Im Diesel-Abgasskandal von VW rücken EuGH- und BGH-Termin näher / Beratung zum MFK-Vergleich

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Nach der Einigung zwischen der Volkswagen AG und dem Verbraucherzentrale Bundesverband vom 28. Februar 2020 fragen sich Verbraucher, warum es VW so eilig hat, die Klage vom Tisch zu bekommen und den Vergleich bis zum 20. April abgewickelt zu haben. 

Die Antwort: Am 19. März steht der Diesel-Abgasskandal am Europäischen Gerichtshof (EuGH) auf der Tagesordnung. Am 5. Mai beschäftigt sich dann der Bundesgerichtshof (BGH) erstmals mit der Abgasmanipulation des Autobauers. 

Die Zeichen vor den beiden Terminen deuten darauf hin, dass die Verbraucherrechte gestärkt werden und VW Niederlagen einstecken muss. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft aus Lahr zeigt auf, welche Themen beim EuGH und BGH zu einer Entscheidung anstehen.

Viele offene Fragen zum Vergleich der Musterfeststellungsklage

Im Diesel-Abgasskandal von VW haben sich in den vergangenen Wochen die Ereignisse überschlagen. In der Rechtsprechung zeichnet sich ein Trend zu verbraucherfreundlichen Urteilen und Äußerungen ab. 

In der Musterfeststellungsklage gegen VW haben die Inhaber der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer einen Vergleich ausverhandelt und sind daher bestens darauf vorbereitet, Betroffene zu beraten und zur ihrem Recht zu verhelfen. Die Kanzlei gehört mit ihrem Know-how zu den führenden im Abgasskandal. Die Inhaber vertreten rund 450.000 Verbraucher in der Musterfeststellungsklage gegen den Volkswagen-Konzern. 

Die Verbraucher-Kanzlei Dr. Stoll & Sauer empfiehlt in jedem Fall anwaltliche Beratung. Auf ihrer Website bietet ein Vergleichsrechner Anhaltspunkte zum möglichen Vergleichsangebot von VW und den Einstieg in eine Beratung. Für die Mandanten fallen dabei keine Kosten an. Beratung ist notwendig, weil es offene Fragen gibt, die von Fall zu Fall unterschiedlich beantwortet können.

Welche Themen sind vor der BGH-Entscheidung strittig?

1.
Das Thema Nutzungsentschädigung hat in den vergangenen Monaten eine neue Dynamik erhalten. Immer mehr Gerichte der ersten Instanz wollen das „sittenwidrige“ Handeln von VW nicht auch noch mit einer Nutzungsentschädigung honorieren. 

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg regte am 13. Januar an, dass die Dieselfahrer weniger für die Nutzung ihrer Fahrzeuge zahlen sollten (Az. 15 U 190/19). Eine Entschädigung soll nur bis zur Geltendmachung des Rückabwicklungsanspruchs bezahlt werden. 

Auch am Oberlandesgericht Brandenburg gibt es massive Zweifel daran, warum VW vom Diesel-Abgasskandal durch eine Nutzungsentschädigung profitieren sollte. Mit der Entschädigung reduziert sich der von VW an die Kläger zu zahlende Schadensersatz. Bisher haben OLG sich in der Regel für die Nutzungsentschädigung entschieden. Das Umdenken lässt kurz vor der ersten BGH-Verhandlung im Fall VW aufhorchen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Karlsruher Richter den Fall ähnlich sehen könnten. 

Es gibt sogar Tendenzen, die gar keine Entschädigung für VW vorsehen. Denn die Käufer wären durch eine solche Anrechnung „unzumutbar belastet“, die Hersteller „unbillig begünstigt“, argumentierte der Rechtswissenschaftler Professor Dr. Michael Heese von der Uni Regensburg in seinem Aufsatz „Nutzungsentschädigung zugunsten der Hersteller manipulierter Diesel-Kraftfahrzeuge?“ (Verbraucher und Recht, 4/2019).

