inkomplette Querschnittslähmung nach Bandscheiben-OP 75.000,00 € Schadenersatz & Schmerzensgeld

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Die Erstberatung fand Ende 2017 statt. Allerdings kam zunächst nicht der Patient selbst, sondern eine Verwandte, der es seltsam vorkam, dass der Patient nach der Operation und einer kurz danach angesetzten zweiten Operation  nicht mehr Wasser lassen konnte. Die Beratung drehte sich um die Frage, ob die ärztliche Angabe, dass schicksalhaft ein Nerv durchtrennt wurde, akzeptiert werden muss oder ob es vielleicht doch Arzthaftung sein kann.

Der Sachverhalt:

Der Patient hatte 3 Wochen vor der streitgegenständlichen Behandlung nach einer stärkeren körperlichen Belastung im häuslichen Umfeld heftige Kreuzschmerzen, die bis zum Unterschenkel hin ausstrahlten. Eine ähnliche Symptomatik war bereits ein Jahr zuvor aufgetreten. Da die damals durchgeführte stationäre Schmerztherapie also nur kurzzeitig geholfen hatte, wurde ihm nun gesagt, dass er ohne OP bald im Rollstuhl sitzen werde. Es wurde ein schneller Operationstermin anberaumt.

Bereits unmittelbar nach der Bandscheibenoperation verspürte der Patient Missempfindungen und Taubheit im Genitalbereich, Gesäß und in den Beinen. Zunächst wurde die weitere Entwicklung abgewartet und erst einmal eine erneute Katheterisierung vorgenommen, nach dem sich eine neurogene Überlaufblase gezeigt hatte. Als es dann nach stuhlregulierenden Maßnahmen zu einem unkontrollierten Stuhlabgang kam, folgte eine erneute Operation (5 Tage nach dem ersten Eingriff). Aber auch nach dieser zweiten Operation blieb es bei einem Cauda equina Syndrom.

Für den Patienten bedeutete das, dass eine Harnentleerung nur über Katheter möglich ist und auch für die Stuhlentleerung zwingend Hilfsmittel angewendet werden müssen. Das Gefühl im Genitalbereich kehrte nicht zurück und Rückenschmerzen sowie Bewegungseinschränkungen waren fortan viel schlimmer als vor der Bandscheibenoperation. Schmerzbedingt konnte er nicht mehr lange sitzen, stehen oder liegen und musste im Alter von 58 Jahren seinen Beruf aufgeben.

Juristische Wertung:

Ich habe der Verwandten bei der Erstberatung erklärt, dass der Sachverhalt vermutlich der Arzthaftung zuzuordnen ist, dass ich aber zur genaueren Prüfung auf Behandlungsfehler die Behandlungsunterlagen durchsehen muss.

Aus dem Operationsbericht ging dann hervor, dass die Bandscheiben in allen Ebenen allenfalls gering vorgewölbt waren. Das bedeutet, dass die Operation nicht zwingend notwendig war. Bei einer derartigen relativen Operations-Indikation hätte der Patient auch über bestehende konservative Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt werden müssen, was vorliegend nicht erfolgt war. Diese nicht invasiven Behandlungsmöglichkeiten waren noch gar nicht ausgeschöpft und in Anbetracht der Operationsrisiken hätte sich der Patient gegen die Operation entschieden, wenn ihm diese nicht als so zwingend und dringlich dargestellt worden wäre. Somit lag bereits eine Haftung wegen unzureichender Aufklärung vor. Der Patient entschied sich, mich mit der Durchsetzung seines Arzthaftungsanspruchs zu beauftragen.

Wir haben ein Schmerzensgeld von 150.000,00 € für die Verursachung einer vollständigen Darminkontinenz und materiellen Schadenersatz für Verdienstausfall geltend gemacht und vorgetragen, dass sich nicht das normale OP-Risiko verwirklicht hat, sondern die Läsion behandlungsfehlerhaft durch fehlerhafte Schnittführung entstanden ist. Außerdem haben wir darauf verwiesen, dass den Ärzten die bei der Operation aufgetretene Duraläsion offensichtlich bekannt war, denn sie wurde im OP-Bericht erwähnt mit der Anmerkung, dass übernäht und geklebt worden sei. Daher hätte bei den ersten Anzeichen von Missempfindungen und Taubheit im Genitalbereich sofort eine Revisionsoperation angesetzt werden müssen. Dass hier 5 Tage gewartet wurde, ist als nicht nachvollziehbarer Behandlungsfehler zu werten.

