Führt eine Vaterschaftsanfechtung zum Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes?

  • 3 Minuten Lesezeit

In Deutschland bestimmt sich die staatliche Zugehörigkeit eines Kindes häufig anhand der Abstammung. Ist mindestens ein Elternteil deutscher Staatsangehöriger, erwirbt das Kind etwa durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Absatz 1 S. 1 StAG). Was passiert aber, wenn die Vaterschaftsanerkennung des deutschen Elternteils angefochten wird und dies zur Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft führt?

Das Grundgesetz schützt die deutsche Staatsangehörigkeit in Art. 16 Abs. 1 besonders. Eine Entziehung der Staatsangehörigkeit ist ausdrücklich verboten, während ein Verlust nur unter streng geregelten Bedingungen und aufgrund eines Gesetzes erfolgen darf, sofern der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird. 

Kein Verlust bei Altfällen, bis 2024!

Der Verlust der Staatsangehörigkeit wegen Vaterschaftsanfechtung tritt nicht bei Altfällen ein, also Fällen vor dem Inkrafttreten des neuen § 17 StAG i.d.F. 2024. 

Das musste erst durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 17.7.2019 – 2 BvR 1327/18) festgestellt werden, während viele Staatsangehörigkeitsbehörden und sogar das Bundesverwaltungsgericht es anders sahen. Die Behörden und das Bundesverwaltungsgericht sahen eine Rechtsgrundlage für den rückwirkenden Verlust in § 4 Abs. 1 StAG und begründeten, dass diese Norm, die den Erwerb der Staatsangehörigkeit regele, zugleich auch die Verlustgrundlage sein könne.

Das BVerfG befasste sich in seiner Entscheidung insbesondere mit der Frage, ob die durch den rechtlichen Vater vermittelte deutsche Staatsangehörigkeit, bei einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung erlischt. Das Gericht stellte klar, dass eine solche Situation nicht als unzulässige Entziehung der Staatsangehörigkeit zu betrachten sei, weil der gesetzliche Verlustmechanismus – ausgelöst durch eine private Entscheidung des Scheinvaters – keine willkürliche Nutzung staatlicher Macht darstellt - denn hiervor schützt Art. 16 Abs. 1 GG (insoweit in Einklang mit: BVerfG NJW 2014, 1364 und Jarass/Pieroth GG Art. 16 Rn. 8).

Jedoch unterstrich es, dass ein solcher Verlust nur auf einer klaren gesetzlichen Grundlage beruhen darf. Da zum maßgeblichen Zeitpunkt keine ausreichende gesetzliche Grundlage vorlag, wurde der im Fall ausgesprochene Verlust als verfassungswidrig bewertet. Damit betonte das BVerfG die Notwendigkeit einer expliziten gesetzlichen Regelung, die die Möglichkeit des Verlustes der Staatsangehörigkeit infolge einer Vaterschaftsanfechtung umfasst. Denn andernfalls sei Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG verletzt, der eine Gesetzesermächtigung für den Verlust ausdrücklich vorsieht.

Mit dem Gesetzesvorbehalt hatte sich das Bundesverwaltungsgericht zwar auch auseinandergesetzt (BVerwG, Urteil vom 19.4.2018 – 1 C 1.17), aber es sah in § 4 Abs. 1 i.V.m. §§ 1599 Abs. 1, 1592 Nr. 2, 1600 I Nr. 1 BGB  (das sind familienrechtliche Regelungen zur Vaterschaftsanfechtung) die hinreichende Grundlage für den Staatsangehörigkeitsverlust bei erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung durch den Scheinvater. Diese Haltung hat das Bundesverfassungsgericht verworfen und verlangt für den Verlust der Staatsangehörigkeit strengere Anforderungen.

Gesetzesänderung 2024, § 17 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 lit. a) StAG

Wie bereits ausgeführt, hat das BverfG den Staatsangehörigkeitsverlust nach Vaterschaftsanfechtung für grundsätzlich in Einklang mit der Verfassung erachtet, wenn eine ausdrückliche Rechtsgrundlage vorliegt. Diese Rechtsgrundlage hat der Gesetzeber nun mit dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz (StARModG) geschaffen. Im neuen § 17 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 lit. a) StAG ist geregelt, dass diejenigen die Staatsangehörigkeit verlieren, die die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 (Abstammung von einem Deutschen), § 4 Abs. 2 (Findelkind), § 4 Abs. 3 S. 1 (Abstammung von Ausländer mit unbefristetem Aufenthaltsrecht) oder § 6 (Annahme als Kind) erworben haben und später das Nichtbestehen der Vaterschaft festgestellt wurde. Also die Vaterschaft angefochten wurde. Eine Ausnahme gibt es dabei noch: Die Staatsangehörigkeit geht nicht verloren, wenn das Kind bereits das 5. Lebensjahr vollendet hat, bevor die Vaterschaft rechtskräftig angefochten wurde, § 17 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 StAG.

Eine Vaterschaftsanfechtung kann seit dem Inkrafttreten des neuen StAG also zum Verlust der Staatsangehörigkeit führen. Dies gilt aber - wie bereits gesagt - nicht für Altfälle. Unter diesen Fällen gibt es solche Personen, die gar nicht wissen, dass sie weiterhin die Staatsangehörigkeit innehaben. 


Eine Korrektur kann hier durch ein Feststellungsverfahren nach § 30 Abs. 1 S. 1 StAG erfolgen.





Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Moheb Shafaqyar

Beiträge zum Thema