Internetreputation by law: Haftung des Forenbetreibers

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Falsche Tatsachenbehauptungen durch Lügen, Beleidigungen, Bewertungen – welcher Schutz besteht, Pflichten und Rechte Administratoren von Internet Foren - von Dr. Erik Kraatz und Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt DSP Berlin mbB

Das Internet galt einige Zeit als rechtsfreier Raum, bei dem nach Belieben „beleidigt, verleumdet und gelogen“ werden durfte. Diese Freiheit des Einzelnen konnte massiv die Rechte anderer beschneiden; Selbstmorde von Jugendlichen wegen Cybermobbing oder Firmenpleiten wegen Shitstorm sind die krassen Folgen dieser Handlungen. Die Rechtsordnung erobert so langsam aber sicher das Internet.

Reputationsrecht: Tipps und Tricks bei falschen Tatsachenbehauptungen oder Beleidigungen im Internet über Foren.

Ein Forum dient der Möglichkeit, dass Dritte – teilweise anonym – sich über Personen, Firmen oder andere Sachverhalte äußern. Besteht dann ein Anspruch gegen den Forenbetreiber?

Lügen auf Foren?

Falsche Tatsachenbehaupten sind ein häufiges Thema: ehr­ver­let­zen­de Tat­sa­chen­behauptungen die den Straf­tat­be­stand des § 186 Strafgesetzbuch erfüllen; „nachdem ich den Kaffee getrunken habe, war mir schlecht und ich musste mich übergeben. Die Packung vom Laden xy war ganz schimmelig“.

Bei be­lei­di­gen­den Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen trifft den­je­ni­gen, der die Äu­ße­rung trifft, die materielle Beweislast für die Wahrheit der behaupteten Tatsache. Somit trägt er das volle (Verurteilungsrisiko), wenn der Beweis der Wahrheit der Tatsachenaussage vor Gericht (aus welchem Grund auch immer) nicht erbracht werden kann (vgl. nur Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch, 28. Aufl. 2014, § 186 Rn. 7a; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 28. Aufl. 2010, § 186 Rn. 13; Zaczyk, in: Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Aufl. 2013, § 186 Rn. 23).

Mit anderen Worten: Es gilt der Grundsatz, dass derjenige der Behauptungen dieser Art aufstellt, diese auch beweisen muss.

Beleidigen auf Foren?

„Der Eigentümer des Ladens ist ein Arschloch!“ Diese beleidigende Äußerung erfüllt den Straftatbestand des § 185 StGB. Als Beleidigung zählt hierbei jede ehrverletzende Äußerung, wobei neben der inneren Ehre (sog. Selbstwertgefühl) auch die äußere Ehre (z.B. der gute Ruf) geschützt ist. Bei objektiver Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Begleitumstände (vgl. zu diesem Maßstab nur Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 18.11.1980 – Ss 824/80, NStZ 1981, 183; Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 07.07.1989 – 5 Ss 250/89, NJW 1989, 3030; Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 04.03.1998 - 5 Ss 47-98 – 25-98 II, NJW 1998, 3214).

Bewerten auf Foren?

Zwar sind Werturteile grundsätzlich vom Recht zur freien Meinungsäußerung gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gedeckt, soweit sie nicht zugleich darauf gerichtet sind, die Persönlichkeit herabzusetzen, zu diffamieren oder sie formal beleidigend sind. Hierzu führt das Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 26.04.2006 – 15 U 180/05, BeckRS 2006, 05354  grundlegend aus:

„[…] unzulässig ist aber „Schmähkritik“, d.h. Werturteile, die in jeder sachlichen Grundlage entbehrende böswillige oder gehässige Schmähungen übergehen. Dabei macht selbst eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Die Zulässigkeitsgrenze wird vielmehr erst dann überschritten, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen (BVerfG NJW 1995, 3303, 3304; BGH Urt. v. 10.11.1994, I ZR 216/92, www.jurisweb.de S. 6 = NJW-RR 1995, 301 ff; BGH NJW 2000, 1036, 1038; BGH NJW 2005, 279, 283; Prinz/Peters, Medienrecht, Rz. 91; Burkhardt in: Wenzel, , a.a.O. Kap. 5 Rz. 97 f).“

Unternehmen auch geschützt?

Die­se genannten Lügen oder Beleidigungen ver­let­zen je­weils zu­dem den gu­ten Ruf (Reputation) und sind ge­schäfts­schä­di­gend, verletzen also das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (ebenso Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 22.08.2006 – 7 U 50/06, MMR 2006, 744 [745]).

Forenbetreiber haftet als Störer

Als Stö­rer sind Forenbetreiber analog §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB für die­se Blog-Ein­trä­ge haft­bar.

Denn als Stö­rer ist ver­pflich­tet, wer, oh­ne Tä­ter oder Teil­neh­mer zu sein, in ir­gend­ei­ner Wei­se wis­sent­lich und ad­äquat kau­sal zur Be­ein­träch­ti­gung des Rechts­guts bei­trägt (Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.03.2004 – I ZR 304/01, BGHZ 158, 236 [251]; Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.06.2009 – VI ZR 210/08, NJW-RR 2009, 1413; Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.07.2010 – I ZR 139/08, GRUR 2011, 152). In­dem der Foreninhaber das Fo­rum be­trei­bt, trä­gt er wil­lent­lich und ad­äquat kau­sal zur Ver­brei­tung auch ehr­ver­let­zen­der Äu­ße­run­gen im Fo­rum bei.

Ihre damit verbundene Verantwortlichkeit für fremde Inhalte wird auch nicht durch § 10 Satz 1 Telemedien-Gesetz (TMG) eingeschränkt, da diese Vorschrift – wie ihre Vorgängernorm § 10 Teledienste-Gesetz (TDG) – auf Unterlassungsansprüche keine Anwendung findet (grundsätzlich Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.03.2007 – VI ZR 101/06, NJW 2007, 2558).

Opfer muss sich melden – Forenbetreiber muss nicht andauernd prüfen

Zwar darf die Stö­rer­haf­tung nicht über Ge­bühr auf Drit­te er­streckt wer­den, wel­che die rechts­wid­ri­gen Äu­ße­run­gen selbst nicht vor­ge­nom­men ha­ben.  Maß­ge­blich ist da­her, ob und in­wie­weit dem als Stö­rer in An­spruch ge­nom­me­nen nach den je­wei­li­gen Um­stän­den des Ein­zel­falls un­ter Be­rück­sich­ti­gung sei­ner Funk­ti­on und Auf­ga­ben­stel­lung so­wie mit Blick auf die Eigenverantwortung des­je­ni­gen, der die rechts­wid­ri­ge Be­ein­träch­ti­gung selbst vor­ge­nom­men hat, ei­ne Prü­fung zu­zu­mu­ten ist (Bundesgerichtshof, NJW 2012, 148 [150]).

Vor die­sem Hin­ter­grund trifft den Ad­mi­ni­stra­tor ei­nes Internet-Forums zwar kei­ne ge­ne­rel­le Pflicht zur Über­prü­fung von Nut­zer­kom­men­ta­ren auf rechts­wid­ri­ge Äu­ße­run­gen. So­bald be­stimm­te rechts­wid­ri­ge Äu­ße­run­gen aber kon­kret be­an­stan­det wer­den, ist der Ad­mi­ni­stra­tor ver­pflich­tet, die­se Kom­men­ta­re vom Fo­rum zu neh­men (vgl. Amtsgericht Frank­furt a.M., Urteil vom 16.07.2008 - 31 C 2575/07, BeckRS 2008, 23031), und zwar „unverzüglich“ (Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 22.10.2013 – 4 W 78/13, BeckRS 2014, 00429). Wobei die Rechtsprechung den Administratoren eines Internet Forums einen Zeitraum von gerade einmal wenigen Stunden lässt (vgl. nur Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 22.08.2006 – 7 U 50/06, MMR 2006, 744 [746]; Oberlandesgericht Stuttgart, aaO).

Fazit: Pflicht zur Überprüfung von Nutzerkommentaren – auf konkrete Beanstandung muss Löschung folgen

An dieser Pflicht ändert die Kenntnis von der Identität des Autors des ehrverletzenden Beitrags nicht. Denn ebenso wenig wie der Verleger die Quelle einer von einem Presseerzeugnis ausgehenden Störung beherrscht und deshalb grundsätzlich neben dem Autor eines beanstandeten Artikels verantwortlich ist (vgl. nur Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.10.1951 – I ZR 8/51, NJW 1952, 660) und beim Fernsehen das Sendeunternehmen als „Herr der Sendung“ zur Unterlassung verpflichtet ist (Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.04.1976 – VI ZR 246/74, NJW 1976, 1198), haftet der Betreiber eines Internetforums als „Herr der Meinungen“ neben dem Autor des eingestellten Beitrags. 

V.i.S.d.P.:

Dr. Erik Kraatz
Rechtsanwalt – Privatdozent

Sofortkontakt Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte mbB unter 030-715 206 70


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