Fahrlässige Körperverletzung nach Unfall: Anzeige / Vorladung / Anhörungsbogen der Polizei erhalten - was tun?

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Einführung

In Deutschland ereignen sich täglich hunderte von Unfällen im Straßenverkehr - der Blechschaden ist ärgerlich. Schlimmer ist es jedoch, wenn bei einem Verkehrsunfall einer der Unfallbeteiligten körperlich verletzt wird. Dann kommt es regelmäßig zu einem Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung im Sinne des § 229 StGB.

Dort heißt es:

"Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."



Voraussetzungen für eine Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung

Um tatbestandlich eine fahrlässige Körperverletzung zu verwirklichen, muss der Beschuldigte zunächst einmal eine Körperverletzung bei einem Dritten herbeiführen, für die der Unfall kausal ist.

Dabei muss der Beschuldigte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Das bedeutet, dass man die im Verkehr erforderliche Sorgfaltspflichten vernachlässigt oder verletzt. Die Sorgfaltspflichten sind die Anforderungen, die an einen besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und der sozialen Rolle des Handelnden zu stellen sind. Bei fahrlässiger Körperverletzung im Straßenverkehr ist dabei besonders auf die Anordnungen der StVO (Straßenverkehrsordnung) und des StVG (Straßenverkehrsgesetz) abzustellen, die den Pflichtenkreis eines gewissenhaften Fahrers normieren.

Der Eintritt der Verletzung des Dritten muss aus objektiver Sicht (also allgemein für jeden anderen) in der jeweiligen Situation auch vorhersehbar gewesen sein. 

Liegen diese Voraussetzungen vor, ist zuletzt auch noch auf die subjektive Sicht des Beschuldigten abzustellen: Hätte er wissen können und müssen, dass sein Handeln im Straßenverkehr zur Verletzungsfolge führen kann? War das Handeln des Beschuldigten für ihn persönlich in seiner Situation zum Zeitpunkt des Unfalles überhaupt als Sorgfaltspflichtverletzung zu sehen?  Diese Tatbestandsvoraussetzung wird als "subjektive Sorgfaltspflichtverletzung bei subjektiver Vorhersehbarkeit" bezeichnet.



Verteidigungstrategien bei fahrlässiger Körperverletzung bei einem Unfall

Wie sie aus den tatbestandlichen Vorraussetzungen für die Verwirklichung einer fahrlässigen Körperverletzung sehen können, muss jeder Fall für sich betrachtet gewürdigt werden. 

  • Wie stellte sich die Situation tatsächlich dar?
  • Wurden alle Einzelheiten und Begebenheiten in korrekter Art und Weise im polizeilichen Unfallbericht sowie in der Ermittlungsakte erfasst?
  • Gibt es Widersprüche in den Zeugenaussagen, die die Darstellung, die zum Vorwurf der Strafbarkeit führt, erschüttern können?
  • Das Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft muss den Vorwurf so belegen, das kein Raum für Zweifel bleibt. Anderenfalls gilt der Grundsatz "in dubio pro reo" - also im Zweifel für den Angeklagten. Daraus ergibt sich, dass  mit einer entsprechend vorbereiteten Einlassung Ermittlungsverfahren durchaus noch vor dem Stattfinden einer Hauptverhandlung oder dem Erlass eines Strafbefehls zur Einstellung gebracht werden können.
  • Die meisten Staatsanwaltschaften leiden ohnehin unter einer enormen Personalknappheit, so dass die gefährliche Körperverletzung gerne eingestellt wird, wenn sich abzeichnet, dass der Beschuldigte eine Einlassung abgibt, auf deren Basis das Verfahren beendet werden kann. Dies betrifft sowohl die Staatsanwaltschaften in NRW (insbesondere Bonn und Köln - also in meinem Stammgerichtsbezirk) -ist aber auch ein bundesweit zu sehendes Phänomen.



Wie läuft das Verfahren typischerweise ab?

