Gewerbemiete: bei Geschäftsschließung wegen Corona kann Miete um die Hälfte herabzusetzen sein

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Bei einer staatlich angeordneten Geschäfts­schließung wegen der Corona­pandemie kann die Miete gemäß § 313 BGB auf die Hälfte herabzu­setzen sein, ohne dass eine Existenz­be­drohung des Mieters im Einzelfall festge­stellt werden muss. 

Mit diesem Leitsatz hat das Kammer­ge­richt Berlin (KG Berlin) mit Urteil vom 1. April 2021, Az. 8 U 1099/20, den Weg für viele Gewerbe­mieter freigemacht, die wegen coronabe­dingter Schlie­ßungs­an­ord­nungen eine solidarische Mietherabsetzung von ihren Vermietern verlangen. Das Urteil könnte vielen Gewerbe­mietern Erleich­te­rungen bringen. Die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) wurde zugelassen. 

Die Argumen­tation der Kammerrichter ist mehr als nachvoll­ziehbar. Eine gemeinsame Vorstel­lung von Vermietern und Mietern einer Gewerbe­einheit dahingehend, dass es überhaupt zu einer solchen Pandemie mit weitge­hender Stilllegung des öffent­lichen Lebens infolge pandemie­be­dingter Nutzungs­un­ter­sa­gungen und -beeinträch­ti­gungen kommen könnte, hat es bei Abschluss des Vertrages nicht gegeben. Daher seien die weitgehenden staatlichen Eingriffe in das soziale und wirtschaftliche Leben als Störung der großen Geschäfts­grundlage anzusehen, so die Berliner Richter. Wenig überraschend fiel es den Richtern leicht, das Vorliegen des tatsächlichen Elements als Voraussetzung für den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu bejahen. Bereits während der Pandemie ergingen Gerichtsurteile, die das tatsächliche Element des § 313 BGB bei hoheit­lichen Maßnahmen in Bezug auf Mietver­hältnisse über Geschäftsräume bejaht hatten. Zu nennen ist hier ein auch von den Berliner Richtern zitiertes Urteil des OLG Dresden vom 24. Februar 2021, Az. 5 U 1782/20. 

Auch die Bejahung des hypothe­tischen Elements als weitere Tatbestandvoraussetzung des § 313 BGB bereitete den Richtern des 8. Zivilsenats des KG Berlin keine Schwie­rig­keiten. Es liege auf der Hand, dass Vermieter und Mieter eine Mietabsenkung vereinbart hätten, wenn sie die Folgen der Pandemie mit coronabe­dingten Schlie­ßungs­an­ord­nungen voraus­gesehen und geahnt hätten.

Der staatlich angeordnete Shutdown stelle zudem einen tiefgrei­fenden, unvorher­sehbaren, außerhalb der Verant­wor­tungs­sphäre beider Vertrags­parteien liegenden und potentiell existenz­ge­fähr­denden Eingriff in die im Vertrag voraus­ge­setzte Nutzungs­mög­lichkeit dar. Niemand habe die Corona­pandemie und ihre Folgen vorhersehen können. Das mit der Störung der Geschäfts­grundlage verbundene Risiko könne daher auch keiner Vertrags­partei allein aufgebürdet werden. Dieser Argumen­tation des KG Berlin ist beizupflichten.  

Ganz wesentlich an dieser Entscheidung ist, dass die Kammerrichter klargestellt haben, dass der Anspruchs auf Mietherabsetzung auch ohne Feststellung einer Existenz­be­drohung des Mieters im Einzelfall geltend gemacht werden kann. Des Nachweises einer Existenzbedrohung anhand betriebs­wirt­schaft­licher Daten bedarf es nicht. Vielmehr sei es ausreichend, dass unter Umständen existenziell bedeutsame Folgen eintreten könnten. Und hiervon sei bereits dann auszugehen, wenn eine angeordnete Schließung einen Monat oder länger anhalte, da dem vollen Mietzins für diesen Monat kein Gegenwert gegenüberstehe. Dies sei unzumutbar. 

Unter Berück­sich­tigung jeweiliger Einzelfallumstände seien die Nachteile daher solidarisch von beiden Vertrags­parteien gleich zu tragen. Dies heißt nun konkret: kommt es zu einer behördlich angeordneten Schlie­ßung mit einer vollständigen Nutzungs­un­ter­sagung für den Mieter für länger als einen Monat, kann der Mieter die vertraglich verein­barte Miete bis zur Hälfte herabsetzen. 

Allen von einer Schließungsanordnung betroffenen Gewerbetreibenden sei aufgrund dieses Urteils daher geraten, ihre rechtlichen Möglichkeiten prüfen zu lassen. Die Entscheidung kann vielen Gewerbe­mietern Erleich­te­rungen bringen. Mit Blick auf die in dieser schwierigen Zeit zu treffenden Entscheidung sollten Betroffene unverzüglich anwaltlichen Rat einholen. Ob und in welcher Höhe die Gewerbemiete herabgesetzt werden kann, entscheidet immer der Einzelfall.   

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Foto(s): BenediktGeyer

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