Fehlerhafte Anlageberatung – BGH zur Beweislast bei verspäteter Prospektübergabe

  • 2 Minuten Lesezeit

Zu einer ordnungsgemäßen Anlageberatung gehört es, den Anleger über alle wesentlichen Punkte, die für seine Anlageentscheidung von Bedeutung sind, aufzuklären. Das heißt, dass der Anlageberater z. B. auch über die bestehenden Risiken einer Kapitalanlage informieren muss. „Dieser Aufklärungspflicht kann auch durch die rechtzeitige Übergabe des Emissionsprospekts genügt werden, sofern der Prospekt alle notwendigen Informationen vollständig und wahrheitsgemäß übermittelt“, sagt Rechtsanwalt Markus Jansen, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Kanzlei AJT in Neuss.

Der Prospekt muss dem Anleger rechtzeitig vor Zeichnung der Anlage übergeben werden, damit dieser sich umfassend informieren kann. Macht der Anleger später aufgrund einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung geltend, reicht die Behauptung den Prospekt zu spät erhalten zu haben, nicht aus. Hier steht der Anleger in der Beweispflicht und muss darlegen, dass er den Prospekt nicht rechtzeitig erhalten hat. Das hat der BGH mit Urteil vom 15.08.2019 bekräftigt (Az.: III ZR 205/17).

Der Sachverhalt

In dem zu Grunde liegenden Fall hatte eine Anlegerin nach Beratung durch eine Handelsvertreterin der Beklagten in diverse geschlossene Fonds investiert. Später machte sie Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung geltend. Sie sei über die Risiken der Beteiligungen nicht aufgeklärt worden. Sie hätte zur Altersvorsorge in sichere Geldanlagen ohne Verlustrisiko investieren wollen. Die Fondsbeteiligungen hätten allerdings weder ihren Anlagezielen noch ihrer Risikobereitschaft (sicherheitsorientiert) entsprochen.

Die Beklagte widersprach den Vorwürfen. Die Anlageberatung sei ordnungsgemäß erfolgt und die Emissionsprospekte rechtzeitig übergeben worden. Da die Anlageberaterin inzwischen nicht mehr für sie arbeite, bestritt sie die verspätete Prospektübergabe später mit Nichtwissen.

Das Oberlandesgericht gab der Klage teilweise statt. Es stellte fest, dass die Beklagte den Zeitpunkt der Prospektüberhabe nicht einfach mit Nichtwissen bestreiten könne. Damit genüge sie ihrer Darlegungspflicht nicht. Sie hätte konkret darlegen müssen, wie die Prospektübergabe erfolgt sei.

Die Entscheidung des BGH

Das sah der BGH anders. Denn die Klägerin habe nicht behauptet, dass sie die Prospekte gar nicht erhalten habe, sondern dass ihr die Prospekte erst am Zeichnungstag übergeben worden seien. Damit handele es sich hier nicht um eine negative Tatsachenbehauptung, sodass die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, dass die Prospekte zu spät überreicht wurden, weiter bei der Klägerin liege. 

Die Beklagte habe hingegen die Behauptung, dass die Prospekte erst am Zeichnungstag übergeben wurden, hinreichend bestritten und ihrer sekundären Darlegungspflicht genügt, so der BGH. Ihre Darstellung zur Prospektübergabe beruhe auf Anhaltspunkten wie Schulung der Beraterin und die Bestätigung der Klägerin in den Beratungsbögen, dass sie anhand des Prospekts aufgeklärt und beraten worden sei. Zudem habe es mehrere Beratungsgespräche gegeben, sodass es durchaus möglich sei, dass der Prospekt nicht erst am Zeichnungstag, sondern früher übergeben wurde.

Das Berufungsgericht muss nun neu entscheiden. Kommt es zu der Auffassung, dass die Klägerin die verspätete Prospektübergabe nicht bewiesen hat, wäre dem Vorwurf der Falschberatung die Grundlage entzogen.

Einschätzung und Empfehlung

„Eine fehlerhafte Anlageberatung kann durchaus Schadensersatzansprüche begründen. Allerdings muss die Falschberatung immer im Einzelfall bewiesen werden“, so Rechtsanwalt Jansen.

Mehr Informationen: https://www.ajt-partner.de/schwerpunkte/bank-kapitalmarktrecht/ 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Markus Jansen

Beiträge zum Thema