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Fahrverbot oder Fahrerlaubnisentzug bei ausländischem Führerschein – Was gilt in Deutschland?

  • 8 Minuten Lesezeit

Die Möglichkeit, auch als ausländischer Staatsangehöriger in Deutschland mobil zu bleiben, ist sowohl für berufliche als auch private Zwecke von zentraler Bedeutung. Ein in Deutschland verhängtes Fahrverbot oder gar die Entziehung der Fahrerlaubnis kann die persönliche und berufliche Freiheit massiv einschränken – insbesondere für Personen, die sich nur vorübergehend in Deutschland aufhalten, aber auf ihre Fahrerlaubnis angewiesen sind.

Im Fokus steht dabei die rechtliche Frage, ob und inwieweit deutsche Behörden berechtigt sind, Maßnahmen wie Fahrverbote oder Fahrerlaubnisentziehungen gegenüber Inhabern ausländischer Führerscheine – insbesondere solcher aus EU-Mitgliedstaaten – anzuordnen und durchzusetzen. Dabei sind nicht nur nationale, sondern auch europäische und völkerrechtliche Vorschriften zu beachten, was die Rechtslage besonders komplex macht.


Abgrenzung: Führerschein vs. Fahrerlaubnis

Ein zentrales Verständnisproblem – auch für viele ausländische Betroffene – ergibt sich aus dem deutschen Unterscheidungsmerkmal zwischen Fahrerlaubnis und Führerschein.

  • Fahrerlaubnis: Die behördlich erteilte Berechtigung, Kraftfahrzeuge einer bestimmten Klasse zu führen (§ 2 Abs. 1 StVG).

  • Führerschein: Das Dokument, das den Nachweis über die bestehende Fahrerlaubnis liefert (§ 4 Abs. 2 FeV).

Wichtig: Wer in Deutschland fährt, benötigt eine gültige Fahrerlaubnis – der mitgeführte Führerschein ist nur der Beleg dafür. Wer ohne Fahrerlaubnis fährt, begeht eine Straftat (§ 21 Abs. 1 StVG), nicht nur eine Ordnungswidrigkeit.


Fahrverbot nach deutschem Recht – Rechtsgrundlagen

Gesetzliche Grundlage

Das Fahrverbot ist in § 25 StVG bzw. § 44 StGB geregelt. Es handelt sich um eine Nebenfolge einer Ordnungswidrigkeit (in schwerwiegenden Fällen) oder strafrechtlichen Verfehlung. Es unterscheidet sich vom Entzug der Fahrerlaubnis dadurch, dass es zeitlich befristet ist (zwischen 1 und 6 Monaten) und die Fahrerlaubnis danach automatisch wiederauflebt.

Voraussetzungen

Ein Fahrverbot kann verhängt werden, wenn:

  • eine grobe oder beharrliche Verletzung der Pflichten eines Kfz-Führers vorliegt (§ 25 StVG),

  • ein Verstoß gegen die 0,5-Promille-Grenze oder gegen das Verbot des Fahrens unter Drogen nach § 24a StVG begangen wurde.

Beispiele sind:

  • erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen,

  • zu geringer Sicherheitsabstand,

  • Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss,

  • Handybenutzung am Steuer.

Besonderheit bei ausländischer Fahrerlaubnis – nationale Zuständigkeit?

Eine zentrale Frage ist: Darf Deutschland überhaupt über die Nutzung ausländischer Fahrerlaubnisse auf deutschem Gebiet entscheiden?

4.1 EU-Fahrerlaubnisse

Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG (Führerscheinrichtlinie) sind alle von einem EU-Mitgliedstaat ausgestellten Fahrerlaubnisse grundsätzlich gegenseitig anzuerkennen.

Aber: Der EuGH hat in ständiger Rechtsprechung (u.a. EuGH, Urt. v. 23.04.2015 – C-260/13) klargestellt, dass jedem Mitgliedstaat das Recht zusteht, innerstaatliche Maßnahmen wie Entziehung, Einschränkung oder Aussetzung der Fahrberechtigung auf seinem Staatsgebiet gegenüber ausländischen Fahrerlaubnissen anzuwenden, sofern dies auf einem Verkehrsverstoß im Inland beruht.

