichungen davon sind den einzelnen EU-Ländern nicht erlaubt. In Deutschland ist diese Abgeltung von Resturlaub ausschließlich bei beendetem Arbeitsverhältnis in § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes umgesetzt.

Nun kann ein Arbeitsverhältnis außer durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag auch durch Tod enden. Und hier hält der EuGH ein unterschiedliches Vorgehen – Vergütung bei Kündigung und keine Vergütung bei Tod – für unzulässig. Denn Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie verlangt nur, dass das Arbeitsverhältnis endet, aber eben nicht, wie das geschieht. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union sei, lasse hier auch keine Abweichung zu. Dasselbe gelte für Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten einzelner Mitgliedstaaten. Die bisherige Rechtsprechung in Deutschland (so etwa das Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 20.09.2011, Az.: 9 AZR 416/10) ist damit nicht mehr rechtmäßig. Erben können künftig Abgeltung für vom Erblasser nicht genommenen Urlaub vom jeweiligen Arbeitgeber verlangen. Ob der Urlaub dabei noch zu Lebzeiten beantragt wurde, spielt keine Rolle, da Art. 7 einen solchen Antrag in keiner Weise voraussetze.

Folgen für die Praxis

Das Urteil hat vermutlich Folgen für die derzeitige Unternehmenspraxis. Gerade Langzeiterkrankte sammeln Urlaubsansprüche an, weil sie aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit keinen Urlaub nehmen können. Einerseits könnten Unternehmen aufgrund des EuGH-Urteils Kündigungen in solchen Fällen nun früher in Erwägung ziehen. Andererseits dürfen laut einer früheren EuGH-Entscheidung Gesetze oder tarifvertragliche Regelungen bestimmen, dass Urlaub innerhalb einer bestimmten Frist zu nehmen ist (EuGH, Urteil v. 22.11.2011, C-214/10). Der EuGH hält hier eine Einschränkung in der Weise für zulässig, dass bezahlter Jahresurlaub nach 15 Monaten im Anschluss an das Kalenderjahr, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist, verfällt. Die zeitliche Begrenzung ist insbesondere in Krankheitsfällen zulässig.

(EuGH, Urteil v. 12.06.2014, Az.: C-118/13)

(GUE)

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