Haftung des Reitturnierveranstalters für die Verletzung eines Kleinkindes

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Oberlandesgericht Freiburg, Urteil vom 20.04.2018, Az. 14 U 173/16

Vorinstanz: Landgericht Freiburg im Breisgau, Urteil vom 14.10.2016, Az. 1 O 209/15

Der Sachverhalt

Bei einem Reitturnier kletterte ein noch nicht ganz dreijähriges Kleinkind unbeaufsichtigt in einen offenstehenden Pferdetransporter, in dem sich ein Pferd befand. Das Pferd erschreckte sich und keilte aus. Dabei wurde das Kind so schwer am Kopf verletzt, dass es ein Leben lang auf Betreuung angewiesen sein wird.

Das Kind, vertreten durch seine Eltern, verklagte zunächst die Pferdehalterin und den Reitverein als Veranstalter des Reitturniers auf Ersatz bereits entstandener und zukünftiger Folgekosten des Unfalls.

Die Entscheidungen

Das Landgericht entschied, dass die Pferdehalterin zu einem Drittel für den Unfall und seine Folgekosten hafte: Bei dem Unfall habe die Pferdehalterin ihr Pferd nicht in der ausreichend beaufsichtigt und sei daher schadenersatzpflichtig. Die übrigen zwei Drittel müssten die Eltern des verletzten Kindes tragen, da diese ihre Pflicht, das Kind angesichts der am Turnier drohenden Gefahren ständig zu beaufsichtigen, ebenfalls verletzt hätten.

Bezüglich des Reitvereins wurde die Klage abgewiesen. Seine Verkehrssicherungspflichten habe der Verein nicht verletzt. Der Verein habe darauf vertrauen dürfen, dass insbesondere kleine Kinder zu jeder Zeit unter der Aufsicht ihrer Eltern oder anderer Verantwortlicher stehen werden und daher auch „Gefahrenstellen, die nur im Zusammenspiel mit der besonderen Unerfahrenheit von Kleinkindern wirksam werden“, nicht besonders gesichert werden müssten. Des Weiteren seien durch die Aufsichtspflicht der Eltern die Verkehrssicherungspflichten des Vereins „neutralisiert“ worden.

Die beklagte Pferdehalterin legte gegen dieses Urteil Berufung beim Oberlandesgericht ein.

Das Urteil des Oberlandesgerichts änderte jedoch an der Haftung der Pferdehalterin nichts. Sie haftet weiterhin für ein Drittel des Schadens. Die Pferdehalterin habe den Pferdehänger nicht unbeaufsichtigt stehen lassen dürfen. „[Die Pferdehalterin] hätte sich nur dann von ihrem geöffneten Anhänger entfernen können, wenn sie sich darauf hätte verlassen können, dass seitens des veranstaltenden Vereins durch eine Aufsicht oder eine sichere Absperrung dafür gesorgt worden wäre, dass sich Unbefugte den Hängern nicht näherten“.

Neben den Eltern und der Pferdehalterin, haftet nach Auffassung des Oberlandesgerichts allerdings auch der Reitverein. Es könne bezüglich der Verkehrssicherungspflichten eines Veranstalters nicht nur auf Erwachsene abgestellt werden. Auch der Veranstalter müsse wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen, „um Kinder vor den Folgen ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit zu schützen“. Der Reitverein habe dies versäumt. Weder habe es eine Absperrung zwischen dem öffentlich zugänglichen Ausstellungsbereich mit verschiedenen Landmaschinen und den abgestellten Pferdeanhängern gegeben, noch seien Helfer damit beauftragt worden, in diesem Bereich nach dem Rechten zu sehen und Besucher darauf hinzuweisen, dass dieser Bereich nicht betreten werden dürfe. Dies sei umso unverständlicher, da es am Unfalltag so warm gewesen sei, dass fast alle Pferdehänger zur besseren Belüftung mit offener Ladeklappe abgestellt waren.

Der Reitverein habe dieser Gefahr „mit einem zumutbaren Aufwand, der die Anforderungen an ein ländliches Reitturnier nicht übersteigt, wirksam begegnen können“. „Bei der am Tag des Unfalls bei dem Reitturnier konkret gegebenen Situation hätte der Beklagte aufgrund seiner Verkehrssicherungspflicht Maßnahmen ergreifen müssen, um sicher zu stellen, dass jedenfalls Kinder, die aufgrund ihres Alters die durch den Kontakt mit Pferden begründeten Gefahren nicht einschätzen können, sich diesen nicht unbeaufsichtigt nähern. Es hätte hierzu genügt, wenn der Beklagte eine Aufsichtsperson vorgesehen hätte, die im Bereich der abgestellten, offenen Pferdeanhänger ihren Standort öfters gewechselt hätte, so dass sie den fraglichen Bereich kontrollieren und bei der Annäherung von Kindern hätten eingreifen können. […] Der Beklagte musste zum einen aufgrund der Gesamtumstände die Möglichkeit einkalkulieren, dass sich kleinere Kinder der Aufsicht ihrer Eltern entziehen könnten, und zum anderen berücksichtigen, dass auch ältere Kinder anwesend waren, bei denen man sich nicht darauf verlassen konnte, dass sie lückenlos beaufsichtigt werde.“

Das Oberlandesgericht entschied, dass das Elternpaar, die Pferdehalterin und der Reitverein zu jeweils einem Drittel haften.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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