Gesellschafterstreit: FAQs zur Wahl und Verhinderung eines Versammlungsleiters in Gesellschafterversammlungen einer GmbH
- 3 Minuten Lesezeit

von Rechtsanwalt u. FA für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Marc Laukemann*
1. Ist ein Versammlungsleiter in der GmbH zwingend erforderlich?
Nein, im GmbH-Recht ist ein Versammlungsleiter nicht zwingend vorgeschrieben. Allerdings ist die Bestellung eines Versammlungsleiters insbesondere bei Mehrpersonengesellschaften und in konfliktbeladenen Situationen zweckmäßig und oft unerlässlich, um eine sachliche und effiziente Versammlungsdurchführung zu gewährleisten (Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2024, 271).
2. Welche rechtlichen Grundlagen gibt es für die Wahl des Versammlungsleiters?
Die Wahl des Versammlungsleiters ist nicht im GmbHG festgelegt. Sie kann durch die Satzung, die Geschäftsordnung oder ad-hoc durch Beschluss der Gesellschafter bestimmt werden (BGH NZG 2009, 1309 Rn. 7). Eine einfache Mehrheit reicht in der Regel aus, obwohl teilweise auch eine qualifizierte Mehrheit gefordert wird (MüKoGmbHG/Liebscher, 4. Aufl. 2023, GmbHG § 48 Rn. 119).
3. Welche Person kann zum Versammlungsleiter gewählt werden?
Jede anwesende, geschäftsfähige natürliche Person kann zum Versammlungsleiter gewählt werden, einschließlich Gesellschafter, Mitglieder des Aufsichtsrats, Geschäftsführer oder Dritte (Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2024, 271).
4. Kann der Versammlungsleiter eigenmächtig Tagesordnungspunkte ändern oder hinzufügen?
Nein, der Versammlungsleiter darf die Tagesordnung nicht eigenmächtig ändern oder Punkte hinzufügen. Er muss die vorgegebene Tagesordnung beachten und darf nur aus sachlichem Grund von der Reihenfolge abweichen (OLG München, 08.10.1993 - 23 U 3365/93 GmbHR 1994, 251; Noack/Servatius/Haas/Noack Rn. 18).
5. Darf der Versammlungsleiter das Wort entziehen oder einen Gesellschafter von der Versammlung ausschließen?
Ja, der Versammlungsleiter kann das Wort entziehen oder einen Gesellschafter ausschließen, wenn dieser die Versammlung erheblich stört. Solche Maßnahmen sind jedoch nur nach vorheriger Abmahnung und bei schwerer Beeinträchtigung des Versammlungsablaufs zulässig (BGH, 20.11.2018 - II ZR 12/17, GmbHR 2019, 335, 340; OLG Köln, Urteil vom 16. 5. 2002 - 18 U 31/02 NZG 2003, 40; BeckOGK/Denga GmbHG § 48 Rn. 45-46).
6. Welche Maßnahmen kann ein Gesellschafter ergreifen, um einen Versammlungsleiter der Gegenseite zu verhindern?
- Geschäftsordnungsantrag stellen: Einen Gegenantrag zur Wahl eines eigenen Versammlungsleiters einbringen.
- Treuwidrige Beschlüsse anfechten: Wenn die Wahl des Versammlungsleiters treuwidrig ist oder Minderheitenrechte verletzt, dies als Verfahrensfehler anfechten (BGH, 20.11.2018 - II ZR 12/17; OLG Hamm, Urteil vom 06.05.2003 - 27 U 131/02).
- Neutralitätsgebot einfordern: Betonen der Pflicht zur Neutralität und Objektivität des Versammlungsleiters (BGH Urteil v. 21.06.2010 - II ZR 230/08, GmbHR 2010, 977).
7. Wie kann man sich gegen einen unrechtmäßig handelnden Versammlungsleiter wehren?
- Anfechtungsklage erheben: Bei wesentlichen Verfahrensfehlern eine Anfechtungsklage einreichen (BGH, 11.11.1965 - II ZR 122/63, BGHZ 44, 245).
- Einstweilige Verfügung beantragen: Bei akuten Verstößen gegen Satzungsregeln oder Geschäftsordnungen nach § 940 ZPO (BGH, 20.11.2018 - II ZR 12/17, GmbHR 2019, 335, 340).
- Geschäftsordnungsbeschlüsse korrigieren: Einen neuen Geschäftsordnungsbeschluss vorschlagen, um Fehlverhalten zu korrigieren (OLG Hamm, Urteil vom 06.05.2003 - 27 U 131/02).
8. Welche Rolle spielt das Hausrecht in der Gesellschafterversammlung?
Das Hausrecht liegt grundsätzlich bei den Gesellschaftern, kann jedoch konkludent dem Versammlungsleiter übertragen werden. Dieser darf dann ordnungswidriges Verhalten unterbinden und notfalls Gesellschafter des Raumes verweisen, bleibt aber weisungsgebunden (OLG Hamm, Urteil vom 06.05.2003 - 27 U 131/02, GmbHR 2003, 1211; BeckOGK/Denga GmbHG § 48 Rn. 44-45).
9. Wie sichert man die Neutralität und Effizienz des Versammlungsleiters?
- Satzungsregelungen und Geschäftsordnung beachten: Klar definierte Regeln und Pflichten des Versammlungsleiters.
- Weisungsgebundenheit sicherstellen: Der Versammlungsleiter muss an die Weisungen der einfachen Gesellschaftermehrheit gebunden sein (BGH, 12.01.2009 - II ZR 27/08, GmbHR 2009, 1325).
- Eignung des Versammlungsleiters prüfen: Neutralität, Sachkunde und Unbefangenheit sind entscheidende Kriterien (OLG München, Urt. v. 12.1.2017 – 23 U 1994/16, GmbHR 2017, 469).
10. Wie kann der Versammlungsleiter abberufen werden?
Ein durch einfachen Mehrheitsbeschluss gewählter Versammlungsleiter kann mangels abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag jederzeit durch einfachen Mehrheitsbeschluss wieder abberufen werden (Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG, 21. Aufl. 2023, GmbHG § 48 Rn. 15). Ist der Versammlungsleiter in der Satzung festgelegt, kann er auch aus wichtigem Grund abberufen werden, wobei teilweise eine Satzungsänderung notwendig ist (BGH, 21.06.2010 - II ZR 230/08, NZG 2010, 1022 Rn. 18).
Diese FAQs bieten einen präzisen Überblick über die zentralen Punkte zur Wahl und Verhinderung eines Versammlungsleiters sowie zu den Rechten und Pflichten in Gesellschafterversammlungen einer GmbH.
* Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann ist Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte München, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz, zertifizierter Wirtschaftsmediator (IHK) und systemischer Business Coach (IHK). Er berät regelmäßig Betroffene im Zusammenhang mit Compliance-Verstößen von Geschäftsführungsorganen
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