Finanzgeschäfte, Gesetzesdschungel und Verbotsirrtum: Wann schützt der Rat vom Anwalt vor bösen Überraschungen?

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Das deutsche Recht ist komplex, besonders im Bereich der Finanzanlagen und Kapitalmarktgeschäfte. Schnell kann man hier unwissentlich in Konflikt mit dem Gesetz geraten. Doch was passiert, wenn man sich auf den Rat eines Experten verlassen hat? Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) gibt wichtige Hinweise, nachdem die Vorinstanzen noch zu anderen Ergebnissen gekommen waren.

Was ist eigentlich ein "Verbotsirrtum"?

Stellen Sie sich vor, Sie tun etwas, von dem Sie fest überzeugt sind, es sei erlaubt. Später stellt sich jedoch heraus, dass Sie damit gegen ein Gesetz verstoßen haben. Juristen sprechen dann von einem "Verbotsirrtum". Normalerweise gilt der Grundsatz "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht". Ein Verbotsirrtum kann aber unter bestimmten Umständen dazu führen, dass eine Bestrafung ausbleibt oder milder ausfällt – nämlich dann, wenn der Irrtum "unvermeidbar" war.

Unvermeidbarer Irrtum: Der Anwalt als Rettungsanker?

Ein Irrtum über die Rechtslage gilt als unvermeidbar, wenn man trotz aller zumutbaren Anstrengungen nicht erkennen konnte, dass das eigene Handeln verboten ist. Dazu gehört in vielen Fällen auch, sich rechtlichen Rat einzuholen. Aber nicht jede anwaltliche Auskunft führt automatisch zur Straflosigkeit.

Der Bundesgerichtshof hat hierzu in einer Entscheidung vom 20. März 2025 (Az. III ZR 261/23) wichtige Klarstellungen getroffen und damit die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben.

Der Fall vor dem BGH – Kurz erklärt:

In dem verhandelten Fall ging es um einen Anbieter von Kapitalanlagen. Gegen diesen lief bereits ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, unerlaubte Einlagengeschäfte zu betreiben. Um sein Anlagemodell für die Zukunft rechtssicher zu gestalten, wandte sich der Anbieter an einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Dieser sollte ein neues, erlaubnisfreies Konzept entwickeln.

Der Fachanwalt prüfte die Sach- und Rechtslage umfassend, erarbeitete neue Vertragsunterlagen und ein Exposé für die Anleger. Diese Unterlagen wurden sogar der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Ermittlungen zur Kenntnis gegeben, welche die neuen Verträge zunächst als nicht erlaubnispflichtig ansah. Später kam es dennoch zum Streit, ob das neue Modell nicht doch erlaubnispflichtig gewesen wäre und der Anbieter Schadensersatz leisten müsse.

  • Die Vorinstanzen im Blick:
    • Das Landgericht Aachen (Urt. v. 19.5.2022 – 12 O 441/21) sah die Sache anders und gab der Klage eines Anlegers auf Schadensersatz in vollem Umfang statt. Es ging davon aus, dass der Anbieter eine vorsätzliche unerlaubte Handlung begangen hatte.
    • Auch das Oberlandesgericht Köln (Urt. v. 19.7.2023 – 13 U 131/22) bestätigte im Berufungsverfahren im Wesentlichen die Schadensersatzpflicht des Anbieters, verneinte aber immerhin den Vorwurf der vorsätzlichen unerlaubten Handlung.

Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidungen jedoch auf und entschied zugunsten des Anbieters: Er befand sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum. Die Richter stellten fest, dass sich der Anbieter auf die sorgfältige und umfangreiche Prüfung durch den spezialisierten Fachanwalt verlassen durfte. Entscheidend war hierbei:

  • Beauftragung eines ausgewiesenen Experten: Der Anbieter hatte sich an einen Fachanwalt für das betroffene Rechtsgebiet gewandt.
  • Umfassender Prüfauftrag: Der Anwalt wurde nicht nur um eine oberflächliche Einschätzung gebeten, sondern sollte ein komplett neues, rechtssicheres Modell entwickeln.
  • Erkennbare sorgfältige Prüfung: Der Anwalt hatte nachweislich erheblichen Aufwand in die Prüfung und Ausarbeitung investiert.
  • Keine "Gefälligkeitsauskunft": Es gab keine Anzeichen dafür, dass der Anwalt nur eine oberflächliche oder wunschgemäße Auskunft erteilt hatte, um den Mandanten zufriedenzustellen. Die Tatsache, dass bereits Ermittlungen liefen und die neuen Unterlagen der Staatsanwaltschaft vorgelegt wurden, sprach zusätzlich für die Ernsthaftigkeit der Bemühungen.

Der BGH betonte, dass der Anbieter unter diesen Umständen nicht verpflichtet war, die juristische Ausarbeitung des Fachanwalts nochmals selbst bis ins Detail auf Plausibilität zu überprüfen oder gar ein weiteres Gutachten einzuholen. Auch eine direkte Anfrage bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) war nicht zwingend erforderlich, da die Beratung durch den Fachanwalt und die Reaktion der Staatsanwaltschaft ausreichend Vertrauen begründeten.

Was bedeutet das für Sie in der Praxis?

Auch wenn dieser Fall sehr spezifisch ist und die unterschiedlichen Entscheidungen der Instanzen die Komplexität solcher Fragen zeigen, lassen sich allgemeine Ratschläge ableiten:

  1. Frühzeitig Rechtsrat einholen: Wenn Sie unsicher sind, ob Ihre (geplanten) geschäftlichen Aktivitäten, insbesondere im Finanzbereich, rechtlich einwandfrei sind, zögern Sie nicht, einen Anwalt zu konsultieren.
  2. Den richtigen Experten wählen: Wenden Sie sich an einen Rechtsanwalt, der auf das betreffende Rechtsgebiet spezialisiert ist (z.B. einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei Finanzfragen).
  3. Offen und umfassend informieren: Legen Sie Ihrem Anwalt alle relevanten Informationen und Unterlagen vor. Nur so kann er die Situation korrekt einschätzen.
  4. Auf Sorgfalt achten: Eine seriöse Beratung erkennen Sie oft daran, dass der Anwalt sich Zeit nimmt, Rückfragen stellt und seine Einschätzung nachvollziehbar begründet. Reine "Das-geht-schon"-Auskünfte bei komplexen Fragen sollten Sie skeptisch machen.
  5. Vertrauen ist gut, aber...: Auch wenn Sie sich grundsätzlich auf den Rat eines sorgfältig ausgewählten Anwalts verlassen dürfen, schadet es nicht, bei offensichtlichen Widersprüchen oder wenn Ihnen etwas gänzlich unplausibel erscheint, nochmals nachzufragen.

Schlussbemerkung und Empfehlung:

Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum kann vor rechtlichen Nachteilen schützen, die Voraussetzungen dafür sind jedoch streng, wie die unterschiedlichen Bewertungen durch die Gerichte zeigen. Die Beratung durch einen qualifizierten und spezialisierten Rechtsanwalt ist oft ein entscheidender Faktor, um die eigene Rechtsposition abzusichern und ungewollte Gesetzesverstöße zu vermeiden. Dies gilt insbesondere in komplexen Rechtsgebieten wie dem Bank- und Kapitalmarktrecht.

Wenn Sie vor wichtigen finanziellen Entscheidungen stehen, unsicher bezüglich der rechtlichen Rahmenbedingungen Ihrer Kapitalanlagen sind oder eine Überprüfung Ihrer Verträge wünschen, ist eine fachkundige Beratung unerlässlich. Rechtsanwalt Wolfgang Benedikt-Jansen, als Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, verfügt über die notwendige Expertise und steht Ihnen bei der Klärung Ihrer Fragen und der Lösung von Problemen in diesem Bereich gerne zur Seite.




Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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