Gemeinsames Testament trotz Unterzeichnung nach vielen Jahren noch möglich

  • 3 Minuten Lesezeit

Ein gemeinsames Testament ist eine sehr gebräuchliche Variante unter Ehegatten oder Lebenspartnern, nur diese können die besondere Art der Verfügung von Todes wegen nutzen. Es entfaltet Bindungswirkungen, die den überlebenden Partner daran hindern sollen, nach dem Tod des ersten den gemeinsamen Willen noch einmal umzustoßen. Ein gemeinsames Testament ist von beiden Ehegatten zu unterzeichnen. Dies kann aber durchaus auch noch nach einem längeren Zeitablauf geschehen, im hier zu besprechenden Urteilsfall sogar noch nach sechs Jahren.

Andreas Keßler, Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht aus Bad Vilbel bei Frankfurt am Main, www.Kanzlei-Andreas-Kessler.de, weißt in diesem Zusammenhang auf das Urteil des OLG München vom 1. Dezember 2011 (Az. 3 Wx 249/10) hin:

  • Der Ehemann E hatte 1971 ein als gemeinschaftliches Testament überschriebenes Dokument verfasst, laut dessen Wortlaut die Ehegatten gegenseitig zu befreiten Vorerben und die Kinder zu Nacherben eingesetzt wurden. Er unterzeichnete dieses allein.
  • 1977 unterzeichnete die Ehefrau F das Testament mit den Worten:"Das vorstehende Testament meines Ehemannes soll auch als mein Testament gelten".
  • Nach dem Tod der F wurde dem E unter Hinweis auf das Testament von 1971/77 ein Erbschein als Alleinerbe ausgestellt. Danach setzte er eine dritte Person in einem neuen Testament als Alleinerbin ein. Dem widersprachen die Kinder von E und F, die aufgrund des ersten Testamentes als Miterben zu je ½ eingesetzt werden wollten.
  • Entscheidend war hier die Frage, ob das erste Testament ein gemeinschaftliches von E und F war, da dann E nach dem Tod der F nicht mehr zu Lasten der Kinder neu zugunsten der dritten Person verfügen konnte.
  • Es ist anerkannt, dass die Zustimmung zu dem gemeinschaftlichen Testament auch noch nach längerer Zeit erfolgen kann, die Zeitspanne ist hier ohne Bedeutung. Daher konnte durch die Zustimmung der F auch noch nach 6 Jahren ein gemeinschaftliches Testament formwirksam errichtet werden.
  • Die Zustimmung führt nur dann nicht zu einem gemeinschaftlichen Testament, wenn der andere Ehegatte im Zeitpunkt der Zustimmung keinen Testierwillen in diesem Sinne mehr hatte. Wenn E im Zeitpunkt der Unterzeichnung durch F nicht mehr den Willen hatte, wie 1971 dokumentiert zu testieren, dann wäre kein gemeinschaftliches Testament zustande gekommen. Dies war daher vorliegend zu klären.
  • Hier leitete das Gericht diesen Willen aus dem Verhalten nach dem Tod der F ab. Er legte das Testament als gemeinsames dem Nachlassgericht vor und begründete damit auch sein Alleinerbrecht.
  • Das spätere Testament konnte daher nicht mehr die Bindungswirkung des gemeinsamen Testamentes durchbrechen, E war an das erste Testament gebunden.

Hier zeigt sich, dass die für einen Rechtslaien Rechtsfolgen im Erbrecht  nicht immer überschaubar sind. Es ist fraglich, ob E bewusst war, dass er hier einer Bindungswirkung unterworfen war, als er später neu testierte

Es empfiehlt sich daher, bei Abfassung eines Testamentes einen Fachmann um Rat zu fragen, der hilft, den letzten Willen rechtssicher in einem Testament umzusetzen. Wenn schon ein Testament im Hinblick auf die Bindungswirkung Anlass zu Zweifeln gibt, um wie viel größer sind dann die Möglichkeiten zu Fehlinterpretationen bei einem komplexen letzten Willen mit Erben, Vermächtnissen, Vor- und Nacherbfolge, Pflichtteilen, Testamentsvollstreckung u.s.w.. Die Möglichkeiten, sich von der Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testamentes zu befreien, sind hier sicherlich nicht geprüft worden.

Andreas Keßler, Kasseler Str. 30., 61118 Bad Vilbel, Tel.: 06101-800660

http://www.Kanzlei-Andreas-Kessler.de


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt/Steuerberater Andreas Keßler

Beiträge zum Thema