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EuGH vs. BGH: Widerruf von Darlehensverträgen

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Wie sieht eine korrekte Widerrufsbelehrung in Kreditverträgen denn nun eigentlich aus? Ist der Kaskadenverweis ausreichend? Und gilt die sogenannte Gesetzlichkeitsfiktion auch weiterhin? Im März 2020 fand zu diesen Fragen ein Schlagabtausch zwischen EuGH und BGH statt. Das Ergebnis: Verbraucher fragen sich, ob sie ihre Darlehensverträge nun widerrufen können oder nicht.

In seinem Urteil vom 26. März 2020 (Az.: C-66/19) entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die von einer deutschen Sparkasse in ihren Kreditverträgen verwendete Widerrufsbelehrung nicht geeignet sei, Verbraucher ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht zu informieren. Dabei geht es um den sog. „Kaskadenverweis“. Laut EuGH führe dieser die Voraussetzungen des Widerrufsrechts bzw. des Beginns der Widerrufsfrist nicht konkret auf. Er verweist nämlich lediglich auf § 492 Abs. 2 BGB, der die erforderlichen Pflichtangaben ebenfalls nicht konkret benennt, sondern seinerseits auf weitere Bestimmungen des BGB verweist. Nach Auffassung des EuGH hätte die Widerrufsfrist bei Verträgen, die eine solche Widerrufsbelehrung enthalten, nie zu laufen begonnen, weshalb die Verträge auch Jahre später noch widerrufen werden könnten.

Kritik an Mustertexten des deutschen Gesetzgebers

Das Brisante an dem EuGH-Urteil: Die monierte Passage in den Widerrufsbelehrungen stammt aus einem Mustertext, der vom deutschen Gesetzgeber erstellt wurde. Institute, die diese Mustertexte verwendet haben, durften also bislang davon ausgehen, dass die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß erfolgt ist. Nutzt eine Bank nämlich ein amtliches Muster des Gesetzgebers, kann sie sich auf die sog. „Gesetzlichkeitsfiktion“ berufen. Das bedeutet, die Anforderungen an eine angemessene Belehrung über das Widerrufsrecht gelten als erfüllt – und zwar auch dann, wenn das vom Gesetzgeber bereitgestellte Muster Fehler enthält.

Mit seinem Urteil greift der EuGH also unmittelbar den Mustertext des deutschen Gesetzgebers an. Das Gericht verweist dabei auf die EU-Richtlinie 2008/48, laut der ein Verbraucher in „klarer, prägnanter Form“ über die Modalitäten und die Frist zur Ausübung seines Widerrufsrechts zu informieren sei. Die vorgelegte Passage der Widerrufsbelehrung erfülle diese Kriterien jedoch nicht, so der EuGH. Das heißt, dass es dem deutschen Gesetzgeber nicht gelungen ist, ein europarechtskonformes Muster bereitzustellen.

Dementsprechend hätten sich nun zahllose Verbraucher durch Widerruf von mitunter sehr hochverzinsten Darlehensverträgen lösen und günstig umschulden können, ohne dabei eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen zu müssen. So folgt bei Allgemein-Verbraucherdarlehen, z. B. Autokrediten, aus dem Widerruf, dass der Kreditvertrag beendet ist, der Verbraucher seine bisher geleisteten Zahlungen zurückerhält, dabei jedoch keine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen muss und das Auto an die Bank zurückgibt.

BGH kontert: Gesetzlichkeitsfiktion greift nach wie vor

Nur Tage später, nämlich am 31.03.2020, konterte der BGH mit zwei Beschlüssen. So sei die Entscheidung des EuGH im Hinblick auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge nicht einschlägig (Beschluss XI ZR 581/18 vom 31.03.2020), da die EU-Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48 nicht auf solche Verträge anwendbar wäre.

Bei allgemeinen Verbraucherdarlehensverträgen (Beschluss XI ZR 198/19 vom 31. März 2020) kam der BGH zu dem Schluss, dass das EuGH-Urteil grundsätzlich nichts an der Gültigkeit der Gesetzlichkeitsfiktion ändere – vorausgesetzt, die Bank habe das vom Gesetzgeber bereitgestellte Muster ohne Änderung übernommen. Würde eine Bank eigenmächtig für den Verbraucher nachteilige Änderungen am Text vornehmen, könne sie sich hingegen nicht mehr auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen. Das heißt, dass bei inhaltlichen Abweichungen vom Muster des Gesetzgebers, die sich nachteilig für den Verbraucher auswirken, die Gesetzlichkeitsfiktion nicht mehr greift.

Konsequenzen für Verbraucher

Trotz des verbraucherfreundlichen EuGH-Urteils kommt es nun also doch nicht zum erhofften allgemeinen Widerrufsjoker. Da der BGH jedoch eingeräumt hat, dass die Gesetzlichkeitsfiktion nicht immer greift – wenn die Bank nämlich vom Mustertext des Gesetzgebers zum Nachteil des Verbrauchers abweicht –, gibt es durchaus Fälle, in denen ein Widerruf möglich ist. So hat die Anwaltskanzlei Lenné festgestellt, dass manche Banken in ihren Verträgen das verbundene Geschäft nicht ausdrücklich genannt oder ein anderes verbundenes Geschäft benannt haben, das aber mit dem abgeschlossenen Kredit nichts zu tun hat.

Ob ein Darlehensvertrag widerrufen werden kann oder nicht, muss im Einzelfall geprüft werden. Als Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht stehe ich Ihnen für eine kostenfreie Ersteinschätzung Ihres Falls gerne zur Verfügung.



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