Fälle aus der Baurecht-Rechtsprechung!

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Der 1. Fall behandelt die Einstellung von Arbeiten wegen umstrittener Nachträge. Hier soll nochmals der Zusammenhang von der Vertragsdurchführung und von Nachträgen besprochen werden. Grundsätzlich gilt, dass Streitigkeiten über Nachträge den Auftragnehmer nicht dazu berechtigen, seine Leistung einzustellen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Auftraggeber die Beauftragung eines berechtigten und prüfbar angebotenen Nachtrags grundlos verweigert. Das ist der einzige Ausnahmefall. Ansonsten gilt, dass der Auftragnehmer aufgrund seiner werkvertraglich bestehenden Vorleistungspflicht diese Leistungen auch ohne eine Vereinbarung zur Nachtragshöhe ausführen muss. Es gilt der Grundsatz: Vertragsdurchführung geht vor Preisgewissheit. Das übersehen viele Auftragnehmer. Mithin muss vor Ausführung der Leistung die Nachtragshöhe zwischen den Parteien nicht geregelt sein. Wenn die Gegenseite sich weigert, sich zur Nachtragshöhe festzulegen, muss der Auftragnehmer im Rahmen seiner Vorleistungspflicht die Leistung auf jeden Fall dennoch ausführen. Dies folgt daraus, dass der Auftraggeber berechtigt ist, beim VOB/B-Vertrag jederzeit gemäß § 1 Abs. 3, 4 VOB/B Änderungs- und Zusatzleistungen dem Grunde nach zu beauftragen. Hierzu muss jedoch die Höhe nicht feststehen. Denn der Anspruch des Auftragnehmers entsteht automatisch auf Mehr- oder Zusatzvergütung aus § 2 Abs. 5, 6 VOB/B. Noch eines ist zu beachten, was durch die Baupraxis immer wieder falsch gesehen wird. Abschlagszahlungen, insbesondere wegen eines Nachtrags berechtigen den Auftragnehmer nicht, diese Vergütung behalten zu dürfen. Dies wird in der Baupraxis anders gesehen, was jedoch rechtlich falsch ist, da Abschlagszahlungen kein Anerkenntnis des Auftraggebers darstellen. Abschlagszahlungen haben keine Bindungswirkung. Der Auftraggeber ist immer noch berechtigt, eine schon geleistete Nachtragszahlung später von der Schlussrechnung des Auftragnehmers abzuziehen. Als Unwägbarkeit für den Auftraggeber bleibt nur das Risiko einer Insolvenz des Auftragnehmers. Diese Rechtsprechung sollte bei einer Nachtragsdiskussion mit dem Auftraggeber auf jeden Fall beachtet werden, bevor es zu Kurzschlusshandlungen des Auftragnehmers kommt, indem er einfach die Arbeiten einstellt, was dann vielleicht noch in eine Kündigung des Werkvertrages endet, was Schadensersatzansprüche und Mehrkostenansprüche gegenüber dem Auftragnehmer nach sich ziehen. Dies sollte auf jeden Fall vermieden werden. Diese Rechtsausführungen gehen auf ein Urteil des Kammergerichts Berlin vom 13. Juni 2017 zurück, welches die Rechtslage eindeutig beschreibt. Hier ging es darum, dass der mit der Ausführung von Betonarbeiten beauftragte Auftragnehmer Nachtragsforderungen geltend macht, jedoch sich die Parteien über die Nachtragshöhe nicht einigen können und der Auftragnehmer seine Leistung einstellt. Der Auftraggeber geht natürlich hin und kündigt nach Fristsetzung den Vertrag und bekommt Recht.

Der 2. Fall des OLG Köln vom 27. Januar 2017 setzt sich damit auseinander, dass der Auftragnehmer allein bestimmt, wie er die Leistung erbringt. Wenn keine Vereinbarung darüber getroffen wurde, in welcher Art und Weise das Werk hergestellt wird, so legt allein der Auftragnehmer fest, wie er die vertraglich geschuldete Funktionstauglichkeit herbeiführt. Denn der Auftragnehmer schuldet bei vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch nur jene vereinbarte Funktionstauglichkeit, nicht aber einen bestimmten Weg dorthin. Es liegt keine für den Auftragnehmer nachteilige Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit vor, wenn ein Boden zwar nach dem Stand der Technik verlegt ist, was Voraussetzung ist, der Besteller indes eine andere Verlegeart für die Bessere hält. Hier ging es um große Bodenplatten, die nach der Batzenmethode verlegt wurden. Der Auftraggeber bemängelte, dass diese Platten im Buttering-Floating-Verfahren verlegt werden müssen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand fest, dass der Bodenbelag sach- und fachgerecht verlegt worden ist und damit dem Stand der Technik entsprach, so dass die Leistung mangelfrei war. Daraus kann man mitnehmen, dass in der Regel dem Auftragnehmer nur vorgegeben wird, welchen Erfolg (was) er herbeizuführen hat. In der Wahl der Mittel ist der Auftragnehmer dann frei.

