Gesundheitsbüros arabischer Staaten: Umgang mit offenen Arzt- und Krankenhausrechnungen

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Dieser Artikel richtet sich an medizinische Dienstleister in Deutschland und Europa, die ausländische Patienten insbesondere aus der Golf-Region behandeln und Schwierigkeiten bei der Rechnungsbegleichung und Kommunikation mit dem Konsulat, der Botschaft oder direkt mit einem zuständigen Ministerium des ausländischen Staates haben, wie z. B. dem Gesundheitsbüro (Health Office), Health Ministry oder Ministry of Defence usw..

Ich gebe einige Hinweise zum Umgang mit ausländischen staatlichen Kostenträgern dieser Art, die aus eigener Erfahrung der letzten ca. 14 Jahre gewachsen sind. Bei weiteren Fragen oder zur Mandatierung zur Vertragsgestaltung, Abwicklung und Geltendmachung von Forderungen nehmen Sie bitte Kontakt mit der Kanzlei auf:  frontdesk@ra-zimmermann.net oder 069-40031746.

1. Der Vertrag mit dem ausländischen Staat

In der Regel schließen die medizinische Einrichtung und ein Vertreter des ausländischen Staates einen Rahmenvertrag. Dieser Vertreter kann ein speziell eingerichtetes Gesundheitsbüro sein, das offiziell dem Konsulat, tatsächlich aber einem Ministerium des jeweiligen Staates untersteht. Auf der vertragsschließenden Seite des Staates steht z. B. dann ein Konsul oder ein Attaché. Dieser kann stellvertretend für das zuständige Ministerium den Vertrag verhandeln und zeichnen. Die tatsächlichen Entscheider werden der medizinischen Einrichtung oftmals nie (persönlich) bekannt.

Da die Verträge oft langfristig geschlossen sind, kann es beim ausländischen Staat zu Personalwechseln auf mehreren Ebenen kommen, die für den deutschen Part gar nicht ersichtlich sind – aber deutliche Auswirkungen auf die Einstellung zum Vertrag haben können. So können Wechsel dazu führen, dass im Ministerium neue Zuständigkeiten bei der Rechnungskontrolle der Krankenhäuser bestehen, die vorher akzeptierte medizinische Leistungen oder Abrechnungsprozeduren kritischer prüfen oder gar modifizieren möchten. Entsendet ein Ministerium z. B. eine Delegation in ein Konsulat, kann dies dazu führen, dass eine erneuete Überprüfung von Rechnungen erfolgt und dies den Zahlungsprozess verlangsamt oder stoppt.  

Die Behandlungskosten werden oft über eine Kostenübernahmegarantie abgesichert, und/oder man vereinbart Vorschusszahlungen und eine anschließende Guthabenverrechnung.

Was für medizinische Dienstleister in Deutschland nach einem alltäglichen Vertrag aussieht, birgt jedoch Gefahren: Die Unterschiede der Vertragsparteien sind oft enorm und damit die jeweiligen Auffassungen vom Ablauf der Behandlung und den Behandlungen selbst. Diese Unterschiede werden oft nicht ernsthaft genug berücksichtigt, so dass schon beim Vertragsschluss die ersten Lücken und Probleme entstehen können und spätere Schwiergkeiten vorprogrammiert sind.

Eine ausführliche Klärung ist an diesem Punkt sehr wichtig. Zu schnell entsteht der Eindruck, der Vertrag sei doch deutlich und vollständig genug und sichere Ansprüche beider Parteien ausreichend ab. Das ist jedoch häufig gerade nicht der Fall.

Hinweis: Achten Sie bei der Vertragserstellung und -verhandlung sehr genau auf die Vorstellungen aller Beteiligten, lassen sich die zuständigen Ansprechpartner mitteilen und erfragen die Entscheidungsstrukturen beim ausländischen Staat. Was für eine medizinische Einrichtung selbstverständlich ist, muss es für einen Vertragspartner aus einem arabischen Staat lange nicht sein – und umgekehrt.

2. Klärung der Zuständigkeit beim ausländischen Vertragspartner

In einem Health Office handelt offiziell das (General-)Konsulat, tatsächlich aber ist der Konsul gar nicht zuständig für diesen Bereich, sondern das Management, d. h. die Attachés und damit übergeordnet das jeweilige Gesundheitsministerium im Heimatland, das selbst nicht weiter in Deutschland vertreten ist.

