Gesetzesänderungen für „bedeutende Rechtsgeschäfte“ und Rechtsgeschäfte mit „interessierten Personen“

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Am 1. Januar 2017 treten wichtige Änderungen im russischen Aktiengesetz und GmbH-Gesetz in Kraft. Die Änderungen betreffen „bedeutende Rechtsgeschäfte“ und „Geschäfte mit interessierten Personen“ (Föderales Gesetz Nr. 343-FZ vom 3. Juli 2016).

Die Gesetzesänderung gehört zu den Maßnahmen zur Umsetzung der politischen „Roadmap“, die eine Verbesserung des Investitionsklimas in Russland und die Schaffung eines internationalen Finanzzentrums zum Ziel haben, so die Gesetzesbegründung. Bisher war die Definition beider Rechtsgeschäfte weit gefasst. Dadurch bedurften viele Rechtsgeschäfte der Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung und einer vorherigen Prüfung. Ohne entsprechenden Gesellschafterbeschluss waren diese anfechtbar – was zu einer entsprechenden Rechtsunsicherheit und vielen Prozessen führte.

Durch die Gesetzesänderung wird die Definition deutlich enger gefasst. In der Praxis werden dadurch weniger Rechtsgeschäfte der Zustimmung durch die Gesellschafter unterliegen – also weniger Aufwand und Bürokratie für das Unternehmen. Die Gesetzesänderung folgt damit der Rechtspraxis des Obersten Arbitragegerichtes (VAS) gemäß seiner Verordnung Nr. 28 vom 16. Mai 2014.

Begriffspräzisierung

Bisher wurde beim bedeutenden Rechtsgeschäft hauptsächlich darauf abgestellt, ob der Wert des Rechtsgeschäfts größer als 25 % des Bilanzwertes war oder nicht. Nunmehr gilt ein Rechtsgeschäft – auch wenn es diese Grenze übersteigt – nur dann als bedeutendes Rechtsgeschäft, wenn es nicht zur „üblichen Geschäftestätigkeit“ des Unternehmens zählt.

Zur „üblichen Geschäftestätigkeit“ gehören beliebige Rechtsgeschäfte, die nicht zum Ende der Tätigkeit, zur Änderung der Gewerbeart oder zu einer wesentlichen Änderung des Tätigkeitsumfangs führen (Art. 84 Pkt. 4 AktG, Art. 46 Pkt. 8 GmbHG). Diese Kriterien sind relativ unbestimmt und werden in der Praxis sicherlich zu Streitigkeiten führen. Es besteht allerdings die Möglichkeit, den Tätigkeitsumfang in der Satzung detaillierter auszuformulieren.

Darüber hinaus wurde das Verfahren zur Bestimmung des Wertes des zu veräußernden Vermögens geändert. Derzeit wird der Vermögenswert auf Grundlage der buchhalterischen Rechnungslegung bestimmt. Ab 1. Januar 2017 ist der Wert des zu veräußernden Vermögens entweder als Vermögenswert auf Grundlage der buchhalterischen Rechnungslegung oder als Veräußerungswert zu bestimmen, je nachdem welcher Wert höher ist.

Als bedeutende Rechtsgeschäfte gelten nicht nur Geschäfte über die Veräußerung oder die Möglichkeit der Veräußerung von Vermögen des Unternehmens, sondern u.a. auch Mietverträge und Lizenzverträge. Dies war zwar auch schon bisher durch die Rechtsprechung anerkannt (Informationsschreiben des VAS Nr. 66 vom 11. Januar 2002), ist nun aber explizit im Gesetz erwähnt.

Genehmigung von bedeutenden Rechtsgeschäften

Nach wie vor ist für den Abschluss eines bedeutenden Rechtsgeschäftes eine Genehmigung erforderlich. Die besonderen Genehmigungsvorschriften für bedeutende Rechtsgeschäfte (Art. 78 ff. AktG, 46 GmbHG) und Rechtsgeschäfte mit interessierten Personen (Art. 81 ff. AktG, 45 GmbHG) dienen dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger ebenso wie dem der Gesellschafter.

Das Wort Genehmigung wird nun im Gesetz durch „Zustimmung“ ersetzt. Bevor ein „Beschluss über die Zustimmung auf Abschluss eines bedeutenden Rechtsgeschäftes“ getroffen werden kann, hat bei Aktiengesellschaften nun der Direktorenrat eine entsprechende Beschlussvorlage vorzubereiten. Diese Beschlussvorlage hat Information zu den voraussichtlichen Folgen für das Unternehmen und die Zweckmäßigkeit des bedeutenden Rechtsgeschäftes zu enthalten. Die Beschlussvorlage ist den Aktionären vor der Aktionärsversammlung, auf der der Zustimmungsbeschluss zu fassen ist, vorzulegen.

Der Zustimmungsbeschluss kann nun neben zwingenden Angaben auch folgende Information enthalten:

  • Mindest- bzw. Höchstwerte des jeweiligen Geschäftes
  • Genehmigung mehrerer gleichartiger Geschäfte
  • alternative Varianten der Bedingungen des Geschäftes
  • Genehmigung eines Geschäftes unter der Bedingung des gleichzeitigen Abschlusses mehrerer Geschäfte.