Als dann endlich erneut operiert wurde, zeigte sich, dass das bei der Bandscheibenoperation entstandene Duraleck nicht stabil verklebt war, sondern sich zu einer ca. 2 cm langen Duraläsion entwickelt hatte. Im Bereich der Duranaht wurde eine partielle Nervenwurzeldurchtrennung und eine komplette Durchtrennung eines weiteren Nervs festgestellt, wobei das Wurzelende dieses zweiten Nervs nicht mehr aufgefunden werden konnte. Diesen zweiten Nerventeil hätte man sofort bei der ersten Operation suchen müssen.

Da dies bei der ersten Operation nicht erfolgte und dann 5 Tage lang nichts passierte hat sich der kaudale Anteil des zweiten Nervs zurückgezogen. Wenn auf die sich zeigenden Ausfallerscheinungen schneller reagiert worden wäre, dann hätten bei der Revisionsoperation die Nervenenden noch zusammengebracht werden und sich wiederfinden können. Dadurch wäre eine ganz oder teilweise Regeneration des bei der Operation lädierten Nervengeflechts möglich gewesen und das Cauda equina Syndrom wäre nicht so verfestigt worden, dass sich eine Kombination mehrerer neurologischer Ausfallstörungen wie bei schweren Bandscheibenvorfällen entwickelt, wenn die Nerven über eine längere Zeit gequetscht werden.

Das Ergebnis:

Es verging gut ein Jahr, in dem die Haftpflichtversicherung der Klinik Auskünfte bei diversen Nachbehandlern über die Entwicklung der Schädigung einholte. Danach kam die Mitteilung der Haftpflichtversicherung, dass der geforderte Schmerzensgeldbetrag völlig übersetzt sei. Man müsse schließlich das Alter des Patienten berücksichtigen. Seitens der Versicherung wurde ein Vergleichsurteil benannt, bei dem für einen Patienten in ähnlichem Alter, bei dem neben der Lähmung von Mastdarm und Blase auch noch Arme und Beine gelähmt waren, ein betrag von 50.000,00 € ausgeurteilt wurde. In der unsererseits angestrebten Höhe gäbe es absolut keine Vergleichsentscheidungen, so dass dies der maximal mögliche Betrag im Rahmen eines Risikovergleichs wäre.

Daraufhin habe ich Vergleichsurteile gesucht und gefunden, die hinsichtlich Alter des Betroffenen und Art der Schädigung sowie Schmerzensgeldhöhe in dem von uns angepeilten Bereich lagen. Daraufhin wurde seitens der Haftpflichtversicherung eingewandt, dass mein Mandant ja bereits vorher chronischer Schmerzpatient wegen Rückenproblemen gewesen war und daher bereits vor der streitgegenständlichen Operation eine Erwerbsunfähigkeitsrente im Raum gestanden habe. Wir könnten ein paar Jahre prozessieren mit dem Risiko, dass der Kausalitätsnachweis durch ein Gutachten dann doch nicht erbracht werden kann oder aber das neue Vergleichsangebot in Höhe von 70.000,00 € annehmen, welches aber noch vom Vorgesetzten genehmigt werden müsse. Letztlich erfolgte nach langem Hin und Her eine außergerichtliche Einigung auf einen Abgeltungsbetrag in Höhe von 75.000,00 €.

Fazit

Mit dem erzielten Ergebnis war mein Mandant sehr zufrieden, da er sich eigentlich schon mit dem seitens der Ärzte angegebenen "schicksalhaft" verwirklichten OP-Risiko abgefunden hatte. Es kann sich also lohnen, derartige Fälle anwaltlich auf Behandlungsfehler überprüfen zu lassen. Dafür steht Ihnen Dr. Cornelia Grüner Anwaltskanzlei in Leipzig gerne zur Seite.




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