Bei ausstehenden Zahlungen ist somit das Auswärtige Amt in Berlin der einzige rechtlich mögliche „Zugriffsweg.“ Eine Klinik, deren Rechnungen nicht gezahlt werden, kann über das AA zwar eine Verbalnote (d. h. eine formelle Nachricht an den Botschafter bzw. die Vertretung des Landes) erwirken. Es ist fraglich, welchen Effekt diese Verbalnote dann tatsächlich auf die offene Rechnung hat.

Ich war selbst im Gesundheitsministerium des arabischen Staates vor Ort – dort herrscht kulturbedingt eine ganz andere Auffassung und Verständnis von Vertragsverhältnissen und Auseinandersetzungen mit deutschen Einrichtungen. Der Konsul in Deutschland mag mit den deutschen Systemen vertraut sein. Das trifft jedoch üblicherweise nicht auf diejenigen zu, die tatsächlich über die Zahlungen bestimmen, nämlich das Management eines Gesundheitsbüros oder die zuständigen Entscheider eines Konsulats.

In einem Fall erschien ein deutscher Arzt beim Versuch, seine bestrittene Rechnung einzutreiben – neben anwaltlicher Einschaltung und Verbalnote – auch persönlich im zuständigen Büro, beim Konsul, beim betreffenden Patienten im Herkunftsland und dem Ministerium des ausländischen Staates. Mit seinem Vorgehen hat er allerdings nichts erreicht, weil er jegliche kulturelle Unterschiede außer acht gelassen und eine ganz falsche Reihenfolge seines Vorgehens gewählt hat – auch ein Problem der Zuständigkeit.

Hinweis: Klären Sie bei der Erstellung der Verträge die Zuständigkeiten und stellen sicher, dass alle Beteiligten Klarheit über diese Zuständigkeiten haben. Beachten Sie auch hier die kulturellen Unterschiede und jeweiligen Vorstellungen!

3. Sorgfältige Rechnungsstellung

Während oder nach den medizinischen Behandlungen kommt es immer wieder vor, dass ausländische Vertragspartner die Krankenhausrechnungen inhaltlich und formell bemängeln. Einzelne Positionen seien nicht verständlich, und Fehler – auch wenn diese versehentlich entstanden – haben größere Auswirkungen, als man z. B. von deutscher Seite annimmt.

Stellt die Klinik, der Arzt oder das Labor etc. eine Rechnung, sind Kostenübernahmegarantien und sonstige Absprachen zu Preisen, abrechnungsfähiger Faktor usw. zu berücksichtigen. Auch die Form der Rechnung spielt in der Regel eine erhebliche Rolle.

Denken Sie immer daran: die zuständige ausländische Einrichtung verwaltet und zahlt mit Steuergeldern des ausländischen Staates. Das bedeutet auch, dass man nicht ohne weiteres einen Vergleich schließen kann, so wie es in der freien Wirtschaft oft eine streitvermeindende praktikable Lösung ist.

Hinweis: Achten Sie peinlich genau auf 100% korrekte Rechnungen. Diese haben in der Zusammenarbeit mit einem ausländischen Staat einen noch höheren Stellenwert als ohnehin schon. Die Ausgabe von Steuergeldern muss vor dem Ministerium belegt werden. Ein Attachée will sich nicht nachsagen lassen, er habe diese Gelder gedankenlos oder – noch schlimmer – beleglos ausgegeben. Entsprechend haben korrekte Rechnungen einen hohen Stellenwert.

4. Patientenvermittlung und Kommunikation der Parteien

An der Patientenvermittlung an sich ist natürlich nichts auszusetzen. Sie birgt aber einige Gefahren, die sich in einem solchen Maße verwirklichen können, dass sie die gesamte Beziehung zwischen den den medizinischen Einrichtungen und dem ausländischen Staat (bzw. Konsulat, Gesundheitsbüro, Ministerium) zerstören oder zumindest erheblich stören können – was leider schon wiederholt, nicht nur in Deutschland, geschehen ist.

Im Rahmen des Trends der Patientenvermittlung haben sich einige Kliniken speziell auf ausländische, insbesondere arabische Patienten eingerichtet. Sie haben eigene (internationale) Abteilungen geschaffen, die auch den Kontakt zu den ausländischen Staaten halten und pflegen sollen. Im Idealfall sind die Mitarbeiter der Kliniken speziell geschult und haben kulturelle Wurzeln sowohl in Deutschland als auch einem der Länder, aus denen die Patienten stammen.