Eine wichtige Änderung betrifft die Gültigkeitsdauer eines solchen Beschlusses. Derzeit ist hierzu im Gesetz nichts geregelt. Ab 1. Januar beträgt die Gültigkeitsdauer ein Jahr ab Beschlussfassung, sofern im Beschluss keine anderen Fristen vorgesehen sind.

Weniger genehmigungspflichtige Geschäfte

Die Liste der genehmigungspflichtigen Geschäfte wird durch die Gesetzesänderung gekürzt und nachfolgenden Geschäfte nicht mehr als genehmigungspflichtige bedeutende Rechtsgeschäfte anerkannt werden:

  • Rechtsübertragung von Vermögen infolge einer Reorganisation (darunter Unternehmenskaufverträge sowie Verschmelzungsverträge)
  • Geschäfte, deren Abschluss für das Unternehmen gesetzlich verpflichtend ist
  • öffentlich-rechtliche Verträge, deren Bedingungen „normalen“ öffentlich-rechtlichen Verträgen entspricht
  • Geschäfte, die aufgrund eines Vorvertrages geschlossen werden, der bereits genehmigt wurde
  • sonstige Geschäfte.

Abschaffung des Begriffs „affiliierte Person“ in Bezug auf Geschäfte mit interessierten Personen

In Bezug auf Geschäfte mit interessierten Personen wird der Begriff „affiliierte“ Personen durch „kontrollierende“ und „kontrollierte“ Personen ersetzt. Diese Begriffe stammen aus dem Gesetz „Über den Wertpapiermarkt“ und sind laut Gesetzgeber transparenter.

Unter „kontrollierender“ Person wird jene Person verstanden, die direkt oder indirekt berechtigt ist, den Generaldirektor oder mehr als 50 % des kollegialen Exekutivorgans eines Unternehmens zu bestellen oder über mehr als 50 % der Stimmen auf der Gesellschafterversammlung verfügt.

Keine vorherige Zustimmung für Geschäfte mit interessierten Personen erforderlich

Ab 1. Januar 2017 bedürfen Geschäfte mit interessierten Personen keiner vorherigen Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung. Allerdings haben Generaldirektoren, Direktorenratsmitglieder, Mitglieder der Revisionskommission und Gesellschafter bzw. Aktionäre, die über mindestens 1 % der Stimmrechte verfügen, das Recht, eine vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung zu verlangen und eine außerordentliche Gesellschafterversammlung einzuberufen.

Anstelle der vorherigen Zustimmung tritt nunmehr die Verpflichtung der Gesellschaft, alle nicht interessierten Gesellschafter und nicht interessierten Mitglieder des Direktorenrates spätestens 15 Tage vor Abschluss über das bevorstehende Geschäft zu informieren. Durch die Satzung der Gesellschaft können auch längere Fristen vorgesehen werden.

Nicht-öffentliche Gesellschaften wie die russische GmbH (OOO) und die nicht-öffentliche Aktiengesellschaft (NPAO – früher ZAO) können allerdings in ihren Satzungen abweichende Regelungen treffen und diese auch vollständig ausschließen.

Weniger genehmigungspflichtige Geschäfte mit interessierten Personen

Wie bei „bedeutenden Rechtsgeschäften“ wird auch die Anzahl der genehmigungspflichtigen Geschäfte mit interessierten Personen reduziert. Zusätzlich zu oben genannten Ausnahmen bedürfen folgende Geschäfte keiner Zustimmung:

  • Geschäfte, deren Wert 0,1 % des Bilanzwertes der Aktiva der Gesellschaft nicht überschreitet
  • Geschäfte, die infolge öffentlicher Versteigerungen abgeschlossen wurden, falls die Bedingungen der Durchführung dieser Versteigerungen bereits genehmigt wurden.

Anfechtung von „bedeutenden Rechtsgeschäften“ und Geschäften mit interessierten Personen

Die Anfechtbarkeit von „bedeutenden Rechtsgeschäften“ und Geschäften mit interessierten Personen wird ebenfalls neu geregelt. Bisher hatte der Vertragspartner zu beweisen, dass er nichts über den rechtswidrigen Abschluss des „bedeutenden Rechtsgeschäftes“ oder Geschäftes mit interessierten Personen wusste oder nicht wissen konnte.

Ab 1. Januar 2017 hat nun der Kläger zu beweisen, dass der Vertragspartner wusste oder wissen sollte, dass das abgeschlossene Geschäft für die Gesellschaft ein „bedeutendes Rechtsgeschäft“ oder ein Geschäft mit interessierten Personen ist und keine Zustimmung für dessen Abschluss vorlag.

Vermutung der Gutgläubigkeit des Vertragspartners

Ab 1. Januar 2017 dürfen nur diejenigen Gesellschafter bzw. Aktionäre das Geschäft vor Gericht anfechten, die über mindestens 1 % der Stimmen verfügen. Hierdurch sollen „unbegründete“ Anfechtungsklagen von Minderheitsgesellschaftern, die die Anfechtung von Geschäften als Erpressungsmittel ausnutzen, ausgeschlossen werden. Diese Schwelle ist indes nach wie vor niedrig, so dass auch in Zukunft ein gewisser Missbrauch nicht ausgeschlossen werden kann. Auch Direktorenratsmitglieder haben ein Anfechtungsrecht.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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