Konsequenz: Auch ein EU-Führerschein schützt nicht vor Fahrverboten oder Fahrerlaubnisentziehungen durch deutsche Behörden, sofern die Maßnahme sich auf das Inland beschränkt.

4.2 Drittstaaten-Fahrerlaubnisse

Für Drittstaatsangehörige gelten dieselben Regeln: Wer in Deutschland ein Kfz führt, unterliegt den hiesigen Vorschriften. Auch ausländische (nicht-europäische) Fahrerlaubnisse können auf deutschem Boden eingeschränkt oder aberkannt werden.

Maßgeblich ist dabei, ob der Betroffene eine Fahrerlaubnis besitzt, die nach deutschem Recht anerkannt oder umschreibungsfähig ist (vgl. § 29 FeV).


Durchführung und Wirkung des Fahrverbots bei ausländischen Führerscheinen

Rechtskraft und Verwahrung

Ein Fahrverbot tritt erst mit der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in Kraft (§ 25 Abs. 2 StVG).

  • Inhaber eines EU-Führerscheins mit Wohnsitz in Deutschland müssen ihren Führerschein für die Dauer des Fahrverbots bei der Behörde abgeben (§ 25 Abs. 2 Satz 1 StVG).

  • Ohne Wohnsitz in Deutschland: Der Führerschein darf zur Vermerkung des Fahrverbots beschlagnahmt, aber nicht dauerhaft verwahrt werden (§ 25 Abs. 3 StVG).

Territorialer Geltungsbereich

Ein in Deutschland verhängtes Fahrverbot gilt ausschließlich für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Im Ausland ist es grundsätzlich nicht wirksam.


Wahlrecht nach § 25 Abs. 2a StVG

Inländische Fahrer können wählen, wann innerhalb von vier Monaten nach Rechtskraft das Fahrverbot beginnen soll – ein sogenanntes „Fahrverbot auf Abruf“.

Entziehung der Fahrerlaubnis – Abgrenzung zum Fahrverbot

Während das Fahrverbot (§ 25 StVG) nur eine zeitlich befristete Untersagung der Fahrberechtigung im Inland bedeutet, ist die Entziehung der Fahrerlaubnis eine deutlich gravierendere Maßnahme: Sie führt zur dauerhaften Aberkennung der Fahrberechtigung – und im Falle einer Neuerteilung ist regelmäßig eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) erforderlich.

Gesetzliche Grundlagen:

  • § 3 StVG (verwaltungsrechtliche Entziehung)

  • § 69 StGB (strafrechtliche Entziehung)

  • § 46 FeV (Durchführung der Entziehung durch die Fahrerlaubnisbehörde)


Strafrechtliche Entziehung nach § 69 StGB

Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB ist eine Nebenfolge einer Straftat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs (z. B. Trunkenheit im Verkehr, Unfallflucht, Nötigung im Straßenverkehr, fahrlässige Tötung).

Voraussetzungen:

  • Straftat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr

  • Das Gericht beurteilt den Täter als „ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen

  • Rechtsfolge: Entziehung der Fahrerlaubnis + Verhängung einer Sperrfrist nach § 69a StGB (mind. 6 Monate)

8.2 Wirkung auf ausländische Fahrerlaubnisse:

Gemäß § 69b Abs. 1 StGB gilt:

„Darf der Täter auf Grund einer im Ausland erteilten Fahrerlaubnis im Inland Kraftfahrzeuge führen, ohne dass ihm von einer deutschen Behörde eine Fahrerlaubnis erteilt worden ist, so hat die Entziehung der Fahrerlaubnis die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Mit der Rechtskraft der Entscheidung erlischt das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland. Während der Sperre darf weder das Recht, von der ausländischen Fahrerlaubnis wieder Gebrauch zu machen, noch eine inländische Fahrerlaubnis erteilt werden.“

Wichtig: Die Entziehung der Fahrerlaubnis wirkt sich nur auf die Fahrberechtigung im Inland aus – die ausländische Fahrerlaubnis bleibt formell bestehen, kann jedoch nicht mehr in Deutschland verwendet werden.


