Irrtümer im Zollstrafrecht

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Das Zollstrafrecht ist ein Spezialgebiet eines Spezialgebiets. Es ist Teil des Steuerstrafrechts, welches wiederum Teil des allgemeinen Strafrechts ist. Entsprechend wenig ist den Generalisten unter den Strafverteidigern über die Rechtsgrundlagen und Eigenheiten des Zollstrafverfahrens bekannt.

Dessen ungeachtet bieten zahlreiche Rechtsanwälte ausdrücklich auch die Verteidigung in Verfahren wegen des Vorwurf der Zollhinterziehung auf ihren Internetseiten an. Aufgrund der mangelnden Spezialisierung enthalten diese Werbeauftritte allerdings teilweise gravierende Fehler. Für den zollstrafrechtlichen Laien können diese Fehler auf den ersten Blick marginal erscheinen, tatsächlich kann hiervon aber die Frage der Strafbarkeit abhängen. Zudem wird an den Fehlern erkennbar, dass grundlegende Wissens- und Verständnislücken im Zollstrafrecht bestehen. Ein falsches Wort verrät hier dem Zollbeamten, dass sein Gegenüber im Zollstrafrecht nicht sattelfest ist und sich daher aus Unkenntnis auf eigentlich inakzeptable Verfahrensabschlüsse einlassen wird.

So heißt es auf der Internetseite eines Strafverteidigers, der neben der Verteidigung im Zollstrafrecht auch die Vertretung im Verkehrsstrafrecht, „Gewaltstrafrecht“ und „schnelle Hilfe bei Erwerb, Besitz oder Verbreitung“ von Kinderpornographie (sic) anbietet, unter der Überschrift „Zollhinterziehung am Flughafen ✈ Vorsicht bei der Einreise!“:

„Mit welcher Strafe muss man bei Zollhinterziehung rechnen?

Zollhinterziehung wird gemäß § 370 AO mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. In besonders schweren Fällen beträgt die Freiheitsstrafe sechs Monate bis zehn Jahre.

Die nicht angegebenen Waren müssen mit einem Zuschlag nachverzollt werden. Außerdem kann ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro verhängt werden.

Handelt jemand nicht vorsätzlich, sondern nur grob fahrlässig, dann wird der Zoll in der Regel von einer Zollverkürzung gemäß § 378 AO ausgehen. Dabei handelt es sich im Gegensatz zur Zollhinterziehung nur um eine Ordnungswidrigkeit, für die allerdings auch ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro verhängt werden kann.

Der Grenzwert, ab dem nicht mehr von einer Ordnungswidrigkeit, sondern von einer Straftat ausgegangen wird, liegt bei 700 Euro.“

Hieran ist einiges nicht ganz richtig.

Die Aussage „Die nicht angegebenen Waren müssen mit einem Zuschlag nachverzollt werden.“ trifft nur dann ausnahmsweise zu, wenn die Tat wegen des sogenannten Schmuggelprivilegs (§ 32 ZollVG) nicht als Steuerhinterziehung verfolgt wird. In diesen Fällen gibt es aber eben keine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe, sondern nur den Zollzuschlag von bis zu 250 Euro.

In den Genuss des Schmuggelprivilegs kommt aber nur, wer entweder nicht mehr als 250 Euro Einfuhrabgaben oder Verbrauchsteuern verkürzt hat oder wessen Verfahren wegen Geringfügigkeit (§ 398 AO bzw. 153 StPO) eingestellt wurde.

In allen anderen Fällen der Zollhinterziehung müssen die Waren ohne einen „Zuschlag“ nachverzollt werden. Daneben wird entweder eine Kriminalstrafe verhängt (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe) oder das Verfahren wird eine Zahlungsauflage eingestellt (§ 153a StPO). Die damit verbundenen Zahlungen haben allerdings nichts mit einem Zuschlag zu den Einfuhrabgaben zu tun.

Auch die Aussage „Der Grenzwert, ab dem nicht mehr von einer Ordnungswidrigkeit, sondern von einer Straftat ausgegangen wird, liegt bei 700 Euro.“ ist falsch. Es gibt keinen Grenzwert zur Unterscheidung einer Ordnungswidrigkeit einerseits und einer Straftat andererseits. Die Differenzierung erfolgt allein danach, ob noch Leichtfertigkeit oder schon bedingter Vorsatz vorliegt. Auch die Zollhinterziehung von Einfuhrabgaben in Höhe von beispielsweise nur 20 Euro (die Kleinbetragsregelungen sollen außer Betracht bleiben) stellt eine Straftat dar, bis zur Höhe von 250 Euro wird diese aber wegen des Schmuggelprivilegs in der Regel nicht als solche verfolgt.

Der Grenzwert von 700 Euro gilt nur für die Berechnung der Einfuhrabgaben und hat grundsätzlich nichts mit Zollhinterziehung bzw. leichtfertiger Zollverkürzung zu tun. Bei Reisemitbringseln bis zu einem Warenwert von 700 Euro können die Einfuhrabgaben nach einem pauschalierten Abgabensatz berechnet werden. Dieser beträgt in der Regel 17,5 Prozent und ist damit günstiger als der Regelsatz der Einfuhrumsatzsteuer von 19 Prozent. Zu diesen 19 Prozent kommt – wenn die Einfuhrabgaben regulär berechnet werden – noch der Zoll hinzu (beispielsweise 12 Prozent für Damenblusen aus Baumwolle oder 3 Prozent für Handtaschen aus Leder).

Es sollte also niemand davon ausgehen, dass er wegen der Hinterziehung von Einfuhrabgaben bis zu 700 Euro stets nur mit einem Ordnungswidrigkeitenverfahren und nicht mit einem Strafverfahren zu rechnen hat. Wer sich im Rahmen einer Zollkontrolle auf diesen Irrglauben beruft, gibt vielmehr zu erkennen, dass er vorsätzlich Steuern hinterzogen hat und sich nur über die Reichweite des Straftatbestands geirrt hat. Ein solcher Irrtum spielt aber in der zollstrafrechtlichen Praxis keine Rolle und schützt daher nicht vor einer Strafe.

Foto(s): Torsten Hildebrandt

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