Gehen die Forderungen aus unerlaubter Handlung in einer Privatinsolvenz in Irland unter?

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Das Recht der Privatinsolvenzen wurde in der Republik Irland durch den Personal Insolvency Act 2012 umfassend reformiert. Interessant ist insbesondere, dass die Wohlverhaltensphase von vormals 12 Jahren auf grundsätzlich drei Jahre reduziert wurde, d. h. nach drei Jahren endet das Insolvenzverfahren mit einer Restschuldbefreiung, die – anders als etwa in Deutschland – auch Forderungen aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen umfasst. Ausgenommen sind allerdings gerichtlich verhängte Geldstrafen, welche in Irland von vorneherein aus dem Insolvenzverfahren ausgeschlossen sind.

Eine Verlängerung der Wohlverhaltensphase auf bis zu acht Jahre ab Insolvenzeröffnung ist durch Gerichtsbeschluss möglich, wenn ein Gläubiger oder der Treuhänder Einwendungen gegen die Restschuldbefreiung vorbringt. Solche Einwendungen können nur darauf gestützt werden, dass der Schuldner Mitwirkungspflichten verletzt oder Vermögenswerte nicht offengelegt hat. Spätestens nach acht Jahren muss allerdings Restschuldbefreiung erteilt werden. Ferner kann das Gericht auf Antrag anordnen, dass auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung Zahlungen zugunsten der Gläubiger zu leisten sind. Ein solcher Antrag muss vor Erteilung der Restschuldbefreiung gestellt werden. Die Zahlungsanordnung kann sich auf einen Zeitraum von fünf Jahren nach Erteilung der Restschuldbefreiung, maximal aber auf acht Jahre nach Insolvenzeröffnung, erstrecken. 

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob eine Insolvenzeröffnung in Irland gegenüber einem solchen Verfahren in Deutschland Vorteile bietet, insbesondere in Fällen, in denen erhebliche Forderungen aus Delikt bestehen. Denn die Frage der Wirksamkeit einer Restschuldbefreiung (auch im Hinblick auf Forderungen aus vorsätzlich begangenen Delikten) untersteht dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung und ist in Deutschland grundsätzlich anzuerkennen. Die einzige Ausnahme hierzu stellt Art. 26 EUInsVO, der sogenannte `Ordre Public´-Vorbehalt, dar. Danach kann die Anerkennung der Restschuldbefreiung durch deutsche Gerichte verweigert werden, wenn deren Anerkennung zu einem Ergebnis führen würde, das offensichtlich gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere die Grundprinzipien der BRD, verstößt.

Einen Vorteil kann eine Insolvenzeröffnung im Ausland zum einen nur dann bieten, wenn die Verlegung des Wohnsitzes bzw. des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen des Schuldners anerkannt wird (hier scheint sich in der Rechtsprechung eine Tendenz zur Anerkennung abzuzeichnen, vgl. etwa BGH-Beschluss vom 18.09.2001 – IX ZB 51/00; LG Trier, Urt. v. 2. 5. 2013 – 5 O 247/12). Zum anderen stellt sich die Frage, wie die deutschen Gerichte mit der Restschuldbefreiung auch von Forderungen aus vorsätzlichen Delikten umgehen werden. Da das englische und das französische Recht – ebenso wie das deutsche – die Restschuldbefreiung nicht auf solche Forderungen erstrecken, hatte sich soweit ersichtlich bisher noch kein deutsches Gericht mit dieser Frage zu befassen.

Der Hintergrund für den Ausschluss von Forderungen aus vorsätzlichen Delikten aus der Restschuldbefreiung ist, dass diese vom Gesetzgeber als besonders schutzwürdig erachtet werden; der Schuldner soll sich ihnen nicht entziehen können. Dies legt es nahe, dass deutsche Gerichte eine irische Restschuldbefreiung, die auch Forderungen aus in Deutschland begangenen vorsätzlichen Delikten umfasst, als Verstoß gegen den Ordre Public ansehen könnten.

In diesem Zusammenhang wäre allerdings das Urteil des EuGH in Sachen Brogsitter/Fabrication des Montres Normandes EURL zu beachten. Hier entschied der EuGH zu Art. 5 EuGVVO, dass Ansprüche, die nach deutschem Recht deliktsrechtlich einzuordnen sind, einen vertraglichen Gerichtsstand begründen können, wenn sich das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen vertragliche Verpflichtungen darstellt. Letzteres kann aus dem Vertragsgegenstand ermittelt werden und ist laut EuGH grundsätzlich der Fall, wenn eine Auslegung des Vertrags unerlässlich scheint, um zu klären, ob das vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder widerrechtlich ist.

Da der BGH erst kürzlich das „lückenlose Ineinandergreifen“ von EuGVVO und EUInsVO betont hat (Beschluss vom 08.05.2014 – IX ZB 35/12) und überdies Gemeinschaftsrecht stets autonom auszulegen ist, ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die „europäische“ Einordnung von Ansprüchen als vertraglich oder deliktisch auch im Rahmen der EUInsVO Anwendung findet und so von deutschen Gerichten zu berücksichtigen ist. Auch wenn die „Brogsitter“-Entscheidung zu Zuständigkeitsregelungen erfolgte, haben diese Regelungen materiell-rechtliche Anknüpfungspunkte, die sich überdies im Rahmen der EuGVVO bei der Anerkennung fortsetzen. Eine andere Beurteilung im Rahmen der EUInsVO erscheint daher systemwidrig.

Vor diesem Hintergrund kann man es schwerlich vermeiden, die Grundsätze der „Brogsitter“-Entscheidung auch im Rahmen des Art. 26 EUInsVO zur Anwendung zu bringen. Danach wäre es deutschen Gerichten verwehrt, die in Irland erteilte Restschuldbefreiung nicht anzuerkennen, soweit sie Ansprüche betrifft, die zwar nach deutschem Recht als deliktisch einzuordnen sind, allerdings nach „europäischen“ Grundsätzen vertraglicher Natur sind. Ferner ist es wohl nur in Ausnahmefällen denkbar, dass es Fälle gibt, in denen zwei Parteien vertraglich verbunden sind, eine Auslegung des Vertrags aber nicht unerlässlich scheint, um zu klären, ob das vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder widerrechtlich ist. Dies könnte allenfalls bei einigen vorsätzlichen Straftaten in Betracht kommen, bei denen es keinen Vertrag zwischen den Parteien gegeben hatte.

Fazit: Es ist durchaus denkbar, dass Forderungen aus unerlaubter Handlung untergehen könnten, die gleichzeitig einen Verstoß gegen vertragliche Verpflichtungen begründen.


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