Jedoch muss das fertige Werk zum Zeitpunkt der Abnahme dauerhaft funktionstauglich sein, den anerkannten Regeln der Technik entsprechen, sich für die vereinbarte bzw. gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die Besteller nach der Art des Werks erwarten kann.

Der 3. Fall ist ebenfalls vor dem OLG Köln im Jahre 2014 ergangen. Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen. Das bedeutet, dass das OLG Köln alles richtig gemacht hat und der Bundesgerichthof dieses Urteil nicht zur Entscheidung annimmt. Hier ging es um die Prüfungs- und Hinweispflicht. Diese Bedenkenanmeldung kann von ihrer Wichtigkeit nicht oft genug wiederholt werden. Es wird immer wieder in der Baupraxis, auch in der eigenen Mandatspraxis festgestellt, dass Auftragnehmer eben nicht genug ihre Bedenken anmelden, sei es aus Angst vor dem Architekten, Lustlosigkeit oder sonstigen Motiven. Es muss jedem Auftragnehmer klar sein, dass diese fehlenden schriftlichen Bedenkenanmeldungen ständig die Rechtsprechung beschäftigen. Das sollte sich der Auftragnehmer zu Herzen nehmen. Hier ging es darum, dass ein Auftragnehmer einen Fassadenanstrich an einem Hochhaus vornahm und auch das Ausbessern des Putzes beauftragt wurde. Schon bald blätterte die Farbe ab. Es zeigten sich Risse und großflächige Abplatzungen. Nach Beweisaufnahme durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen war der bereits vorhandene Putzuntergrund der Fassade nicht flächendeckend zur Aufnahme des Anstrichsystems des Auftragnehmers geeignet. Der Auftraggeber verklagte den Auftragnehmer auf Schadenersatz von 110.000,00 €. Das Gericht stellt fest, dass es zur Sollbeschaffenheit eines Fassadenanstrichs gehört, dass dieser auf dem Fassadenuntergrund längere Zeit haftet und nicht nach einem Jahr nachgebessert werden muss und dann nach zweieinhalb Jahren großflächig abblättert und Risse aufweist. Es sei eine übliche Haltbarkeit geschuldet. Das Gericht verkennt nicht, dass für den Untergrund grundsätzlich der Auftraggeber verantwortlich ist. Der Sachverständige kommt sogar zu dem Ergebnis, dass die Fassade nicht nur ausgebessert werden musste, sondern grundlegend hätte saniert werden müssen. Jedoch befreit dies den Auftragnehmer nicht von seiner Haftung, wenn er seiner Prüf- und Hinweispflicht nicht nachgekommen ist. Leider hat der Auftragnehmer versäumt, rechtzeitig Bedenken anzumelden. Die meisten Auftragnehmer verstehen leider nicht, dass sie nur von der Haftung frei werden, wenn sie rechtzeitig Bedenken angemeldet haben. Wichtig in dem Zusammenhang ist natürlich auch, wie man seinen Prüfungs- und Hinweispflichten nachkommt. In einem Rechtstreit ist es von außerordentlicher Bedeutung, dass es dazu Vortrag gibt, ob und wie ein Auftragnehmer den Putzgrund überprüft hat. Wenn der Auftragnehmer hierzu nichts dargelegt und auch nichts beweisen kann, dann sieht es Böse aus und der Schadenersatzanspruch des Auftraggebers geht durch. Hieraus kann nur der Ratschlag erfolgen, dass der Auftragnehmer immer hingeht und die Substanz kritisch prüft und bei Bedenken gegen den Untergrund sofort Bedenken anmeldet. Nur dann kann er sich entlasten und entgeht einer Haftung.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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