Explosion im Chempark - Anspruch auf Schadensersatz ? Eine Ergänzung nach Analyse von Greenpeace

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I. Zusammenfassung der Ereignisse

Am 27.07.2021 gegen 9:40 Uhr kam es aus noch ungeklärten Gründen auf dem Gelände des Entsorgungszentrums Bürrig im Chempark in Leverkusen zu einer Explosion mit anschließendem Großbrand. Nach Medienangaben sind dabei 6 Personen ums Leben gekommen und 31 Personen verletzt worden. Eine Person wird noch vermisst.  

Laut des Untersuchungsberichts des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) vom 30.07.2021 seien beim Brand 

„mehrere Tanks betroffen [gewesen], in denen verschiedene flüssige Abfälle aus den Chempark-Unternehmen lagerten, darunter auch chlorierte aliphatische Kohlenwasserstoffe, die vor der Beseitigung zwischengelagert werden. Gemäß Auskunft des Anlagenbetreibers am Ereignistag wurden drei größere Tanks beschädigt. Diese hatten jeweils Volumina von 200-300 m3, waren aber nur zu ca. 50% befüllt.“ 

(Hervorhebungen durch den Autor)

Infolge der Explosion und des Brandes wurde eine Rauchwolke freigesetzt, die sich in der Region verteilte.Konkrete Aussagen über den Weg der Wolke könne man nach Angaben des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR) wegen der an diesem Tag bestehenden Schleierbewölkung nicht machen. Nach Medienangaben sei allerdings zum Zeitpunkt der Katastrophe ein schwacher und bodennaher Wind aus dem Süden bis Südwesten gekommen, der die Rauchwolke nordöstlich in Richtung Ruhrgebiet gezogen habe. 

Darüber hinaus sind in der Region Rußpartikel niedergegangen. Auch diesbezüglich sei nach Medienangaben eine konkrete Aussage über den Weg der Rußpartikel nicht möglich. Es gäbe aber Berichte über mögliche Rußpartikel der Brandkatastrophe aus der ganzen Region, beispielsweise Solingen, Wuppertal und sogar Bochum. 

Laut Pressemitteilung des LANUV vom 30.07.2021 sollen

„die vorgenommenen Messungen der Ruß- und Staubrückstände, die nach dem Brand in der Müllverbrennung des Chemieparks Leverkusen in den umliegenden Wohngebieten niedergingen, […| eine nur geringe Schadstoffbelastung [ergeben haben]. Bei den Stoffgruppen der Dioxine (einschließlich dioxinänliche PCB) wurde die Bestimmungsgrenze nicht erreicht. Bei den Polychlorierten Biphenylen (PCB) und den Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) wurden sehr geringe Werte gemessen, die die Bewertungsgrenzen unterschritten.“

Weiter heißt es in der Pressemitteilung des LANUV vom 30.07.2021:

„Zur Zeit dauern die Ermittlungen, welche weiteren Stoffe bei dem Unfall beteiligt waren, noch an. Daher ist noch unklar, ob weitere, bisher unbekannte Stoffe in die nähere Umgebung der Brandstelle eingetragen wurden. Deshalb empfiehlt das LANUV, die bisher geltendem Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge aufrecht zu erhalten. Auf den Verzehr von Obst und Gemüse sollte daher weiterhin verzichtet werden, verunreinigte Flächen nicht anfassen und auch nicht selber reinigen. Das gilt für das betroffene Stadtgebiet Leverkusen und die unmittelbar angrenzenden Bereiche der Städte Leichlingen und Opladen.

(Hervorhebungen durch den Autor)

Mit Pressemitteilung vom 05.08.2021 teilte das LANUV nunmehr mit, dass „Pflanzen- und Bodenproben ebenfalls unauffällig“ seien. Konkret heißt es hierzu in der Pressemittteilung:

„Pflanzen- und Bodenproben aus der näheren Umgebung des Brandereignisses in der Sondermüllverbrennungsanlage der Firma Currenta, wurden auf über 450 verschiedene Bestandteile von Agrarchemikalien untersucht. Die Analysen ergaben keine relevanten Konzentrationen und keinerlei Grenzwertüberschreitungen. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass auch auf anderen Flächen im privaten wie im gewerblichen Bereich keine relevanten Einträge derartiger Stoffe durch das Schadensereignis stattgefunden haben.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die einzelnen Bestandteile der Agrarchemikalien aus den Tanks durch den unmittelbar nach der Explosion einsetzenden Brand fast vollständig zerstört wurden. In der Explosionswolke befanden sich damit nur geringe unverbrannte Anteile der freigesetzten Stoffe, die durch die Thermik des folgenden Brandes in größere Höhen getragen wurden und sich bei der weiteren Verbreitung stark verdünnten.

