Fehlerhafte Widerrufsbelehrung führt zur Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung!

  • 4 Minuten Lesezeit

Die beklagte Sparkasse muss meinem Mandanten die zu Unrecht geleistete Vorfälligkeitsentschädigung nach Aufhebung des Darlehensvertrages zurückzahlen – so entschieden durch den Neunten Senat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in zweiter Instanz (nachzulesen Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil vom 02.02.2017, Az.: 9 U 13 / 15).

Der zu Grunde liegende Sachverhalt dürfte sich in der Bundesrepublik Deutschland so oder so ähnlich in den letzten Jahren tausendfach abgespielt haben: Mein Mandant hatte eine Immobilie durch ein Darlehen bei seiner örtlichen Sparkasse finanziert. Der Darlehensvertrag stammte aus dem Jahr 2007. Zwar lag dem Darlehensvertrag auch eine Widerrufsbelehrung bei. Diese war jedoch, wie sich im Anschluss in der zweiten Instanz herausstellte, unwirksam. Nun kam es wie es kommen musste. Mein Mandant veräußerte die Immobilie und bat seine Bank das zur Finanzierung dieser Immobilie bereitgestellte Darlehen vorzeitig ablösen zu dürfen. Der im Jahr 2007 abgeschlossene Darlehensvertrag wurde sodann Mitte 2011 einvernehmlich beendet. In ihrer Abrechnung berechnete die beklagte Sparkasse meinem Mandanten eine Vorfälligkeitsentschädigung von rund 18.000 €. Die Vorfälligkeitsentschädigung wurde von ihm zunächst auch geleistet. Allerdings widerrief der Mandant mit meiner Hilfe im September 2013 den Darlehensvertrag und forderte die Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von ca. 18.000 € zurück. Nachdem die beklagte Sparkasse außergerichtlich nicht bereit war, den Anspruch auszugleichen, wurde dieser klageweise zunächst vor dem Landgericht Frankfurt geltend gemacht. Dieses wies die Klage ab. In der zweiten Instanz von Oberlandesgericht Frankfurt hatte mein Mandant dann Erfolg:

Der Senat weist zunächst richtigerweise darauf hin, dass der Darlehensvertrag mit Erklärung vom 04.09.2013 wirksam widerrufen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei das Widerrufsrecht noch nicht erloschen.

Der Senat beschäftigt sich dann mit der Widerrufsbelehrung an sich und kommt zu dem Ergebnis, dass die Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Voraussetzungen des § 316 Abs. 1 BGB alter Fassung nicht genügt. Zum einen enthält die Widerrufsbelehrung eine unzureichende Information über den Beginn der Widerrufsfrist, da dort angegeben wird, dass die Frist frühestens mit Erhalt der Widerrufsbelehrung beginnt. Dieser Frist lässt sich nicht entnehmen, wann die Frist spätestens zu laufen beginnt und was zum Erhalt der Widerrufsbelehrung hinzutreten muss, damit die Frist in Gang gesetzt wird. Zum anderen unterrichtet die Widerrufsbelehrung auch undeutlich über die Länge der Widerrufsfrist. Im vorliegenden Fall hieß es im Fußnotentext: Bitte Frist im Einzelfall prüfen. Dies vermittelt den Eindruck, die Länge der Frist könne, je nach den nicht mitgeteilten Umständen des Einzelfalls, variieren und es sei Aufgabe des Verbrauchers, die in seinem Fall geltende Frist selbst festzustellen.

Daher kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass das vorliegende Muster nicht das Privileg der Gesetzlichkeitsfiktion für die Widerrufsbelehrung gemäß Anl. 2 zu § 14 BGB Info V genießt. Nach Auffassung des Senats liegt eine schädliche Abweichung vom Muster vor, da durch das Einfügen der bereits angesprochenen Fußnote die Musterbelehrung einer inhaltlichen Veränderung unterzogen wurde, die über das für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion erlaubte hinausgehe.

Nachdem diese Hürde genommen wurde geht der Senat des Oberlandesgerichts Frankfurt auch weiter davon aus, dass eine Verwirkung hier nicht vorliege. Anhand der neueren Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 2016 führt der Senat aus, dass weder das für die Verwirkung notwendige Zeitmoment noch das Umstandsmoment hier vorliege. Zunächst weist das Oberlandesgericht richtigerweise darauf hin, dass es für das Umstandsmoment nicht darauf ankommen kann, wie schwer bzw. gewichtig der Fehler der Widerrufsbelehrung ist. Liegt eine wirksame Widerrufsbelehrung nicht vor, wird die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt. Auch kann dem Verbraucher ein vertragstreues Verhalten über Jahre nicht zur Last gelegt werden. Es lässt keinerlei Rückschluss darauf zu, ob und in welcher Weise und mit welchem Ergebnis er sich mit der Frage eines etwaigen Widerrufs des Vertrags beschäftigt hat. Die Vertragserfüllung besagt daher lediglich, dass sich der Verbraucher zum Zeitpunkt der jeweiligen Leistung an den Vertrag gebunden gefühlt hat.

Im Ergebnis bedeutet dies auch, dass allein aus dem Umstand, dass der Kläger die Vorfälligkeitsentschädigung geleistet hat kein schutzwürdiges Vertrauen gegenüber der beklagten Sparkasse begründet hat. Zu Recht weist der Senat darauf hin, dass hier auch eine Situation vorlag in der dem Kläger ein außerordentliches Kündigungsrecht zu Verfügung stand. Verhandlungen über eine einvernehmliche Vertragsaufhebung waren daher im Grunde entbehrlich. Jedenfalls für den vorliegenden Fall scheitert die Verwirkung bereits an dem Umstandsmoment. Auch dass der Kläger erst 13 Monate nach vollständiger Rückführung der Forderung den Widerruf erklärte ist unerheblich. Hierbei handelt es sich noch nicht um ein solch langen Zeitraum, dass die Beklagte allein aufgrund der Dauer der Untätigkeit des Klägers bereits Anlass gehabt hätte, darauf zu vertrauen, dass der Kläger den Widerruf nicht noch erklären würde.

Fazit: Liegt also dem Darlehensvertrag eine unwirksame oder unzureichende Widerrufsbelehrung zu Grunde kann der Verbraucher auch noch nach Ablösung des Darlehensvertrags den Widerruf wirksam erklären. Eine bereits geleistete Vorfälligkeitsentschädigung kann dann zurückgefordert werden. Allerdings wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob Verwirkung vorliegt. Die Verwirkung unterliegt der tatrichterlichen Beurteilung. Der Neunte Senat des Oberlandesgerichts Frankfurt erachtet eine Erklärung des Widerrufs 13 Monate nach erfolgter Ablösung des Darlehensvertrages noch für wirksam. Andere Oberlandesgerichte ziehen bei sechs und neun Monaten bereits die Grenze. Zu beachten ist auch immer das sogenannte Umstandsmoment – ob der Verbraucher bei seiner Sparkasse oder Bank ein Vertrauen gesetzt hat, nachdem diese davon ausgehen kann, dass er den Widerruf nicht mehr erklären werde.

Eine pauschale Beurteilung, wie man sie auch auf ihren Internetseiten findet, verbietet sich, da schon die Verwirkung der tatrichterlichen Einzelfallprüfung unterliegt.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Kai Motzkus

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten