Häusliche Betreuung - Mindestlohn für 21 Stunden/Tag

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Sachverhalt:

Eine bulgarische Arbeitnehmerin wurde auf Vermittlung einer deutschen Agentur, die mit dem Angebot „24 Stunden Pflege zu Hause“ wirbt, von ihrem in Bulgarien ansässigen Arbeitgeber nach Deutschland entsandt, um hier eine hilfsbedürftige alte Frau zu betreuen. Im Arbeitsvertrag der Arbeitnehmerin mit deren bulgarischen Arbeitgeber war eine Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich vereinbart.

Auch im Betreuungsvertrag zwischen dem Arbeitgeber und der mit der zu versorgenden, hilfsbedürftigen Frau war eine umfassende Betreuung mit Körperpflege, Hilfe beim Essen, Führung des Haushalts und Gesellschaftleisten und ein Betreuungsentgelt für 30 Stunden wöchentlich vereinbart.  Die Arbeitnehmerin war gehalten, in der Wohnung der zu betreuenden Frau zu wohnen und zu übernachten.

Mit ihrer Klage hat die Arbeitnehmerin Vergütung von 24 Stunden täglich für mehrere Monate gefordert und zur Begründung ausgeführt, sie sei in dieser Zeit von 6.00 Uhr morgens bis etwa 22.00/23.00 Uhr im Einsatz gewesen und habe sich auch nachts bereithalten müssen, falls sie benötigt werde. Sie habe deshalb für die gesamte Zeit einen Anspruch auf den Mindestlohn. Der Arbeitgeber hat die behaupteten Arbeitszeiten bestritten und sich auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit berufen.

Entscheidung:

Mit Urteil vom 17.08.2020, Az.: 21 Sa 1900/19, hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg der Klage nahezu vollumfänglich stattgegeben und insoweit die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf den geforderten Mindestlohn im Umfang einer täglichen Arbeitszeit von 21 Stunden. Das Gericht sah es als treuwidrig an, dass sich der Arbeitgeber auf die vertraglich vereinbarte Begrenzung der Arbeitszeit auf 30 Stunden berief. Schließlich habe der Arbeitgeber seiner Kundin eine umfassende Betreuung zugesagt sei und die Verantwortung sowohl für die Betreuung als auch die Einhaltung der Arbeitszeit der Arbeitnehmerin übertragen. Es sei Aufgabe des Arbeitgebers, die Einhaltung von Arbeitszeiten zu organisieren, was hier nicht geschehen sei. Die angesetzte Zeit von 30 Stunden wöchentlich sei für das zugesagte Leistungsspektrum im vorliegenden Fall unrealistisch. Die zuerkannte vergütungspflichtige Zeit ergebe sich daraus, dass neben der geleisteten Arbeitszeit für die Nacht von vergütungspflichtigem Bereitschaftsdienst auszugehen sei. Weil es der Arbeitnehmerin zumutbar gewesen sei, sich in einem begrenzten Umfang von geschätzt drei Stunden täglich den Anforderungen zu entziehen, ging das Landesarbeitsgericht „nur“ von einer vergütungspflichtigen Arbeitszeit von täglich 21 Stunden aus.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Fazit:

Das vorbenannte „Pflegmodell“ ist Deutschlandweit verbreitet und beliebt. Ein Großteil der entsprechenden Verträge mit (mit ausländischen Anbietern) sieht eine „Rund-um-die Pflege“ oder zumindest eine entsprechende Bereitschaft der Pflegekraft dafür vor. Nicht zuletzt aus diesem Grund erfolgt die Unterkunft der Pflegekraft in der Regel im Haushalt der zu pflegenden Person. Mit der vorbenannten Entscheidung wird das Geschäftsmodell bzw. die hierfür zu Grunde liegende Kalkulation ernsthaft in Frage gestellt. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.


Martin Volkmann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Fachanwalt für Versicherungsrecht

 

Foto(s): BSKP

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