(Hervorhebungen durch den Autor)

Vor diesem Hintergrund hat das LANUV 

„im Bericht an die Bezirksregierung empfohlen, dass die zuständigen Behörden die aktuellen gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen weitgehend aufheben können. Obst und Gemüse ist wieder zum Verzehr freigegeben, sollten aber vor dem Verzehr gewaschen oder geschält werden. Auch eine Nutzung von Futterflächen (z. B. durch Weidetiere) ist wieder möglich. Sofern eine Reinigung von Rußniederschlag auf Flächen und Gegenständen erforderlich ist, sollte mit viel Wasser gut abgespült und mit Seife gereinigt werden. Da die Rußpartikel einen hohen Säuregrad aufwiesen, bitte beim Reinigen Handschuhe nutzen und diese, ebenso wie Reinigungstücher, anschließend im Restmüll entsorgen. Wasser aus Regentonnen sollte vorsorglich in der Kanalisation entsorgt werden. Das Wasser in Swimmingpools bitte austauschen oder komplett durchfiltern. Die Nutzung von Spielplätzen kann ebenfalls wieder freigegeben werden, sobald alle Säuberungsmaßnahmen durchgeführt wurden. 

Meldungen, dass sich durch die Rußpartikel Verfärbungen an Rasenflächen zeigten, haben sich als Pilzinfektion erwiesen.“ 

(Hervorhebungen durch den Autor)

Nach einem Artikel vom 06.08.2021 auf Greenpeace.de komme hingegen „die Entwarnung durch das Landesumweltamt verfrüht.“ So heißt es unter anderem dort: 

„HÖHERE DIOXINBELASTUNG GEMESSEN ALS VOM UMWELTAMT

Greenpeace hat in Stichproben von Brandrückständen nach der Explosion in Leverkusen teilweise höhere Dioxinkonzentrationen gefunden als in den vom LANUV veröffentlichten Messergebnissen. Wischproben, die Greenpeace einen Tag dem Chemieunfall im Stadtteil Bürrig genommen hat, weisen keine Auffälligkeiten auf. In Probenvon größeren Rußpartikeln fanden sich aber teilweise Spuren krebserregender Stoffe, darunter polychlorierte Dibenzodioxine und -furane (PCDD/F), Polychlorierte Biphenyle (PCB) und Dioxin-ähnliche PCB.

(Hervorhebungen durch den Autor)

Weiter heißt es dort: 

Die Entwarnung kommt zu früh”, sagt Manfred Santen, Greenpeace-Experte für Chemie. “Unsere Ergebnisse geben Anlass zu weiteren systematischen Untersuchungen, die Stadt muss die Rückstände flächendeckend und systematisch untersuchen. Die Menschen in den benachbarten Stadtteilen brauchenklare Anweisungen, wie sie mit stark verrußten Rückständen auf ihren Grundstücken umgehen sollen.”Kinder sollten damit auf keinen Fall damit in Berührung kommen – als Verursacher hat Currenta dafür Sorge zu tragen.

Anders als das LANUV, dessen Entscheidung auf lediglich drei Stichproben basiert, hat das Team von Greenpeace insgesamt 19 Proben rund um den Unglücksort gesammelt oder von Anwohner:innen erhalten. Zunächst wurden die Proben von einem auf Dioxine spezialisierten Labor analysiert. Sämtliche Proben werden noch von einem zweiten Labor gegengetestet. Ergebnisse eines breiteren Screenings auf weitere Schadstoffe erwartet Greenpeace Anfang der kommenden Woche.