Verwaltungsrechtliche Entziehung (§ 3 StVG, § 46 FeV)

Unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung kann auch die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entziehen – etwa wegen:

  • körperlicher oder geistiger Mängel (§ 11 FeV),

  • charakterlicher Mängel (§ 46 FeV),

  • Alkohol- oder Drogendelikten (§ 13, 14 FeV),

  • wiederholtem Verkehrsverstoß (z. B. Punktestand > 8 in Flensburg).

Verfahren:

  • Anhörung des Betroffenen (§ 28 VwVfG)

  • Möglichkeit zur Vorlage medizinischer Gutachten

  • Verwaltungsakt mit Sofortvollzug möglich (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO)


Rechtsmittel und Verteidigungsmöglichkeiten

Gegen Fahrverbot:

  • Einspruch gegen den Bußgeldbescheid (§ 67 OWiG)

  • Ziel: Umwandlung in höhere Geldbuße ohne Fahrverbot (sog. „Absehen vom Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße“)

  • Voraussetzung: Härtefalllage, z. B. berufliche Existenzgefährdung

Gegen Entziehung der Fahrerlaubnis:

  • Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakt (Frist: 1 Monat)

  • Eilantrag (§ 80 Abs. 5 VwGO) gegen Sofortvollzug

  • Strategien:

    • Nachweis der Fahreignung (z. B. durch freiwillige MPU)

    • Angriff auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme

    • Verfahrensfehler im Anhörungsverfahren


Internationale Mitteilungen und Folgeeffekte

Deutschland meldet Maßnahmen wie Entziehungen von Fahrerlaubnissen über das EU-Führerscheininformationssystem (RESPER) an andere Mitgliedstaaten. Das hat folgende Folgen:

  • Eine in Deutschland entzogene Fahrerlaubnis kann im Heimatland des Betroffenen ebenfalls zur Aberkennung führen.

  • Bei Drittstaaten erfolgt i.d.R. keine automatische Mitteilung, es sei denn, es besteht ein bilaterales Abkommen.

Wiedererteilung nach Entziehung – Allgemeine Grundlagen

Nach einer Entziehung der Fahrerlaubnis (sei es straf- oder verwaltungsrechtlich) ist die Fahrerlaubnis nicht automatisch wieder gültig, sondern muss neu beantragt werden. Das betrifft auch Personen mit einem ausländischen Führerschein, sofern sie wieder in Deutschland fahren möchten.

Rechtsgrundlagen:

  • § 20 FeV: Antrag auf Neuerteilung

  • § 11 ff. FeV: Eignungsnachweise (MPU, ärztliches Gutachten)

  • § 28 FeV: Anerkennung ausländischer Fahrerlaubnisse


Wiedererteilung bei Inhabern von EU-/EWR-Fahrerlaubnissen

MPU-Anordnung auch bei EU-Führerscheinen möglich

Wenn einer Person die Fahrerlaubnis in Deutschland entzogen wurde, kann eine spätere Fahrerlaubniserteilung (auch in Form der Wiederanerkennung eines EU-Führerscheins) von einer positiven MPU abhängig gemacht werden. Das gilt insbesondere in folgenden Fällen:

  • Alkohol- oder Drogendelikte (§§ 13, 14 FeV)

  • Punkte in Flensburg (> 8 Punkte)

  • strafrechtliche Entziehung wegen Ungeeignetheit (§ 69 StGB)


Sperrfristen und deren Bedeutung

Nach einer Entziehung durch ein Gericht wird regelmäßig eine Sperrfrist (§ 69a StGB) verhängt. Während dieser Zeit darf keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden – auch keine Umschreibung einer ausländischen Fahrerlaubnis.

Wirkung der Sperrfrist:

  • Absolute Erteilungssperre während der Dauer

  • Auch ein ausländischer Führerschein wird nicht anerkannt (§ 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV)

  • Nach Ablauf muss dennoch die Eignung erneut geprüft werden (MPU o. ä.)