Bei anderen medizinischen Dienstleistern wird dies von den herkömmlichen Abteilungen „miterledigt.“ Jedoch ist der Wert einer kulturell angemessenen Kommunikation nicht zu unterschätzen. Auch ist von großer Bedeutung, zu verstehen, wie die Systeme im anderen Land funktionieren. Preisabsprachen, Kostenübernahmegarantien, medizinische Berichte, Rechnungen, sonstige organisatorische Klärung – hier zeigt sich, wie die Parteien miteinander umgehen und welcher Ton herrscht.

Hinweis: Es ist hilfreich, diejenigen Person, die mit dem ausländischen Staat in Kontakt sind mit einem Briefing über die administrativen und kulturellen Besonderheiten auf die Zusammenarbeit vorzubereiten. Dies hilft, Probleme zu vermeiden und treue Kunden zu bekommen.

5. Kostengarantieerklärungen

Manch eine Klinik oder medizinische Einrichtung kann ein Lied von diesen Erklärungen singen – ein Lied mit vielen Strophen. Die Kostenübernahmegarantieerklärungen (cost guarantees) können die Vertragsbeziehung auf eine harte Probe stellen:

  • Decken sie den ganzen Behandlungszeitraum, der abgerechnet wird?

  • Was ist mit Notfällen, in denen keine Erklärung eingeholt werden konnte?

  • Wie wird mit offensichtlich nicht abgedeckten Behandlungen umgegangen? 

  • Was, wenn der Patient noch selbst Leistungen in Anspruch genommen hat, die durch die Erklärung nicht gedeckt waren und der Patient z. B. längst nach Katar, Saudi, Kuwait oder Bahrain zurückgekeht ist?

  • Wurde überhaupt die richtige Garantieerklärung für die erbrachte Leistung ausgestellt? Was, wenn nicht – und wer ist dafür verantwortlich?

  • Handelt es sich um eine hoheitliche Maßnahme oder nicht?

Es gibt ausländische Einrichtungen, die keine einheitliche, sondern eine Vielzahl von Erklärungen nutzen. Das bloße Vorliegen einer Kostengarantieerklärung bedeutet also noch nicht, dass die Rechnung auch unbesehen darauf gestützt werden kann. Hier ist genau zu prüfen, ob die Garantieerklärung tatsächlich auch die Rechnung deckt.

Hinweis: Prüfen Sie Kostengarantieerklärungen genau und stellen fest, ob diese den Einzelfall abdecken. Reagieren Sie bei Fragen sofort, z. B. wenn es zu Zeitabweichungen kommt.

7. Der Patient

Der ausländische Patient ist nicht unbedingt mit allen Formalitäten und Voraussetzungen seiner medizinischen Behandlung vertraut. Er weiß eventuell nicht, welche Leistungen sein Staat übernimmt und welche nicht. Es kam auch schon vor, dass Patienten eigenmächtig – und ohne böse Absicht! – zusätzliche Leistungen in Anspruch nahm oder sich parallel in einer anderen Einrichtung behandeln ließ. Problematisch wird es insbesondere dann, wenn zwei Kostenübernahmegarantierklärungen von zwei unterschiedlichen Einrichtungen für denselben Zeitraum kursieren. Bei der Abrechnung wird es im Zweifel zu erheblichen Schwierigkeiten kommen. 

Der Patient hat in der Regel nichts mit der Kostenabrechnung zu tun. Weder zahlt er, noch ist er zum Empfang von Geldern von der Klinik berechtigt. Auch hier gab es schon erhebliche Schwierigkeiten, weil aus Sicht der Klinik nicht deutlich war, inwieweit der Patient selbst berechtigt war oder nicht, zumal der Behandlungsvertrag rechtlich nur zwischen Patient und Klinik geschlossen wird. 

Hinweis: Klären Sie, soweit möglich, wie und in welchem Maße Patienten des ausländischen Staates, mit dem Sie Verträge schließen, über die Inhalte dieser Verträge aufgeklärt werden sollten. Dies kann im Sinne der Prävention von Unstimmigkeiten sehr hilfreich sein.

8. Dauer von Vorgängen und Zeitverständnis

Auch wenn fixe Zahlungsziele für Rechnungen vereinbart sind (oft 30 Tage), so wird doch oft stillschweigend toleriert, dass diese überschritten werden. Werden Rechnungen beanstandet, verzögert sich der Zahlungsprozess automatisch.

Auch wenn die Rechnungen ordnungsgemäß sind, ist häufig eine Zahlungsfreigabe eines Ministeriums notwendig, und das kann mitunter lange dauern. Anfragen wie „Schicken Sie uns doch bitte nochmal alle Originalrechnungen des letzten Jahres“ sind keine Seltenheit. Das ist nicht unbedingt böser Wille: Wenn im jeweiligen Ministerium z. B. neue Richtlinien zu Krankenhausrechnungen erlassen wurden, kann dies den Vorgang verzögern – der Grund der Verzögerung liegt nicht unbedingt am Attachée oder Konsul vor Ort.