2.
Ob für den Zeitraum zwischen Autokauf und Zustellung der Klage vier Prozent jährliche Zinsen auf den Kaufpreis zu zahlen sind, ist in der Rechtsprechung umstritten. Gerade Landgerichte verurteilen VW zu diesem Zins. Oberlandesgerichte haben das bislang nicht so gesehen. 

Doch auch hier ist kürzlich eine Kehrtwende eingetreten. Das OLG Köln hat diese sogenannten deliktische Zinsen 2019 einem Verbraucher zugesprochen. Das OLG Oldenburg zog in einem Verfahren nach. In dem Verfahren (Az. 14 U 166/19) entschied das Gericht am 16. Januar 2020, dass der Kläger für den Zeitraum von der Kaufpreiszahlung bis zur Zustellung der Klage (fast drei Jahre) die begehrten Zinsen erhält. 

Entscheidet sich der BGH für den deliktischen Zins, kann das für VW teuer werden. Manche Fahrzeuge, die in Klagen verwickelt sind, stammen aus dem Jahr 2008. Der Geschädigte könnte den Kaufpreis zurückerhalten – und wenn es gut läuft – keine Nutzungsentschädigung bezahlen müssen und noch Zinsen von 44 Prozent erhalten, wenn er 2019 erst geklagt hatte. Der Juraprofessor Dr. Ansgar Staudinger von der Uni Bielefeld argumentiert ebenso gegen die Nutzungsentschädigung und plädiert für den Zins auf den Kaufpreis.

3.
Käufer, die nach dem Bekanntwerden des Diesel-Abgasskandals ihr Fahrzeug erworben hatten, gingen bei OLG meist leer aus. Wiederum das OLG Oldenburg hat ebenfalls in dem Verfahren (Az. 14 U 166/19) mit der bisherigen Rechtsprechung gebrochen. Selbst, wenn der klagende Käufer über den Diesel-Abgasskandal bei VW informiert gewesen sein sollte, schützt das die VW AG nicht vor ihrer Strafe. 

Für das Gericht änderte auch die Ad-hoc-Mitteilung des VW-Konzerns vom Herbst 2015 nichts am sittenwidrigen Handeln. Die Info über den Diesel-Abgasskandal hat auf die zivilrechtliche Haftung des Konzerns keinen Einfluss. Schließlich war der Schaden bereits eingetreten. 

Das Gericht hält es für nicht angemessen, bei einer vollendeten sittenwidrigen Handlung den Täter mit Straflosigkeit zu belohnen, nur, weil er sein Handeln öffentlich macht. 

Am Ergebnis der Tat ändert das nämlich nichts. Ebenso darf der geschädigte Käufer nicht das Risiko tragen, dass ihn die Aufklärungsmaßnahme der VW AG nicht erreicht hat. VW hatte sich in dem Verfahren auf die Ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 berufen und wollte aufgrund dessen die Klage abgewiesen sehen. Sieht der BGH das auch so, erhöht sich die Zahl der Anspruchsberechtigten massiv. Für VW könnte das sehr teuer werden.

4.
Auch die Verjährung im Diesel-Abgasskandal von VW ist heftig umstritten. VW pocht auf die dreijährige Verjährungsfrist in zwei Varianten: Die erste beginnt Ende 2015 zu laufen und endet 2018. Die zweite beginnt Ende 2016 und endet 2019. Normalerweise beginnt die Verjährungsfrist gegen Ende des Jahres zu laufen, in dem das Tatereignis stattfand. 2015 machte VW den Abgasskandal publik.

Realistischerweise ging man bisher davon aus, dass allerhöchsten 2016 die Verbraucher vom Skandal informiert gewesen sein könnten. Das Landgericht Duisburg schob am 20. Januar 2020 den Verjährungsbeginn viel weiter hinaus als bisher angenommen worden war (Az. 4 O 165/19). Begründung: 

Eine zutreffende Einschätzung der Rechtslage ist für das Gericht Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Die Rechtslage sei bisher nicht eindeutig. Die BGH-Rechtsprechung hält die Klageerhebung für Gläubiger unzumutbar, wenn die Rechtslage besonders verwickelt und problematisch ist oder, wenn gewichtige rechtliche Zweifel vor der Klärung der Rechtslage bestehen. Sieht der BGH die problematische Rechtslage im Fall VW gegeben, dann verlängert sich der Abgasskandal um den EA 189 erneut. 