Praxis der Wiedererteilung – Verfahrensschritte

  • Antrag auf Neuerteilung bei der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde

  • Prüfung der Eignung (§§ 11 ff. FeV) – u. U. Anordnung MPU

  • Vorlage aller Unterlagen:

    • Identitätsnachweis

    • Wohnsitznachweis

    • Nachweise zur Fahreignung

    • ggf. bestehender ausländischer Führerschein

  • Entscheidung der Behörde

    • Positiv: Erteilung der Fahrerlaubnis (ggf. als Umschreibung)

    • Negativ: Ablehnung (anfechtbar durch Widerspruch/Klage)


Rechtsschutz und Strategie

MPU vermeiden – Ist das möglich?

  • Bei formalen Entziehungen (z. B. Fristablauf) oder bei fehlender Begründung kann die MPU angegriffen werden.

  • Prüfung: Hat die Behörde konkrete Anhaltspunkte für mangelnde Eignung?

  • Bei EU-Führerscheinen: Prüfung des Wohnsitzprinzips und der Sperrfrist

Rechtsmittel bei Ablehnung

  • Widerspruch gegen die ablehnende Entscheidung (§ 68 VwGO)

  • Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht

  • Im Eilverfahren: Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 VwGO)


Zusammenfassendes Fazit und praktische Hinweise

  • Fahrverbot wirkt nur beschränkt, aber auch für Ausländer mit Fahrverbot in Deutschland spürbar.

  • Entziehung der Fahrerlaubnis betrifft alle Fahrerlaubnisinhaber gleichermaßen, egal ob mit deutschem oder ausländischem Dokument.

  • Eine erneute Teilnahme am Straßenverkehr in Deutschland setzt fast immer einen Antrag auf Wiedererteilung voraus – mit strengem Prüfmaßstab.

  • Die MPU ist für viele Ausländer ein zentrales Hindernis, da sie sprachlich und formal aufwendig ist.

  • Der Erwerb eines neuen EU-Führerscheins im Ausland ist nicht risikolos – insbesondere bei Verletzung des Wohnsitzprinzips droht Nichtanerkennung.

Sie stehen vor einem Fahrverbot oder der Entziehung Ihrer Fahrerlaubnis?

Die Rechtslage bei ausländischen Führerscheinen in Deutschland ist oft missverständlich – und nicht selten falsch angewendet. Ich prüfe Ihre Situation individuell und kläre, ob ein Vorgehen gegen die Maßnahmen der Behörde oder des Gerichts Erfolg verspricht.

Ich unterstütze Sie insbesondere bei:
– Fahrverboten mit ausländischem Führerschein
– Entziehung der Fahrerlaubnis trotz gültiger Fahrerlaubnis aus dem Ausland
– Strategien zur Wiedererlangung Ihrer Mobilität

Kontaktieren Sie mich für eine erste Einschätzung.
Tom Beisel, Rechtsanwalt
Telefon: 0208 30782630
E-Mail: beisel@duckscheer.de

Gilt ein deutsches Fahrverbot auch für ausländische Führerscheine?

Ja. Ein deutsches Fahrverbot (§ 44 StGB, § 25 StVG) verbietet das Führen von Kraftfahrzeugen im Inland, unabhängig von der Herkunft des Führerscheins. Der Führerschein selbst bleibt jedoch bestehen – es wird nur die Nutzung im Inland untersagt.

Wird ein ausländischer Führerschein bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis eingezogen?

Nur teilweise. Das deutsche Recht kann eine Entziehung der Fahrerlaubnis für das Inland anordnen (§ 69 StGB, § 3 StVG). Der Führerschein kann dabei eingezogen oder mit einem Vermerk versehen werden, dass er in Deutschland nicht mehr gültig ist (§ 47 FeV).

Was ist der Unterschied zwischen Fahrverbot und Entziehung?
  • Fahrverbot: Zeitlich begrenztes Verbot (1–6 Monate), im Inland zu fahren – Führerschein bleibt gültig.

  • Entziehung: Dauerhafter Entzug der Fahrerlaubnis – man verliert die Fahrerlaubnis vollständig und muss sie neu beantragen.

Foto(s): https://unsplash.com/de/@whykei


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