(Hervorhebungen durch den Autor)

Zur vollständigen Pressemitteilung des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) vom 30.07.2021: https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuv/presse/dokumente/21-07-30_PM_LANUV_Ergebnisse_Brand_Chempark_Leverkusen.pdf

Zum vollständigen Bericht des LANUV: Bericht Sondereinsatz und Analysen PCDD/F, PCB, PAK nach Explosion Chempark Leverkusen vom vom 30.07.2021: https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuv/presse/dokumente/44.1-SE21086_Chempark_Final_inklAnlagen.pdf

Zur vollständigen Pressemitteilung des LANUV vom 05.08.2021: https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuv/presse/dokumente/21-08-05_PM_Ergebnisse_Pflanzen-_und_Bodenproben_Chronologie.pdf

Zum vollständigen Bericht des LANUV: Bericht Umweltuntersuchungen außerhalb des Betriebsgeländes im Schadensfall Currenta vom 05.08.2021: https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuv/presse/dokumente/210805-Bericht_an_BR_Köln.pdf

Zum vollständigen Artikel vom 06.08.2021 auf Greenpeace.de: https://www.greenpeace.de/themen/endlager-umwelt/auf-den-zweiten-blick

II. Mir sind durch die Brandkatastrophe (Personen- und/oder Sach-)Schäden entstanden. Eine notwendige Reinigung meines Eigentums erfolgte bisher nicht oder nur unzureichend. Habe ich einen Anspruch auf Schadensersatz?

Soweit bei Ihnen durch die Brandkatastrophe etwaige Schäden eingetreten sind, kommt ein Anspruch auf Schadensersatz in Betracht.

So kommt eine Haftung beispielsweise aus § 1 UmweltHG in Betracht. Das Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG) sieht eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für Inhaber bestimmter Anlagen vor. Für eine Haftung ist danach nur entscheidend, ob durch eine Umwelteinwirkung, die von einer Anlage ausgeht, ein (Personen- und/oder Sach-)Schaden entstanden ist. Auf ein Verschulden kommt es nicht mehr an. 

Berücksichtigen Sie insoweit indes, dass ein Anspruch auf Schadensersatz und dessen Umfang stets vom Einzelfall abhängt. 

Zur Sicherung Ihrer Rechtsposition bzw. aus Beweissicherungsgründen wird dringend empfohlen, den etwaigen Schaden möglichst genau zu dokumentieren. So kann regelmäßig ein späterer Streit über die Ursache des Schadens vermieden werden. Ebenso sollte der mögliche Schadensverlauf möglichst konkret festgehalten werden. Können Sie beispielsweise Beobachtungen machen, die im konkreten zeitlichen und örtlichen Zusammenhang zu den Ereignissen stehen könnten?

Machen Sie möglichst umfangreiche Foto- und/oder Videoaufnahmen und nutzen Sie für die Dokumentation sämtliche hierfür in Betracht kommenden Hilfsgegenstände (zum Beispiel ein Zollstock/Maßband um die Größe von Rußpartikeln zu dokumentieren). 

Weiter empfehlen wir dringend, den Schaden insbesondere vor einer etwaigen Reinigung zu dokumentieren. Denn ohne eine solche Dokumentation wird eine Durchsetzung Ihrer möglichen Ansprüche deutlich erschwert. 

Weiter empfehlen wir, sofern Ihnen eine Vereinbarung zur Schadensregulierung angeboten wird, diese genau zu prüfen. Grundsätzlich kann eine solche Vereinbarung ein gangbarer Lösungsweg sein. Sollten Sie Zweifel haben, das Angebot anzunehmen, können Sie einen Anwalt kontaktieren. 

So bewegt sich eine solche Vereinbarung häufig unter dem geschuldeten Rahmen. Es werden häufig zu niedrige Regulierungsbeträge angeboten oder es wird oft bereits ein Schaden mit abgegolten, der möglicherweise noch nicht sichtbar ist, aber derzeit bereits entsteht oder noch entstehen wird.

Aber Achtung: Ihr Schutz und Ihr Wohlbefinden stehen an erster Stelle. Gefährden Sie sich also bitte nicht, berücksichtigen Sie die behördlichen Empfehlungen und bitten Sie die zuständigen Behörden – falls erforderlich - um Hilfe.

Wir empfehlen, sich möglichst frühzeitig anwaltlich beraten und falls notwendig vertreten zu lassen. 

Wir helfen Ihnen gerne.

Lams & Vesper Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB


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