Welche Fragen im Abgasskandal muss der EuGH klären?

Vor dem EuGH in Luxemburg geht es um ganz grundsätzliche Dinge im Diesel-Abgasskandal. Der EuGH ist deshalb mit dem Themenkomplex beschäftigt, weil durch die Abgasmanipulation europäisches Recht gebrochen worden sein könnte. Folgende Fragen müssen geklärt werden:

1.
Ist eine Abschalteinrichtung im Abgaskontrollsystem von Motoren überhaupt zulässig? Autohersteller betonen stets, dass die eingebauten Abschalteinrichtungen zum Schutz des Motors notwendig sind – so wie es in der EU-Rechtsvorschriften stehe. Doch das ist Interpretationssache. 

Experten bestreiten das. Dem EuGH liegen insgesamt sieben Verfahren zu diesem Themenkomplex zur Vorabentscheidung vor – sechs davon aus Deutschland, eines aus Frankreich. Hinzu kommen vier Verfahren von Autoherstellern, die in Frankreich ihre Fahrzeuge in den Verkehr gebracht haben. Welche das sind, ist nicht bekannt geworden.

2.
Gelten die von der EU festgesetzten Grenzwerte nur auf dem Prüfstand, wie die Hersteller mittlerweile vor Gericht behaupten? Sogar das Kraftfahrt-Bundesamt KBA hat sich dieser Argumentation angeschlossen. „Jedoch gelten für die betroffenen Fahrzeuge keine gesetzlichen Stickoxid-Grenzwerte im Straßenbetrieb“, teilte das KBA dem ZDF-Magazin Frontal21 mit. 

Der BGH hat allerdings in seinem Hinweisbeschluss vom 8. Januar 2019 (VII ZR 225/17) klargestellt, dass die Grenzwerte im normalen Fahrbetrieb gelten müssen. Das Europäische Gericht sieht das im Dezember 2018 genauso, in dem es betont (Az. C 326/32), dass „die festgesetzten Grenzwerte für Stickoxidemissionen im tatsächlichen Fahrbetrieb einzuhalten sind“. Letztlich bricht das KBA hier Recht und Gesetz mit seiner Argumentation. Der EuGH in Luxemburg muss diese Frage in mehreren Verfahren aus Deutschland final klären.

3.
Ist das Software-Update des Skandalmotors EA 189 zulässig? Die Deutsche Umwelthilfe hat gegen das Update geklagt. Am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg liegt das Verfahren des Verwaltungsgerichts Schleswig zur Vorabentscheidung. Wird das Update für unzulässig erklärt, kommt es zum Dieselgate 2.0. Alle umgerüsteten Dieselmotoren vom Typ EA 189 entsprächen dann nicht mehr der europäischen Typengenehmigung. 

Dr. Stoll & Sauer führt Musterfeststellungsklage gegen VW mit an 

Bei der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH handelt es sich um eine der führenden Kanzleien im Abgasskandal. Die Verbraucherkanzlei führt mehr als 12.000 Gerichtsverfahren im Abgasskandal bundesweit und konnte bereits hunderte positive Urteile erstreiten. In dem renommierten JUVE Handbuch 2017/2018, 2018/2019 und 2019/2020 wird die Kanzlei in der Rubrik Konfliktlösung – Dispute Resolution, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten besonders empfohlen für den Bereich Kapitalanlageprozesse (Anleger). 

Die Gesellschafter Dr. Ralf Stoll und Ralph Sauer führen in der Russ Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) außerdem die Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG. Im JUVE Handbuch 2019/2020 wird die Kanzlei für ihre Kompetenz beim Management von Massenverfahren als marktprägend bezeichnet.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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