Gibt es aber auch mit nur einer Rechnung einer Klinik ein Problem, kann dies einen automatischen Zahlungsstopp aller (ansonsten korrekten) Rechnungen bedeuten. Die Verjährung kann auf beiden Seiten eine untergeordnete Rolle einnehmen, insbesondere dann, wenn man die Geschäftsbeziehung aufrecht erhalten will und zudem noch aktuell Patienten betreut werden: Beide Seiten wissen um die Attraktivität des Partners und sind grundsätzlich an der zukünftigen Zusammenarbeit interessiert. Die Bürger des ausländischens Staates schätzen qualitativ hochwertige medizinische Behandlungen, die Kliniken die zusätzlichen Einnahmequellen und Abrechnungsmöglichkeiten. Entsprechend bringen die Parteien ein höheres Mass an Geduld mit, Kliniken klagen selten auf Zahlung – eher wird die Beziehung stillschweigend beendet. Es ist nachvollziehbar, dass keine Partei einen öffentlich negativen Auftritt riskieren möchte.

Hinweis: Geduld ist wichtig – genau wie es wichtig ist herauszufinden, wer auf Seiten des Staates der richtige Ansprechpartner ist. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt: Standardmahnungen, Standardanrufe der Buchhaltung oder Finanzabteilung der Klinik führen oftmals auch zum Gegenteil von dem, was man eigentlich beabsichtigt. Auch wenn die Klinik sich berechtigt sieht, die Forderung geltend zu machen und vielleicht sogar tatsächlich „im Recht ist,“ nützt ein Vorgehen mit Verweis auf die Rechtslage nicht unbedingt. Was hilft: Die Situation des Gegenübers zu verstehen.

9. Rechtsstreit mit dem Konsulat (und damit dem ausländischen Staat)

Auch wenn die Lage verfahren scheint, sollte man alles versuchen, um einen zeitintensiven und teuren Rechtsstreit zu vermeiden, denn eine Klage gegen einen ausländischen Staat ist eine besondere Herausforderung. Solche Klagen sind selten, und es kommt immer wieder vor, dass z. B. der Arzt aufgibt und auf sein Honorar verzichtet, weil die Hürden für einen Prozess zu hoch sind. 

Hier kann die Einschaltung eines versierten Anwaltes nützlich sein und Zeit und Geld sparen. Wir haben einige Anwaltsschreiben und Klagen gesehen, bei denen die deutschen Anwälte gleich eine ganze Reihe von Fehlern begingen, die eigenen Mandanten über das Prozessrisiko nicht aufklärten—oder dies selbst nicht erkannt hatten.

Man muss sich immer vor Augen halten: das Anwaltsschreiben der Klinik trifft auf ein ausländisches System und eine ausländische Denkweise und ein Rechtsverständnis, das vom deutschen sehr abweichen kann. Daher kann sich die Vertretung durch spezialisierte Anwälte mit entsprechend kultureller Erfahrung lohnen, um außergerichtlich – oder notfalls gerichtlich – voranzukommen und eine Lösung zu finden.


Bei Fragen können Sie uns jederzeit kontaktieren: frontdesk@ra-zimmermann.net oder 069-40031746.

Rechtsanwalt Boris Zimmermann hat langjährig eine zuständige Abteilung eines arabischen Staates in Deutschland gegenüber Kliniken, Ärzten und anderen medizinischen Einrichtungen sowie deutschen Behörden gegenüber vertreten.

Dabei erhielt er tiefe Einblicke in die Organisation der Struktur von Konsulaten, Attachée-Managements und dem Zusammenspiel mit den medizinischen Einrichtungen und den Ministerien des ausländischen Staats.

Mandatsgegenstände waren u. a. offene, strittige Krankenhausrechnungen, problematische Vorschuss-/Guthabenverrechnungen, fehlende oder unvollständige Abrechnungsprobleme mit überhöhtem Faktor, schwierige Kommunikation zwischen den Beteiligten, Anweisungen aus den Ministerien, Umgang mit Verbalnoten vom Auswärtigen Amt, strafrechtlich relevante Handlungen, kulturelle Hindernisse und Verschiedenheiten, Vergleichsverhandlungen, außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeiten sowie die Begleitung von Gesprächen zwischen medizinischen Einrichtungen und zuständigen Stellen anderer Staaten.





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