  • Sei erhalten zunächst einen Anhörungsbogen von der Polizei. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollten Sie sich mit einem Anwalt in Verbindung setzen, der als Strafverteidiger für Sie auftritt.
  • Ihr Anwalt wird der Polizei mitteilen, dass Sie sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht zum Tatvorwurf äußern möchten. Gleichzeitig wird er Akteneinsicht beantragen.
  • Die Polizei ermittelt die Sache aus und gibt den Vorgang an die Staatsanwaltschaft. Sobald die Staatsanwaltschaft ebenfalls davon ausgeht, dass die Sache ausermittelt ist, wird der Abschlussvermerk "Die Ermittlungen sind abgeschlossen" in die Akte gesetzt. Von diesem Zeitpunkt an hat Ihr Verteidiger einen gesetzlichen Anspruch auf Akteneinsicht. 
  • Die Staatsanwaltschaft verfügt, dass die Akte dem Anwalt zur Verfügung gestellt wird. Dies erfolgt in der Regel auf dem Postweg.
  • Ihr Anwalt bespricht den Akteninhalt mit Ihnen und entwickelt eine Strategie.
  • Sofern möglich, wird bereits im Ermittlungsverfahren eine Einlassung (also eine Aussage für Sie) abgegeben, die darauf gerichtet ist, das Verfahren zur Einstellung zu bringen. Sofern die Einlassung Ihres Strafverteidigers den Tatvorwurf erschüttern kann, wird die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren mangels hinreichendem Tatverdacht nach § 170 Abs. 2 StPO einstellen.
  • Sofern der Fall wenig oder keine Einlassungsmöglichkeiten bietet, wird die Staatsanwaltschaft den hinreichenden Tatverdacht bejahen. Dieser ist dann gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeiten für eine Verurteilung in der Hauptverhandlung höher sind, als die für einen Freispruch.
  • Die Staatsanwaltschaft wird dann beim zuständigen Gericht Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens stellen oder Antrag auf Erlass eines Strafbefehls stellen. Ein Strafbefehl ist eine Art verkürztes Verfahren, das bei einfach gelagerten Fällen angewandt wird: Dem Angeklagten wird dann die Anklageschrift mit einer Strafe zugesandt. Wenn er nicht innerhalb von 2 Wochen Einspruch dagegen einlegt, wird die verhängte Strafe rechtskräftig.
  • Ihr Verteidiger wird Sie dann entweder im Rahmen einer Hauptverhandlung oder im Strafbefehlsverfahren vertreten und versuchen, die Strafe so weit wie möglich zu reduzieren.



Wie verhalte ich mich als Beschuldigter, wenn ich einen Anhörungsbogen oder eine Ladung von der Polizei erhalte?

Grundsätzlich sollten Sie von Ihrem Aussageverweigerungsrecht (hier ein entsprechender Rechtstipp dazu) Gebrauch machen.


Schweigen Sie!

Gehen Sie nicht zur Vernehmung durch die Polizei, auch wenn Sie geladen sind - dazu besteht keine Verpflichtung!


Konsultieren Sie zunächst einen Rechtsanwalt / Verteidiger.
Im ersten Schritt sollte zunächst Akteneinsicht genommen werden um die genauen Umstände und die Tatvorwürfe zu klären.
Danach sollte gemeinsam mit Ihrem Verteidiger eine umfassende Verteidigungsstrategie entworfen werden, die darauf gerichtet ist entweder die gegen Sie gerichteten Vorwürfe so zweckmässig wie möglich unter Vermeidung einer öffentlichen Hauptverhandlung aus dem Weg zu räumendie Strafe zu minimierendas Verfahren in Bahnen zu lenken, die keine Hauptverhandlung vorsehen (so z.B. das Strafbefehlsverfahren) eine Verfahrenseinstellung zu erreichen



Gerne berate ich Sie in allen Fragen rund um das Strafrecht und vertrete Sie als erfahrener Strafverteidiger im Raum NRW (insbesondere Köln / Bonn) als auch bundesweit - sowohl als Pflichtverteidiger als auch als Wahlverteidiger.

Kostenlose Erstberatung

Kontaktieren Sie mich - gerne über das Kontaktformular bei anwalt.de oder über meine Internetpräsenz.



Rechtlicher Hinweis:   

Die vorliegende Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll lediglich einen ersten Überblick über die Gesetzeslage schaffen. Sie kann eine auf den Einzelfall bezogene Beratung nicht ersetzen.

Philip Bafteh
Rechtsanwalt

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